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Trackliste
CD
1I. In Principio Erat Verbum (In Principio)00:03:10
2II. Fuit Homo Missus A Deo (In Principio)00:01:43
3III. Erat Lux Vera (In Principio)00:07:15
4IV. Quotquot Autem Acceperunt Sum (In Principio)00:03:37
5V. Et Verbum Caro Factum Est (In Principio)00:03:50
6La Sindone00:15:44
7Cecilia, Vergine Romana00:16:30
8Da Pacem Domine00:04:53
9Mein Weg00:06:17
10Für Lennart In Memoriam00:07:22
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2009

Nur nicht ungemütlich werden am Lagerfeuer

Askese in Moll, Terzen zu Nebelakkorden: Arvo Pärt, Hans Peter Türk und James MacMillan legen zu Ostern neue Chormusik auf.

Wer nicht nur glaubt, weil es alle so machen (oder weil es immer schon so war), der tritt einsam vor seinen Gott und vor die Welt. Credo - ich glaube: In der Einzahl beginnen das nicäische und das apostolische Glaubensbekenntnis der christlichen Kirchen. Dennoch hat der Einzelne zur Bestärkung seines Glaubens immer Gemeinschaft gesucht.

Mit der Musik, die einer solchen Gemeinschaft dient, ist es schwer, seit Kunst außerhalb der Kirche Kriterien der Wertschätzung ausgebildet hat. Individualität und Experiment sind mit der Moderne besondere Gütekriterien geworden. Was das für Folgen hat, beschrieb Karl Ledergerber, der Moderne durchaus aufgeschlossen, 1961 in seinem Buch "Kunst und Religion in der Verwandlung" so: "Was einer geschlossenen Gemeinschaft dienen soll, muss aus einem gemeinschaftlichen Sein herauskommen, sonst wird es nicht verstanden. Was soll eine Kultgemeinschaft mit Kunstgebilden, die alle auf privaten Symboliken einzelner Künstler aufgebaut sind? Eine Gemeinschaft ohne Gemeinschaftliches ist eine Utopie." Und so suchen die Komponisten unserer Tage je eigene Anknüpfungspunkte an sozial bereits erschlossene Sprachen.

Der Schotte James MacMillan, Katholik und Laien-Dominikaner, knüpft mit seiner achtstimmigen Motette "O bone Jesu" an ein Stück von Robert Carver aus der englischen Spätrenaissance an. In den einstimmigen Passagen greift er sogar noch weiter zurück auf besonders reich ornamentierte Praktiken der Gregorianik. In den Anrufungen des guten, süßen, lieben Jesu türmen sich dann die Terzen zu Nebelakkorden, als würde Weihrauch in den bunten Lichtschein alter Kirchenfenster geblasen. Das SWR Vokalensemble Stuttgart unter Marcus Creed darf in verzückten Abwärtsglissandi seine chorische Virtuosität zeigen, die in Gestalt von Intonationsreinheit auch bei der schmeichlerisch getrübten Tonalität des Stücks gefragt ist.

MacMillan, dessen aggressive Johannespassion gerade in Berlin ihre deutsche Erstaufführung erlebt hat, gibt sich in dieser Motette freundlicher, ohne die Lieblosigkeit eines Eiferers. Eine tröstliche Kontinuität mit der Welt von Ralph Vaughan Williams stellt sich hier her, dessen Messe in g-Moll ebenfalls auf dieser CD zu hören ist. Der Este Arvo Pärt sucht seit langem sein Heil in einer neuen Tonalität, in einer Askese von Klang und Material. Doch "In principio", seine 2003 entstandene Vertonung des Prologs aus dem Johannesevangelium für Chor und Orchester, kommt nun so monumental daher wie Carl Orffs "Carmina Burana".

Wie man dem Beiheft entnehmen und beim Hören gut nachvollziehen kann, folgt die Konstruktion des Anfangs einer abgezirkelten Geometrie: Der Estnische Philharmonische Kammerchor singt Silbe für Silbe den stets gleichen a-Moll-Akkord, während das Estnische Nationale Sinfonieorchester, geleitet von Tõnu Kaljuste, sich durch zwölf Tonarten arbeitet. Der lärmende Lagerfeuer-Archaismus dieses Beginns schwindet später zugunsten behutsamerer Töne, stets wirkt die Musik wie in den Irrealis gesetzt. So bleibt, selbst beim Beschwören alter musikalischer Schichten, die Distanz der Musik zum Erinnerten ungetilgt. Darin liegt, trotz aller Verführung, es sich in Vertrautem behaglich zu machen, doch eine besondere Qualität von Pärt.

Karg und herb, von einer Askese, die sich niemals selbst zum Genuss wird, sondern ungemütlich bleibt, ist die "Siebenbürgische Passionsmusik für den Karfreitag nach Matthäus" für Chor, Solisten und Orgel von Hans Peter Türk. Der Komponist stützt sich auf einen von Psalmen und Chorälen durchsetzten Passionstext aus Gesangbüchern der evangelischen Kirche im heute rumänischen Siebenbürgen und orientiert sich bei der Besetzung an einem ähnlichen Werk von Rudolf Lassel aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Türks verfremdende Rückgriffe auf mittelalterliche Mehrstimmigkeit oder barocke Klangrede dienen nicht dazu, eine musikalisch heile Welt herzustellen. Sie sind Mittel der Auszehrung, der expressiven Zuspitzung. Knorrig, bizarr timbriert im Sprechen und Singen, arbeitet die "Meißner Kantorei 1961" unter Christfried Brödel die scharfen Konturen des verkündigten Wortes heraus. Erlösung wird hier ästhetisch nicht vorweggenommen. Der Frieden, den die Musik bestenfalls ankündigt, ist bei Türk nicht nur höher als alle Vernunft, sondern auch als alle Kunst.

JAN BRACHMANN

Silence and Music. Ralph Vaughan Williams, Missa in g; James MacMillan, O bone Jesu. SWR Vokalensemble Stuttgart, Marcus Creed. Hänssler 93.250 (Naxos)

Arvo Pärt, In Principio. Estonian National Symphony Orchestra, Estonian Philharmonic Chamber Choir, Tallinn Chamber Choir, Tõnu Kaljuste. ECM 2050 (Universal)

Hans Peter Türk, Siebenbürgische Passionsmusik. Ursula Philippi, Meißner Kantorei 1961, Christfried Brödel. MDG 902 15546 (Codaex)

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