Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 5. Juni 2009
- Hersteller: 375 Media GmbH / TAPETE / INDIGO,
- EAN: 4047179286022
- Artikelnr.: 26150764
CD | |||
1 | Cecile (ich nenn dich Sissi) | 00:04:58 | |
2 | Im Radio | 00:03:04 | |
3 | Mehr mehr mehr | 00:03:28 | |
4 | Für ein ganzes Land | 00:03:08 | |
5 | Die Nacht ist jung | 00:03:11 | |
6 | Waiting For Your Call | 00:03:31 | |
7 | Foto | 00:05:05 | |
8 | Mit Flügeln und Düsenantrieb | 00:00:58 | |
9 | Testsieger | 00:02:13 | |
10 | Die Zeiten ändern sich | 00:03:57 | |
11 | Intergalaktische Missionen | 00:04:17 | |
12 | Jedes Tier | 00:05:41 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2009Genug Luft für ein inneres Schloss
Nur keine Angst vor großen Phrasen: Heimlich, gar nicht still und leise haben sich Tele in die erste Reihe deutscher Popmusik gespielt. Ihren sanften Poprock haben sie auf ihrem jüngsten Album zu einem charmanten Zitatenspiel fortentwickelt.
Das Geheimnis des popmusikalischen Sex-Appeals ist simpel: Es funktioniert nach dem soziologischen Prinzip der Inklusion. Je allgemeiner die Phrase, desto mehr fallen unter ihren Begriff und fühlen sich gemeint. Die aus Freiburg stammende Band Tele hatte noch nie Skrupel, auf das größte Glück der größten Zahl zu spekulieren. Schon die Titel ihrer beiden schönen Alben "Wovon sollen wir leben" (2004) und "Wir brauchen nichts" (2007) behaupteten umstandslos ein Kollektiv, das den Hörer immer schon einschließt.
"Es ist alles so einfach, gib mir deine Ha-haha-hahand", singt Francesco Wilking in dem Lied "Waiting For Your Call", das eigentlich nur aus musikalischen wie lyrischen Leerformeln besteht - aber im Pop geht es wie in der Liebe immer um das erste Mal. In diesem Sehnsuchts- und Trauerlied pendelt ein Sänger zwischen Lissabon, Wien, Berlin, zwischen Liebeswahn und Desillusionierung, während sein Schmerz schon zum selbstironischen Spott sublimiert ist: "Es ist schön, dass Du kommst, sagst Du. / Aber wie lange ich denn bleib, fragst du. / Weil dein Bett ist zu klein, deine Oma nebenan und dein Sofa ist verlieh'n, du musst aufstehn um sieb'n." Dumm gelaufen, aber schlau gesagt ist das.
Teles neues Album "Jedes Tier" ist bei Dirk Darmstädters Tapete-Label erschienen, seit Jahren ein Garant für eingängigen und anspruchsvollen Singer/Songwriter-Pop und doch nur selten mit Hits gesegnet. Inzwischen in der unumstrittenen Pop-Hauptstadt Berlin ansässig, haben Tele ihren weichen, warmen, entspannten Poprock zu einem leichthändigen, charmanten und spontan wirkenden Zitatenspiel weiterentwickelt, das selbst verbotenste Schlagerklischees ungestraft verwenden darf. "Und jedes Tier, das lebt, hat deinen Namen, und jeder Stern, der scheint, scheint nur durch dich", behauptet Wilking schon im funky-animierenden Auftakt "Cecile (Ich nenn Dich Sisi)". Das kann man kaum hinschreiben, ohne rot zu werden, geschweige denn singen, aber der Sänger zieht das eisern durch bis zum übermütigen Nonsense-Ausklang: "Alle Staus auf der Autobahn, nur für dich, alle Verteidiger, die Tore schießen, nur für dich".
Dafür beginnt das nächste Stück ("Im Radio") dann mit einer jener Zeilen, die einem nur einfallen, wenn man den Kopf ganz frei hat von allem Gedankenballast und Tiefsinnszwang: "Ich bin wieder allein, du bist wieder zu zweit". Wilkings Vorbilder im Songwriting liegen eher bei den sprachspielerischen und sprechrhythmisch versierten Hip-Hoppern. Wir sind Helden und Jan Delay sind auch nicht weit, mit denen Tele den Hang zum ausgefeilten Arrangement, zu kuscheligen Synthesizern, zu Background und Bläsern teilen. Dagegen wirkt der Gesang absichtlich immer etwas improvisiert und genialisch hingeschludert. Wilking hat manchmal etwas Rio-Reiser-haftes und Verletzliches in der Stimme, so dass man dem Schwerenöter fast den erstmals verliebten Schuljungen abkaufen könnte: "Die Nacht ist jung, genau wie wir, die Sterne leuchten." Manchmal wird es dann auch stärker gesellschaftskritisch oder jedenfalls zeitdiagnostisch, wobei die satirischen Schärfen der Hamburger Schulbands aus den späten Neunzigern vermieden werden. Das Politische ist hier privat, am schönsten in "Mehr mehr mehr", das im Refrain sogar richtige Slogans zum Einfühlen zu bieten hat: "Wir hatten Licht in den inneren Räumen, / wir hatten Geld für elektrische Zäune, / wir hatten Luft für ein inneres Schloss, / und wir wollten noch mehr, mehr, mehr." Ein schöneres Lalala haben, beispielsweise, die niedlichen Shout Out Louds aus Stockholm auch nicht im Programm.
Richtig lustig wird es dann noch bei "Die Zeiten ändern sich", das wie ein Hippie-Geklampfe vom Straßenmalerfestival anfängt, dann in drei Zeitschnitten durch die Popgeschichte führt und schließlich die Retrowellen und Nostalgie-Shows ad absurdum führt: "Es ist lang lang her, ich hab' nie wieder daran gedacht / und deine Mami war noch frei und hat zu Hot Chip Liebe gemacht." Und dabei hangeln sich Tele quer durch die Popgeschichte, spielen (Synthie-)Flöte über E-Gitarren-Riffs wie Jethro Tull und rappen und klatschen dazu.
Ähnlich wie Peter Licht, den man nach seinem Hit "Sonnendeck" auch zunächst noch nicht wirklich ernst nahm, haben sich Tele Album für Album in die vorderste Reihe deutscher Popmusik gespielt - als eine vitale und unermüdliche Liveband obendrein, wie in diesen Wochen wieder zu erleben ist. Eklektizismus ist keine Not, sondern eine Tugend. Tele sind so etwas wie die deutsche, bodenständige Variante von Phoenix. Wenn jetzt noch Jochen Distelmeyer zurückkommt, wird vielleicht doch alles wieder gut.
RICHARD KÄMMERLINGS
Tele, Jedes Tier. Tapete Records (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nur keine Angst vor großen Phrasen: Heimlich, gar nicht still und leise haben sich Tele in die erste Reihe deutscher Popmusik gespielt. Ihren sanften Poprock haben sie auf ihrem jüngsten Album zu einem charmanten Zitatenspiel fortentwickelt.
Das Geheimnis des popmusikalischen Sex-Appeals ist simpel: Es funktioniert nach dem soziologischen Prinzip der Inklusion. Je allgemeiner die Phrase, desto mehr fallen unter ihren Begriff und fühlen sich gemeint. Die aus Freiburg stammende Band Tele hatte noch nie Skrupel, auf das größte Glück der größten Zahl zu spekulieren. Schon die Titel ihrer beiden schönen Alben "Wovon sollen wir leben" (2004) und "Wir brauchen nichts" (2007) behaupteten umstandslos ein Kollektiv, das den Hörer immer schon einschließt.
"Es ist alles so einfach, gib mir deine Ha-haha-hahand", singt Francesco Wilking in dem Lied "Waiting For Your Call", das eigentlich nur aus musikalischen wie lyrischen Leerformeln besteht - aber im Pop geht es wie in der Liebe immer um das erste Mal. In diesem Sehnsuchts- und Trauerlied pendelt ein Sänger zwischen Lissabon, Wien, Berlin, zwischen Liebeswahn und Desillusionierung, während sein Schmerz schon zum selbstironischen Spott sublimiert ist: "Es ist schön, dass Du kommst, sagst Du. / Aber wie lange ich denn bleib, fragst du. / Weil dein Bett ist zu klein, deine Oma nebenan und dein Sofa ist verlieh'n, du musst aufstehn um sieb'n." Dumm gelaufen, aber schlau gesagt ist das.
Teles neues Album "Jedes Tier" ist bei Dirk Darmstädters Tapete-Label erschienen, seit Jahren ein Garant für eingängigen und anspruchsvollen Singer/Songwriter-Pop und doch nur selten mit Hits gesegnet. Inzwischen in der unumstrittenen Pop-Hauptstadt Berlin ansässig, haben Tele ihren weichen, warmen, entspannten Poprock zu einem leichthändigen, charmanten und spontan wirkenden Zitatenspiel weiterentwickelt, das selbst verbotenste Schlagerklischees ungestraft verwenden darf. "Und jedes Tier, das lebt, hat deinen Namen, und jeder Stern, der scheint, scheint nur durch dich", behauptet Wilking schon im funky-animierenden Auftakt "Cecile (Ich nenn Dich Sisi)". Das kann man kaum hinschreiben, ohne rot zu werden, geschweige denn singen, aber der Sänger zieht das eisern durch bis zum übermütigen Nonsense-Ausklang: "Alle Staus auf der Autobahn, nur für dich, alle Verteidiger, die Tore schießen, nur für dich".
Dafür beginnt das nächste Stück ("Im Radio") dann mit einer jener Zeilen, die einem nur einfallen, wenn man den Kopf ganz frei hat von allem Gedankenballast und Tiefsinnszwang: "Ich bin wieder allein, du bist wieder zu zweit". Wilkings Vorbilder im Songwriting liegen eher bei den sprachspielerischen und sprechrhythmisch versierten Hip-Hoppern. Wir sind Helden und Jan Delay sind auch nicht weit, mit denen Tele den Hang zum ausgefeilten Arrangement, zu kuscheligen Synthesizern, zu Background und Bläsern teilen. Dagegen wirkt der Gesang absichtlich immer etwas improvisiert und genialisch hingeschludert. Wilking hat manchmal etwas Rio-Reiser-haftes und Verletzliches in der Stimme, so dass man dem Schwerenöter fast den erstmals verliebten Schuljungen abkaufen könnte: "Die Nacht ist jung, genau wie wir, die Sterne leuchten." Manchmal wird es dann auch stärker gesellschaftskritisch oder jedenfalls zeitdiagnostisch, wobei die satirischen Schärfen der Hamburger Schulbands aus den späten Neunzigern vermieden werden. Das Politische ist hier privat, am schönsten in "Mehr mehr mehr", das im Refrain sogar richtige Slogans zum Einfühlen zu bieten hat: "Wir hatten Licht in den inneren Räumen, / wir hatten Geld für elektrische Zäune, / wir hatten Luft für ein inneres Schloss, / und wir wollten noch mehr, mehr, mehr." Ein schöneres Lalala haben, beispielsweise, die niedlichen Shout Out Louds aus Stockholm auch nicht im Programm.
Richtig lustig wird es dann noch bei "Die Zeiten ändern sich", das wie ein Hippie-Geklampfe vom Straßenmalerfestival anfängt, dann in drei Zeitschnitten durch die Popgeschichte führt und schließlich die Retrowellen und Nostalgie-Shows ad absurdum führt: "Es ist lang lang her, ich hab' nie wieder daran gedacht / und deine Mami war noch frei und hat zu Hot Chip Liebe gemacht." Und dabei hangeln sich Tele quer durch die Popgeschichte, spielen (Synthie-)Flöte über E-Gitarren-Riffs wie Jethro Tull und rappen und klatschen dazu.
Ähnlich wie Peter Licht, den man nach seinem Hit "Sonnendeck" auch zunächst noch nicht wirklich ernst nahm, haben sich Tele Album für Album in die vorderste Reihe deutscher Popmusik gespielt - als eine vitale und unermüdliche Liveband obendrein, wie in diesen Wochen wieder zu erleben ist. Eklektizismus ist keine Not, sondern eine Tugend. Tele sind so etwas wie die deutsche, bodenständige Variante von Phoenix. Wenn jetzt noch Jochen Distelmeyer zurückkommt, wird vielleicht doch alles wieder gut.
RICHARD KÄMMERLINGS
Tele, Jedes Tier. Tapete Records (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main