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Produktdetails
Trackliste
CDEXT
1Misirlou00:04:00
2Chiribim00:03:22
3Papirossen00:05:40
4Goldene chassene00:05:03
5Hava nagila00:04:36
6Kinder yoren00:06:31
75th Avenue Squaredance00:04:51
8Vu is dos gessale00:05:15
9Ich hob dech lib00:04:15
10Misirlou (Video)00:04:13
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2012

Hat man "Hava Nagila" je besser gehört?

Der spezielle Charme der Nostalgie: Die Jewrhythmics packen allerlei Nahöstliches in ihre Retro-Kiste und polieren jiddische Standards auf - ein großes Tanzvergnügen.

Von Rolf Thomas

Misirlou", jener Surf-Standard von Dick Dale, dem Quentin Tarantino durch die Verwendung in "Pulp Fiction" ewiges Leben eingehaucht hat, wird von vielen immer noch in Kalifornien angesiedelt. Dabei kamen Dales Eltern aus Polen beziehungsweise dem Libanon, und das Lied selbst ist ein griechisches Volkslied mit unklarer Herkunft. Der Titel selbst bedeutet auf Griechisch und Türkisch so etwas wie "Mädchen aus Ägypten". Ein griechischer Bandleader namens Michalis Patrinos soll das Lied mit nach Amerika genommen haben. Dort entwickelte es sich, über die Stationen Harry James und Woody Herman, zum Big-Band-Schlager. Dale entdeckte das Stück für sich, als ein kleiner Junge ihn fragte, ob er auch ein Lied auf nur einer Saite spielen könne.

Das Ergebnis war ein rasanter Hochgeschwindigkeitsrausch, der zur Blaupause für nahezu jede Surf-Kapelle der sechziger Jahre werden sollte. Der Musikethnologe Harry Smith hat in den fünfziger Jahren allerdings auch schon jüdische Versionen aufgenommen - was uns zu den Jewrhythmics führt, einer kruden Bande von Musikern aus Moskau und Tel Aviv, die "Misirlou" als Auftakt ihres Debüt-Albums auserkoren haben. Allerdings verfrachten sie die Melodie in die Disco-Ära und spielen sie mit pluckernden Sequencern, die schon zu Giorgio Moroders Zeiten an ratternde Nähmaschinen erinnerten, und laden sie mit jenem synkopierten Disco-Rhythmus auf, den Dieter Bohlen perfektioniert und bis zum Exzess zelebriert hat. Der spezielle Charme dieses nostalgischen Vergnügens sind die Melodien des Nahen Ostens, die die Jewrhythmics umstandslos in ihre Retro-Kiste packen. Da trifft der jüdische Gassenhauer "Hava Nagila" auf den Klezmer-Klassiker "Chiribim"; Jiddisch kommt als exotischer Hipness-Faktor hinzu. Seit den Andrews Sisters hat wohl kaum jemand mehr die Sprache der jüdischen Underdogs so charmant aufs internationale Parkett gehievt. Spätestens bei "Hava Nagila" schließt sich übrigens der Kreis: Auf der Rückseite von "King of the Surf Guitar", seiner ersten Single für die Plattenfirma Capitol, hat Dick Dale, der eigentlich Richard Mansour heißt, das Lied seinerzeit auch schon gespielt. Diese verborgenen Wurzeln muss man aber nicht kennen, um den amüsanten musikalischen Zwitter, den die Jewrhythmics da ersonnen haben, genießen zu können. Eigentlich muss man nur eine Schwäche für Hits der klassischen Disco-Ära wie "Love Is in the Air" oder "I Feel Love" haben, in deren begrenzter Klangwelt die Band sich offensichtlich zu Hause fühlt. Dass man diese Musik wie auch ihren nachgeborenen Bastard namens Techno heutzutage ganz leicht digital konstruieren kann, interessiert die Jewrhythmics dabei zum Glück überhaupt nicht.

Neben alten analogen Synthesizern, die ihr Dasein ansonsten mehr in Technik-Museen als in modernen Aufnahmestudios fristen, verwenden sie auch Streicher, Klarinetten und Akkordeon als melodieführende Instrumente, was nicht nur für einen reizvollen Kontrast sorgt, sondern den Liedern auch jene schluchzende Sentimentalität zuführt, die ihre Melange zu etwas ganz Besonderem macht. Ob das irgendwo hinführt, ist schwer zu sagen - die Partys im Jahr 2012 aber werden die Jewrhythmics mit Sicherheit beschallen.

Jewrhythmics,

Jewrhythmics

Essay Recordings 27 (Indigo)

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