Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 7. Oktober 2003
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Sammel-Lab,
- EAN: 0684340000380
- Artikelnr.: 20048236
CD | |||
1 | Home | ||
2 | Don't Feed The Rats | ||
3 | Nothing Can Last | ||
4 | I Wasn't Scared Of Flying | ||
5 | Bank Holiday Monday | ||
6 | We Used To Be So | ||
7 | Keep Going | ||
8 | So Far Away | ||
9 | The Silence | ||
10 | Oh God | ||
11 | The Twelve Tones | ||
12 | Already Gone | ||
13 | An Open Book |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2004Wenn Männer träumen
Unser Glück: Der englische Musiker Stephen Duffy hat Pech mit den Mädchen und der Liebe und macht deswegen sehr großen Pop
Hut ab, hier kommt ein Mann, der die Mädchen wirklich liebt. Oder sagen wir, der die Idee von ihnen wirklich liebt. Die Idee der Mädchen, von denen der Pop immer schon träumt. Die Sorte Mädchen, über die die "Beatles" sangen: "She loves you, yeah yeah yeah!" Die so erfüllend sein müssen, daß "Roxy Music" die Liebe zu ihnen als Droge bezeichneten. Mädchen, von denen einst die Gruppe "ABC" forderte, ihnen den giftigen Pfeil doch gleich ins Herz zu schießen. Und die perfekt das Versprechen einlösen, vor allem eins zu sein: ein "Wonderwall", wie ihn "Oasis" aufstellten. All diese wunderschönen Hymnen des letzten Jahrhunderts sind bekannt. Weniger bekannt ist sträflicherweise der letzte Gralsritter jener religiösen Mädchenverehrung, der heute noch lebt und musiziert. Sein Name: Stephen Duffy.
Auf der bestechend bebilderten Biographie seiner Homepage sehen wir eine Photographie aus dem Jahr 2003, mit der lakonischen Unterschrift: "At the time I was a young young boy barely 43." Doch Duffy hat wenig zu tun mit dem Hornby-England und seinen klischierten Plattensammler-Jungs, die nie erwachsen werden wollen. Er ist vielmehr im musikalischen Sinn schon erwachsen gewesen, als er auf die Welt kam. Die Familie in Birmingham, wo er 1960 geboren wurde, ist so englisch wie englische Mittelklasse nur sein kann. Der Vater, ein Telephoningenieur in tadellosen Anzügen mit Seitenscheitel und Krawatte, die Mutter Verkäuferin in Dauerwelle bei Browns und Klavierspielerin, die von ihrem schmalen Gehalt "Beatles"-Singles mit nach Hause bringt. Die Geschichte ihres Sohn Stephen ist die Mustergeschichte einer Sozialisierung durch Pop. Nach seinem ersten Konzertbesuch bei Hawkwind notiert er in sein Schultagebuch: "Nicht vergessen: Rhythm-and-Blues-Band gründen." Was als nachmittags vor dem Flurspiegel eingeübtes Rockstarposen begann, hatte einige Zeit später das Potential zum ganz großen Erfolg. Mit seinem Art-School-Kumpel Nick Rhodes gründet Stephen 1979 die Band "Duran Duran", verläßt sie aber nach einem halben Jahr wieder; irgendwie stand ihm der Sinn nach etwas anderem. Das Nebengleis, das er damit wählte, stellt sich von heute aus als formidable Schnellzugtrasse dar. Nach den klassischen Verpuppungen zu Glam-Rocker, Punker und Waver in allen Schattierungen, die ein junger Mann in Liebe zur Musik damals durchlief, erfindet sich Stephen Duffy, wie wir ihn heute kennen, 1983 mit der Zugabe "Tin Tin" zwischen Vor- und Nachnamen. Und wird von da an zum Tim des Pop, begleitet von seiner Band "Lilac Time" in der Rolle des Struppi. Die folgenden Alben sind seine Abenteuer für die Ohren. Duffy variiert ein immer ähnliches Muster auf der Suche nach seinem heiligen Gral: dem perfekten Pop-Song. Das Lied, das er damals schrieb, brauchte aber noch seine zwei Jahre, bis es, als Remix veröffentlicht auf dem ersten Album "The Ups and Downs", den ersten Erfolg brachte.
Es war 1985, und Stephen der Held war jung, schön und hatte einen Hit. Der kam sogar unter die ersten Fünf der Charts, und was sollte man sich schon mehr wünschen können beim Solo-Debüt in einem neuen Leben. Selbstbewußt steht er in polierten schwarzen Schuhen auf dem weißen Cover, in der Pose des selbstbewußten Beau - den rechten Fuß pikiert spitzwärts vor den linken gestellt. Eine Art Gilet, darunter weißes Hemd und Krawatte. Den Kopf mit der charakteristischen Scheiteltolle, seinem geliebten "Quiff", leicht schräg nach hinten gehalten, betrachtet er den Hörer mit vorgestelltem Mund und hochgezogenen Brauen. Eigentlich schon als Haltung identisch mit der Aufforderung seines Hits "Kiss me": "Kiss me with your mouth, can you compare love with wine? Isn't it flippant and vulgar? Is a kiss just a kiss? Can we have lunch? Kissed or Conned? Trust? Or just clutched? What is a wow?" Fragen über Fragen. "Things aren't always as they seem; don't be misled; buy appearances." Der spürbare Zweifel dieses Songs, ob das Mädchen es auch ernst meint, wird in euphorischen Dur-Abfolgen intoniert und markiert zugleich den Beginn seiner Phänomenologie des schönen Geschlechts. Oder, wie Duffy es selbst ausdrückt: "Es gibt dieses Sprichwort: Alles, was man braucht, um einen Film zu machen, sind eine Pistole und ein Mädchen. Bei Pop-Musik kann man sogar auf die Pistole verzichten." Der Hit blieb ein Einzelfall, die nächste Single "Icing on the Cake" floppte, und harte Zeiten brachen an. Rechtsanwälte ließen im Namen von Hergé die Benutzung des Namens seines Comic-Helden verbieten. Also gründete Duffy eine neue Band, die als "The Lilac Time" 1987 ihr erstes gleichnamiges Album veröffentlichte. Nicht nur der Name war einem Song des Folkrockers Nick Drake entlehnt. Auch die ruhige Souveränität der Songs entlieh sich Duffy bei Drake und verband sie gekonnt mit dem sonoren Timbre seiner Stimme und Texten, die jede gedruckte Version der Alben als Lyrik mühelos aushalten: "The first breath of spring must be / The last days of school might be / The first taste of forbidden fruit / And dancing with a girl who can afford good suits / Your lips on my neck / Sunbathing on the deck / Of the love boat / In clover we float / A happiness that makes you choke / Beyond words".
Es folgten weitere Alben, aber wegen der unzeitgemäßen akustischen Instrumentierung blieb der große Erfolg aus, so daß fast jede Platte bei einem neuen Label erschien. Unbeirrt schrieb Duffy weiter schöne Lieder für seine herbeiphantasierten Traum-Mädchen. Sie heißen Charlotte, Geraldine, Natalie oder einfach nur "Sunshine's Daughter" und treten in den Geschichten als Wesen auf, mit denen man Nachmittage im Liegen verbringen, aber auch ordentlich Konversation betreiben kann. Es sind Mädchen, wie sie der andere große Stephen der achtziger Jahre, Morrissey von den "Smiths", wohl gemeint haben muß, wenn er sang "Those alcoholic afternoons / that we spent in your room / they meant more to me than anything on earth / they had more worth than any living thing on earth".
Wie gut Stephen Duffys Musik zu Stories wie diesen paßt, war schon bei seinem Gemeinschaftsprojekt mit Punk-Violinist Sir Nigel Kennedy "Music in Colours" aus dem Jahr 1993 zu merken. Wo einem sonst bei jeder Verbindung von Klassik und Rock das Grauen ereilt, hier geht es tatsächlich. Kennedy verbindet die einzelnen Lieder von Duffy mit selbstkomponierten Stücken für Sologeige, sogenannte "Transitoires", und spielt sein klassisches Instrument, als wäre es eine E-Gitarre. Die Melodien sind erschütternd schön. Und die Texte: Die vergehenden Jahre, so heißt es einmal, hinterlassen Tröpfchen versprühende Spuren, wie Schnecken. Ein Mann hat in diesem Lied nur eine Bitte an seine große Liebe: Sie möge bei ihm bleiben, bis der Körper stirbt. Ob sie dies schließlich auch tut und er nicht alleine endet, bleibt offen. Ganz sicher aber bleibt die immer eindringlicher gesungene Aufforderung an das Wesen an seiner Seite, die womöglich schon unbemerkt verschwunden ist. Der Komponist dieser Werke, der längst einen Titel in der Art "Cheerleader of the dead romantic people" beanspruchen müßte, bringt uns mit dem aktuellen Album "Keep Going" auf den neuesten Stand seiner Strategien im Umgang mit dem "Impossible Girl", wie Lloyd Cole es einmal besang. Und findet, unterlegt von Slide-Gitarre, Harmonica und Banjo, im Tempo eines gemächlichen Ländlers zu erschütternden Zeilen: "If you are the answer / Then love is like cancer / It's killing me faster than time". Scheint ihm nicht allzu gut bekommen zu sein, die Sache mit der Liebe. Die Mädchen haben Spuren hinterlassen, aus den Tautropfen der Zeit ist versprühtes Gift geworden. Und doch - so schnell gibt er sich nicht geschlagen. Nach wie vor scheinen Zeit und Mädchen, wie Frauen im Pop ja immer genannt werden, die einzigen Dinge, für die es sich für einen Musiker wie Stephen Duffy zu leben lohnt und für die er im Zweifel wohl auch sein Leben ließe. Duffy resümiert in "Oh God": "And at the time I was a young boy barely 42 / I didn't know only love can break your heart / I didn't know what love could do / Oh God give me something to believe in."
Es bleibt Hoffnung: Im Morgengrauen des neuen Jahres hören wir Stephen Duffys "Keep Going", die Hymne eines Künstlertums, das sich ohne Bezahlung verschenkt und sich selbst genug ist, vor allem, wenn es sich an Liebe verschwendet, die es gar nicht gibt. Duffy selbst, dieser "most gentlemanlike chap in his field", wie Bob Stanley von der Popband "Saint Etienne" ihn einmal bewundernd bezeichnete, ist schon wieder einen Schritt weiter: Auf dem Weg nach L.A., Songs schreiben für Robbie Williams. Wir freuen uns schon mal. Auf ungekannte Hymnen. Und setzen den Hut wieder auf.
ECKHART NICKEL
Stephen Duffy & The Lilac Time: "Keep Going". Erschienen bei Universal.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unser Glück: Der englische Musiker Stephen Duffy hat Pech mit den Mädchen und der Liebe und macht deswegen sehr großen Pop
Hut ab, hier kommt ein Mann, der die Mädchen wirklich liebt. Oder sagen wir, der die Idee von ihnen wirklich liebt. Die Idee der Mädchen, von denen der Pop immer schon träumt. Die Sorte Mädchen, über die die "Beatles" sangen: "She loves you, yeah yeah yeah!" Die so erfüllend sein müssen, daß "Roxy Music" die Liebe zu ihnen als Droge bezeichneten. Mädchen, von denen einst die Gruppe "ABC" forderte, ihnen den giftigen Pfeil doch gleich ins Herz zu schießen. Und die perfekt das Versprechen einlösen, vor allem eins zu sein: ein "Wonderwall", wie ihn "Oasis" aufstellten. All diese wunderschönen Hymnen des letzten Jahrhunderts sind bekannt. Weniger bekannt ist sträflicherweise der letzte Gralsritter jener religiösen Mädchenverehrung, der heute noch lebt und musiziert. Sein Name: Stephen Duffy.
Auf der bestechend bebilderten Biographie seiner Homepage sehen wir eine Photographie aus dem Jahr 2003, mit der lakonischen Unterschrift: "At the time I was a young young boy barely 43." Doch Duffy hat wenig zu tun mit dem Hornby-England und seinen klischierten Plattensammler-Jungs, die nie erwachsen werden wollen. Er ist vielmehr im musikalischen Sinn schon erwachsen gewesen, als er auf die Welt kam. Die Familie in Birmingham, wo er 1960 geboren wurde, ist so englisch wie englische Mittelklasse nur sein kann. Der Vater, ein Telephoningenieur in tadellosen Anzügen mit Seitenscheitel und Krawatte, die Mutter Verkäuferin in Dauerwelle bei Browns und Klavierspielerin, die von ihrem schmalen Gehalt "Beatles"-Singles mit nach Hause bringt. Die Geschichte ihres Sohn Stephen ist die Mustergeschichte einer Sozialisierung durch Pop. Nach seinem ersten Konzertbesuch bei Hawkwind notiert er in sein Schultagebuch: "Nicht vergessen: Rhythm-and-Blues-Band gründen." Was als nachmittags vor dem Flurspiegel eingeübtes Rockstarposen begann, hatte einige Zeit später das Potential zum ganz großen Erfolg. Mit seinem Art-School-Kumpel Nick Rhodes gründet Stephen 1979 die Band "Duran Duran", verläßt sie aber nach einem halben Jahr wieder; irgendwie stand ihm der Sinn nach etwas anderem. Das Nebengleis, das er damit wählte, stellt sich von heute aus als formidable Schnellzugtrasse dar. Nach den klassischen Verpuppungen zu Glam-Rocker, Punker und Waver in allen Schattierungen, die ein junger Mann in Liebe zur Musik damals durchlief, erfindet sich Stephen Duffy, wie wir ihn heute kennen, 1983 mit der Zugabe "Tin Tin" zwischen Vor- und Nachnamen. Und wird von da an zum Tim des Pop, begleitet von seiner Band "Lilac Time" in der Rolle des Struppi. Die folgenden Alben sind seine Abenteuer für die Ohren. Duffy variiert ein immer ähnliches Muster auf der Suche nach seinem heiligen Gral: dem perfekten Pop-Song. Das Lied, das er damals schrieb, brauchte aber noch seine zwei Jahre, bis es, als Remix veröffentlicht auf dem ersten Album "The Ups and Downs", den ersten Erfolg brachte.
Es war 1985, und Stephen der Held war jung, schön und hatte einen Hit. Der kam sogar unter die ersten Fünf der Charts, und was sollte man sich schon mehr wünschen können beim Solo-Debüt in einem neuen Leben. Selbstbewußt steht er in polierten schwarzen Schuhen auf dem weißen Cover, in der Pose des selbstbewußten Beau - den rechten Fuß pikiert spitzwärts vor den linken gestellt. Eine Art Gilet, darunter weißes Hemd und Krawatte. Den Kopf mit der charakteristischen Scheiteltolle, seinem geliebten "Quiff", leicht schräg nach hinten gehalten, betrachtet er den Hörer mit vorgestelltem Mund und hochgezogenen Brauen. Eigentlich schon als Haltung identisch mit der Aufforderung seines Hits "Kiss me": "Kiss me with your mouth, can you compare love with wine? Isn't it flippant and vulgar? Is a kiss just a kiss? Can we have lunch? Kissed or Conned? Trust? Or just clutched? What is a wow?" Fragen über Fragen. "Things aren't always as they seem; don't be misled; buy appearances." Der spürbare Zweifel dieses Songs, ob das Mädchen es auch ernst meint, wird in euphorischen Dur-Abfolgen intoniert und markiert zugleich den Beginn seiner Phänomenologie des schönen Geschlechts. Oder, wie Duffy es selbst ausdrückt: "Es gibt dieses Sprichwort: Alles, was man braucht, um einen Film zu machen, sind eine Pistole und ein Mädchen. Bei Pop-Musik kann man sogar auf die Pistole verzichten." Der Hit blieb ein Einzelfall, die nächste Single "Icing on the Cake" floppte, und harte Zeiten brachen an. Rechtsanwälte ließen im Namen von Hergé die Benutzung des Namens seines Comic-Helden verbieten. Also gründete Duffy eine neue Band, die als "The Lilac Time" 1987 ihr erstes gleichnamiges Album veröffentlichte. Nicht nur der Name war einem Song des Folkrockers Nick Drake entlehnt. Auch die ruhige Souveränität der Songs entlieh sich Duffy bei Drake und verband sie gekonnt mit dem sonoren Timbre seiner Stimme und Texten, die jede gedruckte Version der Alben als Lyrik mühelos aushalten: "The first breath of spring must be / The last days of school might be / The first taste of forbidden fruit / And dancing with a girl who can afford good suits / Your lips on my neck / Sunbathing on the deck / Of the love boat / In clover we float / A happiness that makes you choke / Beyond words".
Es folgten weitere Alben, aber wegen der unzeitgemäßen akustischen Instrumentierung blieb der große Erfolg aus, so daß fast jede Platte bei einem neuen Label erschien. Unbeirrt schrieb Duffy weiter schöne Lieder für seine herbeiphantasierten Traum-Mädchen. Sie heißen Charlotte, Geraldine, Natalie oder einfach nur "Sunshine's Daughter" und treten in den Geschichten als Wesen auf, mit denen man Nachmittage im Liegen verbringen, aber auch ordentlich Konversation betreiben kann. Es sind Mädchen, wie sie der andere große Stephen der achtziger Jahre, Morrissey von den "Smiths", wohl gemeint haben muß, wenn er sang "Those alcoholic afternoons / that we spent in your room / they meant more to me than anything on earth / they had more worth than any living thing on earth".
Wie gut Stephen Duffys Musik zu Stories wie diesen paßt, war schon bei seinem Gemeinschaftsprojekt mit Punk-Violinist Sir Nigel Kennedy "Music in Colours" aus dem Jahr 1993 zu merken. Wo einem sonst bei jeder Verbindung von Klassik und Rock das Grauen ereilt, hier geht es tatsächlich. Kennedy verbindet die einzelnen Lieder von Duffy mit selbstkomponierten Stücken für Sologeige, sogenannte "Transitoires", und spielt sein klassisches Instrument, als wäre es eine E-Gitarre. Die Melodien sind erschütternd schön. Und die Texte: Die vergehenden Jahre, so heißt es einmal, hinterlassen Tröpfchen versprühende Spuren, wie Schnecken. Ein Mann hat in diesem Lied nur eine Bitte an seine große Liebe: Sie möge bei ihm bleiben, bis der Körper stirbt. Ob sie dies schließlich auch tut und er nicht alleine endet, bleibt offen. Ganz sicher aber bleibt die immer eindringlicher gesungene Aufforderung an das Wesen an seiner Seite, die womöglich schon unbemerkt verschwunden ist. Der Komponist dieser Werke, der längst einen Titel in der Art "Cheerleader of the dead romantic people" beanspruchen müßte, bringt uns mit dem aktuellen Album "Keep Going" auf den neuesten Stand seiner Strategien im Umgang mit dem "Impossible Girl", wie Lloyd Cole es einmal besang. Und findet, unterlegt von Slide-Gitarre, Harmonica und Banjo, im Tempo eines gemächlichen Ländlers zu erschütternden Zeilen: "If you are the answer / Then love is like cancer / It's killing me faster than time". Scheint ihm nicht allzu gut bekommen zu sein, die Sache mit der Liebe. Die Mädchen haben Spuren hinterlassen, aus den Tautropfen der Zeit ist versprühtes Gift geworden. Und doch - so schnell gibt er sich nicht geschlagen. Nach wie vor scheinen Zeit und Mädchen, wie Frauen im Pop ja immer genannt werden, die einzigen Dinge, für die es sich für einen Musiker wie Stephen Duffy zu leben lohnt und für die er im Zweifel wohl auch sein Leben ließe. Duffy resümiert in "Oh God": "And at the time I was a young boy barely 42 / I didn't know only love can break your heart / I didn't know what love could do / Oh God give me something to believe in."
Es bleibt Hoffnung: Im Morgengrauen des neuen Jahres hören wir Stephen Duffys "Keep Going", die Hymne eines Künstlertums, das sich ohne Bezahlung verschenkt und sich selbst genug ist, vor allem, wenn es sich an Liebe verschwendet, die es gar nicht gibt. Duffy selbst, dieser "most gentlemanlike chap in his field", wie Bob Stanley von der Popband "Saint Etienne" ihn einmal bewundernd bezeichnete, ist schon wieder einen Schritt weiter: Auf dem Weg nach L.A., Songs schreiben für Robbie Williams. Wir freuen uns schon mal. Auf ungekannte Hymnen. Und setzen den Hut wieder auf.
ECKHART NICKEL
Stephen Duffy & The Lilac Time: "Keep Going". Erschienen bei Universal.
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