Eine 'typische' Hamelin-Aufnahme - wenn man das für den kanadischen Ausnahmepianisten Marc-André Hamelin überhaupt so formulieren mag - kombiniert auf stimulierende Weise das Unbekannte, Unerwartete mit dem Vertrauten. So auch in seiner jüngsten Einspielung, bei der Hamelin Sergei Rachmaninoffs drittem Klavierkonzert das zweite von Nicolai Medtner (1880-1951) zur Seite stellt. Die Komponisten waren gleichermaßen angesehene Pianisten, die naturgemäß hervorragend für ihr Instrument schrieben. In den Solopartien werden atemberaubende Klangmassen freigesetzt, die gleichwohl ebenso dankbar wie effektvoll in die geübten Finger des Virtuosen fallen. Beide gingen aus einer streng akademischen Schule hervor, nicht zuletzt unter der Ägide des russischen Verfechters der Polyphonie, Sergej Tanejew. Jedoch lehnten sie sich gegen diese Ausbildung auf und erlangten ihre kompositorische Bedeutung weitgehend als Autodidakten. Sowohl Rachmaninoff als auch Medtner blieben der Ästhetik und den Stilen treu, mit denen sie aufgewachsen waren (Chopin, Schumann und Liszt waren die offenkundigsten gemeinsamen Einflüsse), weshalb beide die neuen musikalischen Strömungen um sich herum ablehnten, nicht zuletzt die Werke ihrer bedeutendsten Landsmänner im Exil, Strawinsky und Prokofieff. Sie konnten die Umwälzungen durch das bolschewistische Regime, das ihre Welt und ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte, nicht ertragen, und doch empfanden beide in ihrem Exil eine intensive Sehnsucht nach ihrer russischen Heimat. In seiner Aufnahme mit Vladimir Jurowski und dem London Philharmonic Orchestra erweist sich Hamelin als idealer Interpret für Rachmaninoff und überzeugender Fürsprecher für dessen Zeitgenossen Medtner.