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Mozart, der in seinen frühen Opera seria-Kompositionen die Gattung nie in Frage gestellt hatte, aber mit dem Idomeneo eigene Wege gegangen war, verlangte anlässlich dieser neuerlichen, pflichtgemäßen Beschäftigung tief greifende Änderungen an der Textvorlage. Sein Librettist Caterino Mazzolà reduzierte die drei Akte bei Pietro Metastasio auf zwei, nahm gravierende Kürzungen vor und führte Ensembles sowie zwei handlungsintensive Finalnummern ein, wodurch der Titus rein äußerlich schon nicht mehr viel mit der überkommenen Gestalt der Opera seria gemein hatte. Bei Stephen Oliver hatte die…mehr

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Produktbeschreibung
Mozart, der in seinen frühen Opera seria-Kompositionen die Gattung nie in Frage gestellt hatte, aber mit dem Idomeneo eigene Wege gegangen war, verlangte anlässlich dieser neuerlichen, pflichtgemäßen Beschäftigung tief greifende Änderungen an der Textvorlage. Sein Librettist Caterino Mazzolà reduzierte die drei Akte bei Pietro Metastasio auf zwei, nahm gravierende Kürzungen vor und führte Ensembles sowie zwei handlungsintensive Finalnummern ein, wodurch der Titus rein äußerlich schon nicht mehr viel mit der überkommenen Gestalt der Opera seria gemein hatte. Bei Stephen Oliver hatte die Glyndebourne Festival Opera neu zu komponierende Rezitative in Auftrag gegeben, die bei dieser hier im Mitschnitt vorliegenden Produktion von La clemenza di Tito erstmals interpretiert wurden. Gesungen von bekannten englischen und internationalen Bühnengrößen und unter Leitung von Andrew Davis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2006

Das Metier des Flaneurs
Auf Entdeckungsreise: Patrick Keiller in London und England

Patrick Keiller: "London" und "Robinson in Space".

BFIVD 649. "London", (1994). 82 Minuten. "Robinson in Space", (1997). 78 Minuten. Englisch mit optionalen englischen Untertiteln.

Die Revolutionen des alltäglichen Lebens geschehen häufig unbemerkt. Sie werden sichtbar nur dort, wo der Blick ein wenig verschoben wird, wo ein Exzentriker auf das Gewöhnliche schaut. Der Flaneur ist zwar selber inzwischen eine historische Figur. Daß man aber immer noch so tun kann, als ob, hat der britische Dokumentarfilmer Patrick Keiller in den neunziger Jahren mit "London" und "Robinson in Space" bewiesen, zwei situationistisch inspirierten visuellen Studien über "das Problem London" zum einen und, nicht minder anspruchsvoll und ironisch, "das Problem England" zum anderen.

Robinson, die Hauptfigur, kommt dabei nie ins Bild. Er existiert nur aus dem Off, aus der Perspektive der Kamera, die Details und Totalen aus London und England aufnimmt, und durch die Stimme des Erzählers Paul Scofield, der mit seinem sonoren Oxford-Englisch von den seltsamen Exkursionen berichtet, die Robinson unternimmt. Es sind die Post-Thatcher-Jahre in England, eine lähmende Übergangszeit, die in dem Politiker John Major ihre Physiognomie bekam. Die City of London steht unter dem Eindruck einer Terrorwelle der IRA. Während öffentliches Leben und Infrastruktur verfallen, sucht Robinson nach Refugien der Moderne in einem neoliberalen Land. Wo soll ein Mann hin, der bei Canary Wharf nicht an Immobilienpreise, sondern an Rimbaud denkt?

Der neuerliche Wahlsieg der Tories im Jahr 1992 bedeutet für Robinson, den schwulen Einzelgänger, weitere Marginalisierung. "He would drink more, and less well", orakelt Paul Scofield, der mit seiner Stimme einen "Seemann" vertritt, dessen Begleitung sich Robinson auf seinen Expeditionen versichert. Diese Reisen sind reich an kulturellen Bezügen. Die Beziehungen zum Festland sind dabei von besonderer Bedeutung. Robinson hegt eine tiefe Abscheu gegen die "Furcht vor Europa", die in England herrscht. Er unterhält, während er unsichtbar durch seine Gegenwart streift, intensive Beziehungen zu Baudelaire, Benjamin, Raoul Vaneigem. Der Kanon der Moderne ist ihm geläufig, und weil er übers 19. Jahrhundert so viel gelesen hat, ist ihm das 20. besonders zuwider.

Nachdem Robinson in "London" das Scheitern der Stadt auf der ganzen Linie konstatiert hat, weitet er drei Jahre später seine Untersuchung auf die ganze Insel aus. Daniel Defoe ist dabei das Vorbild, der im 18. Jahrhundert eine "Tour through England and Wales" unternommen hatte. Robinson wäre gern ein Spion, aber er kennt keinen Geheimdienst, dem er sich andienen könnte. Statt dessen wird er von einer nicht näher genannten Werbefirma angeheuert, eine Untersuchung über England zu machen. Die ziellose Aufmerksamkeit für scheinbare Nebensächlichkeiten macht vor keinem Detail halt. So bekommt auch der heutige VW-Chef Bernd Pischetsrieder seinen Moment in der Filmgeschichte. "There has been little made of the fact", so der Erzähler in unnachahmlichem Forscher-Englisch, daß verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Alec Issigonis, dem Designer des Mini, und Manager Pischetsrieder bestehen. Keiller macht auch nicht viel mehr aus dieser Tatsache, versteht es aber, mit seiner beiläufigen Bemerkung eine jener Verfallsgeschichten vom schönen Automobil zum Fließbandauto anzudeuten, unter denen Robinson so leidet.

England ist ein surrealer Planet in "Robinson in Space", ein Land, das aus Häfen und Einkaufszeilen, Durchgangsstraßen und Schlössern, Überwachungsanlagen und Kraftwerken besteht. Auf den Ausfahrtsschildern an der Autobahn stehen nicht mehr die Namen von Orten, sondern "Toyota" oder "Samsung". Während die globale Wirtschaft und der militärisch-industrielle Komplex ihre Festungen in den grünen Tälern errichten, machen Robinson und sein Begleiter zwar keine Fortschritte bei ihrer Recherche. Sie sammeln aber jede Menge beeindruckender Bilder, und vermutlich gibt es zu der Verwandlung Englands in ein Musterland des neuesten Kapitalismus keinen besseren Film als "Robinson in Space" (die Börsenkurse der besuchten Fabriken werden natürlich penibel notiert). Die Trauer um den Verlust öffentlichen Lebens hat dabei durchaus einen selbstreflexiven Zug. Denn Patrick Keiller, der wie sein fiktives Alter ego Robinson in Blackpool geboren wurde, konnte die beiden Filme nur in einer Filmkultur herstellen, die durch BBC und das British Film Institute über starke Institutionen der öffentlichen Hand verfügt.

Das BFI hat nun die beiden modernen Klassiker, begleitet von einem ausführlichen Booklet, auch auf DVD herausgebracht. Der gebildete Pessimismus von W.G. Sebald, der mit einem ausgeprägteren Interesse an Spuren der Geschichte, aber mit einem ähnlichen Sinn für Details die englische Landschaft erforscht hat, ist vielleicht die am ehesten verwandte Position. Während Sebald aber die Bilder wie Briefmarken zwischen seine Texte montiert, sieht Robinson mit einem technischen Auge in scharfen Totalen, wie das alltägliche Leben allmählich unsichtbar wird.

BERT REBHANDL

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