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Trackliste
CD
1In For The Kill00:04:10
2Tigerlily00:03:25
3Quicksand (Standard Version)00:03:06
4Bulletproof00:03:28
5Colourless Colour00:03:28
6I'm Not Your Toy00:03:19
7Cover My Eyes00:04:32
8As If By Magic00:03:54
9Fascination00:03:42
10Reflections Are Protection00:04:19
11Armour Love00:03:55
12Growing Pains (Bonus Album Track)00:03:27
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2009

Großes Ego, gutes Album
Das Pop-Duo mit dem Trend zur Ein-Frau-Band: La Roux verewigt die achtziger Jahre

Leider gehen Schönheit und Langlebigkeit gerne in entgegengesetzte Richtungen: Die hässlichsten Dinge, wie zum Beispiel das unsäglich lange andauernde Revival der Achtziger, gibt es ewig. Jedenfalls wunderte sich der Besuch aus Nürnberg am Wochenende darüber, dass sich in Berlin so viele Jungs wie Mädchen und so viele Mädchen wie Jungs anziehen. Also mit Leggins, Haarband, übergroßen T-Shirts und Schulterpolstern nachmittags in Cafés frühstücken oder grenzdebil "Drei Tage wach" spielen im CDV. So nennen Jungs, die sich wie Mädchen anziehen, und Mädchen, die sich wie Jungs anziehen, den Club der Visionäre, den härtesten After-Hour-Laden der an harten After-Hour-Läden nicht armen Stadt.

Die Mode der Achtziger jedenfalls ist definitiv sehr androgyn. Männlein oder Weiblein? - das ist die Frage, die man sich oft stellt beim Anblick der Achtziger-Anhänger. Wenn dieser Stil schon ästhetisch so wenig für sich hat, vielleicht ja ideologisch: Hat dieses Verwirrspiel der Geschlechter vielleicht gar ein utopisches Potential? Wenn die klaren Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen wegfallen, stehen dann auch allen die gleichen Rechte zu? Gleicher Look, gleiche Chancen?

Eine, die musikalisch, modisch und politisch diese These lebt, ist die zwanzig Jahre alte Elly Jackson. Sie sieht auf eine Weise androgyn aus, die sexy ist, und Gleichberechtigung hält sie für eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam mit ihrem weitgehend unsichtbaren Kollegen Ben Langmaid ist Elly Jackson die Synthie-Pop-Band La Roux. Nächsten Freitag erscheint ihr gleichnamiges Debütalbum, das eingängige Disco-Hits in Serie liefert, zu denen in diesem Sommer bestimmt viele Clubbesucher gleich welchen Geschlechts ihre Leggins durchschwitzen werden. Electronica, die episch, emotional und voller Herzblut ist.

Mein Chef findet diese aufgewärmte Version der Eighties zwar langweilig, aber er hat sie vor knapp dreißig Jahren ja schon einmal mitgemacht und trägt schließlich auch keine Leggins. Anders als La Roux, das Kind der ausklingenden Achtziger. Jetzt trällert sie zum Teil irritierend hoch zu Elektronica zwischen Santigold, Giorgio Moroder und Soft Cell. "Quicksand", das vorab als Single schon auf dem Pariser Hipster-Label Kitsuné erschien, zum Beispiel hört sich so hysterisch, nervös und unbedingt feierwütig an, wie eine angedudelte Mädchenrunde Samstagnacht um zwei Uhr. Und in "Tigerlilly" singt Elly Jackson zu filmreifem, ägyptisch anmutendem Elektro davon, wie sie als Liebeskranke einen Mann verfolgt.

Der mädchenhafte und oft romantische Gesang steht im schönen Kontrast zum jungenhaften und ausgefallenen Äußeren von Elly Jackson, die beim Interview aussieht wie die schlechtgelaunte kleine Schwester von Tilda Swinton. Sie hat ein ausgesprochen ebenmäßiges Gesicht, ihr feuerrotes Haar versucht, die Gesetze der Schwerkraft auszuhebeln, streckt sich in alle Richtungen gen Himmel. Dank dieses Aussehens ist La Roux schon vor Erscheinen ihres ersten Albums zur Marke geworden. Bestimmt auch wegen ihres sehr großen Egos. Lautstark erklärt Elly Jackson schon mal in einem Nebensatz, die Zeit für Gitarrenmusik sei abgelaufen, und ruft Electronica als den neuen Rock aus. Gutes Album, selbstbewusste Frau.

Es braucht schon eine Menge Durchsetzungsvermögen, um sich in der männlich geprägten Musikwelt zu behaupten - so eine müsste doch eigentlich auch als Vorbild in Sachen Feminismus herhalten. Entsprechende Suggestivfragen, warum nicht mehr Frauen in Bands spielen, kontert Elly Jackson in einem Ton, in dem man einem begriffsstutzigen Kind Naheliegendes erklärt: "Mädchen-Bands sind einfach lahm." Das ist natürlich genauso falsch wie dumm. Es gibt sehr wohl Frauen-Bands, die alles andere als lahm sind. Zum Beispiel Sleater-Kinney oder Bikini Kill. Aber beide scheint Elly Jackson, die nach eigenen Angaben mit Ausnahme von TV on the Radio und The Knife nur Musik aus den Achtzigern hört, nicht zu kennen. Na ja, Sleater-Kinney und Bikini Kill gibt es ja auch erst seit den Neunzigern. Außerdem: Dass es viel weniger Frauen in Bands gibt, hat wohl auch mit der ewig vorgestrigen Erziehung zu tun, für die man den schlimmen Begriff Gender Mainstreaming bemühen muss: Wie viele Frauen spielen schon Schlagzeug? Wie viele Jungs lernen Querflöte?

Im gleichen Atemzug behauptet Elly Jackson: Gelten Sängerinnen nur als Dekoration einer Band, sei das einzig und allein der Fehler der Frauen. "Wenn du dich als dummes, kleines Ding präsentierst, brauchst du dich nicht wundern, wenn du wie ein dummes, kleines Ding behandelt wirst." Sie jedenfalls hatte noch nie Nachteile aus ihrem Frau-Sein. Dazu gratulieren wir. Und zugegebenermaßen: Frauen haben noch nie irgendetwas dadurch gewonnen, dass sie sich ausgezogen oder als immer willig inszeniert haben. Aber der Ego-Feminismus von Elly Jackson, der dem Motto "Jede soll zuerst bei sich selbst anfangen" folgt, hört sich doch ganz schön yuppiehaft an. Elly Jackson scheint eben nicht nur musikalisch in den Achtzigern zu leben, jener Zeit, die der Clubkultur-Soziologe Simon Reynolds die "Me-Decade" nennt.

Dazu passt, dass Elly Jackson eigentlich alleine La Roux ist: Das Plattencover zeigt ihr Porträt in Großaufnahme, Interviews gibt sie grundsätzlich allein. Zum Image von La Roux trägt ihr Bandkollege Ben herzlich wenig bei. Und darin liegt auch die Ironie ihrer Aussagen. Überspitzt formuliert: Elly Jackson verkörpert mit La Roux fast schon eine Ein-Frau-Band - und klingt dabei trotzdem kein bisschen lahm. Als feministisches Vorbild aber scheidet sie aus, dazu taugt dann doch eher die Sängerin von Gossip. Die hat auch ein tolles Album.

CHRISTINA HOFFMANN

"La Roux" von La Roux (Verstärker) erscheint am 26. Juni.

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