'Mit diesem CD-Buch, das die Lebensgeschichte Francisco Javiers - vom alten Europa bis ins Land der aufgehenden Sonne-, Auszüge aus seinen Briefen, die bedeutsamsten Texte seiner Zeit sowie Musikwerke aus jener Epoche und der heute noch lebendigen Musikkulturen vorstellt, denen er auf seinem Weg nach Orient begegnete, möchten auch wir ihn aus tiefstem Herzen ehren. Wenn die Welt ein Buch ist, so hat Franz Javier es von A bis Z gelesen.' (Jordi Savall)
SACDH 1 | |||
1 | Alba & Rotundellus | 00:02:24 | |
2 | Virgen Bendita (Villancico) | 00:03:39 | |
3 | Consort XXI | 00:01:47 | |
4 | Francia, cuenta tu ganancia (Villancico) | 00:02:54 | |
5 | Paduana | 00:03:00 | |
6 | Dios te salve, cruz preciosa (Villancico) | 00:04:46 | |
7 | Puzzle-canon 1 | 00:02:35 | |
8 | O Welt, ich muss dich lassen (Lied) | 00:02:51 | |
9 | La battaglia (Pavane) | 00:02:06 | |
10 | Benedic anima mea | 00:03:11 | |
11 | O gloriosa Domina | ||
12 | O gloriosa Domina 1 | 00:00:36 | |
13 | Himno XX | 00:01:47 | |
14 | Quod Eva tristis | 00:00:38 | |
15 | Diferencia 1 | 00:00:58 | |
16 | Tu regis alti ianna | 00:00:39 | |
17 | Schluss: Psalterio | 00:00:27 | |
18 | In nomine: Seldom sene | 00:02:08 | |
19 | Adoramus te Senor | 00:03:33 | |
20 | Benedictus a 3 | 00:02:29 | |
Weitere 8 Tracks anzeigen | |||
21 | Saltarello | 00:01:08 | |
22 | Sanctus de la Missa "Mille regrets" | 00:03:31 | |
23 | Pués que tu. Reyna del cielo (Villancico) | 00:03:30 | |
24 | Perkussionen aus Afrika | 00:02:23 | |
25 | Impressionen | 00:04:24 | |
26 | Senhora del mundo (Villancico) | 00:05:16 | |
27 | O gloriosa Domina 1-4 | 00:01:56 | |
28 | Raga zu "O gloriosa Domina" | 00:10:18 | |
SACDH 2 | |||
1 | Shinobue | 00:03:47 | |
2 | Invitatorium: Regem cui | 00:13:07 | |
3 | Honnôji (Biwa & Gesang) | 00:10:38 | |
4 | O gloriosa Domina (Oratio christianorum ocultorum) | ||
5 | Improvisation 1 | 00:02:04 | |
6 | Quod Eva tristis 2 | 00:00:38 | |
7 | Improvisation 2 | 00:01:58 | |
8 | Tu regis alti ianua 3 | 00:00:39 | |
9 | Improvisation 3 | 00:03:15 | |
10 | Patri sit paraclito 4 | 00:00:40 | |
11 | O gloriosa | 00:01:38 | |
12 | O gloriosa Domina: Amen | 00:00:52 | |
13 | Reibo | 00:10:50 | |
14 | Adoramus te Domine | 00:03:57 | |
15 | Senhora del Mundo | 00:02:42 | |
16 | Improvisation | 00:00:59 | |
17 | O gloriosa Domina diferencia 1 | 00:01:15 | |
18 | In secundo nocturno "Ne recorderis" | 00:05:01 | |
19 | Fantasia | 00:01:52 | |
20 | Rangyoku | 00:06:45 | |
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21 | Ave Maria | 00:04:54 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2008Kaffee für die Lieblingsfrau, Trommeln für den Sultan
Jordi Savall reist auf den Spuren des heiligen Franz Xaver nach Japan, das Pera-Ensemble tanzt türkische Walzer
Der Osten lockt mit Farbenpracht, exotischen Bräuchen und Klängen. Auf diese attraktive Melange verlassen sich gleich zwei Plattenverlage, die ihre Produkte mit dekorativem Aufwand in veritable Buchkunsthandwerkobjekte verwandelt haben. Der Ferne Osten wurde in ein fast dreihundert Seiten starkes, fünfsprachiges Prachtbooklet eingekleidet. Für den Nahen Osten wählte man Hochformat, auf dem golddurchwirkten Cover wird der Lieblingsfrau des Sultans Kaffee gereicht. "Harem" girrt lockend der Titel - "La Ruta de Oriente" ruft gebieterisch vielversprechend der andere: auf nach Indien, Japan, zu den Mamelukken!
Glücklicherweise aber wird die schillernde Marketingstrategie der Plattenfirmen durch den musikalischen und historischen Inhalt gedeckt. Das Orientprojekt geht auf den katalanischen Gambisten Jordi Savall zurück, der mit seinem Ensemble Hespèrion XXI schon eine Fülle von Einspielungen rarer europäischer Barockmusik vorgelegt hat. Diesmal begab er sich auf die Spuren seines Landsmannes Francisco Javier, der von 1506 bis 1552 lebte, unter Katholiken auch bekannt als der heilige Franz Xaver, Jesuit und Schutzpatron aller Missionare.
Elf Jahre war Javier auf Missionsreise in unbekannte Weltgegenden, die Expedition endete erst mit seinem Tod auf einer Insel vor China. Savall zeichnet diese Reise musikalisch nach. Er stellt also ein höchst originelles Konzept von "Weltmusik" vor, bei dem die Musik des Alten Europa selbst auf Reisen geht, um afrikanischer, arabischer und japanischer Musik zu begegnen. Die erste CD dieses Doppelalbums ist Javiers Jugend in Navarra, seinem Studium und seiner Bekehrung in Paris, dann seiner Aussendung (Venedig, Rom, Lissabon) gewidmet. Wir hören europäische Sakralmusik, Mariengesänge als Blüten der Gegenreformation, aber auch das herzergreifende vierstimmige Lied "O Welt, ich muss dich lassen" von Heinrich Isaac, der im Lutherjahr 1517 starb. Dazu gibt es Auszüge aus Schriften von Erasmus, Machiavelli, Thomas Morus und alle fünfundneunzig Thesen von Martin Luther.
Ein Bild des sechzehnten Jahrhunderts entsteht. Die faszinierende Fremdheit der alten europäischen Musik zeigt sich in den Villancicos - weltlichen Tänzen der Iberischen Halbinsel, in deren perkussiver Begleitung man maurisch-afrikanische Einflüsse heraushört. Doch auch in einem Villancico kann Maria, Herrin der Welt, gepriesen werden: Savalls langjährige Gefährtin, die Sopranistin Montserrat Figueras, spinnt den Hörer in einen meditativen Gesang mit rhythmisch kreisender, sich stetig verdichtender Begleitung ein.
Wie aber ist so etwas zu spielen, wenn die Überlieferung lückenhaft bleibt? Selbstverständliches wurde nicht notiert. Die Musiker von Hespèrion XXI bringen neben historischer Kompetenz ein gerüttelt Maß an musikalischer Intuition mit ein. Aus der historisch informierten Aufführungspraxis wird so die "historisch informierte Annahme", wie es im Begleitbuch ehrlicherweise und nicht ganz unironisch heißt.
Von Lissabon aus segelte der päpstliche Nuntius Javier 1541 nach Portugiesisch-Indien. Über seine Missionsarbeit berichtet er in Briefen. Ähnlich wie die nach Südamerika ausgesandten Jesuiten lernt auch er zunächst Sprache und Gebräuche der fremden Völker und versucht, deren Religionen in den Katholizismus einzubinden. Besonders beeindruckt ist Javier von den "gutherzigen, gutwilligen und wissensdurstigen" Japanern. So bietet die zweite CD einen Wechselgesang aus spanischer und traditioneller japanischer Musik, etwa dem Honnoji-Gesang mit Begleitung des Biwa, der klassischen japanischen Laute. Herausragendes Beispiel an rhythmischer und melodisch-harmonischer Entrücktheit ist das zeitverlorene Flötenspiel auf der No-kan-Querflöte. Damit erinnert die Savall-Aufnahme an die völlige Selbstabschottung Japans in späteren Jahrhunderten.
Die Osmanen ihrerseits zogen nach Westen. Das gesamte musikalische achtzehnte Jahrhundert hallt wider von dem Kriegslärm der "Türken vor Wien" (1683). Die Opern Lullys und Rameaus, etwa "Les Indes galantes", sind voller Anspielungen in musikdramatischer Auseinandersetzung mit dem Janitscharen-Idiom. Das Ensemble Concerto Köln und das Ensemble Sarband haben längst den Walzer aus Wiener und Istanbuler Sicht erkundet (siehe F.A.Z. vom 3. Dezember 2005). Jetzt wird vom türkischen Pera-Ensemble und dem jungen Kölner Orchester L'Arte del Mondo eine weitere Seite in der Entdeckung türkisierender westlicher sowie klassischer türkischer Musik aufgeschlagen.
Ein Ballett von Johann Christian Cannabich, des von Mozart geschätzten Direktors der Mannheimer Hofkapelle, gibt der Platte den Untertitel: "Les Fêtes du serailles". Diese sechs Tanzsätze werden ergänzt von der sogenannten Türkischen Batterie. Es waren solche offensiv türkisierenden Elemente mit ihrer Fremdheit, die beim Publikum besonders beliebt waren. Mozarts Singspiel "Zaide" dagegen enthält keinerlei Exotismen, es steht musikalisch unverbunden im gewählten Kontext.
Das Arienjuwel "Ruhe sanft, mein holdes Leben", technisch brillant gesungen von der im Timbre eher harten Stephanie Elliott, wird mit einer experimentellen Improvisation auf dem Kanun, einer Zither, eingeleitet. Wirklich lohnend die Vielfalt der echt türkischen Nummern, die manchmal auch von komponierenden Sultanen stammen. Die Pera-Musiker wirbeln rund mit Trommelschlägen, gemäß der zentralen Rolle, die der Perkussionsabteilung zukommt, die den Dirigenten ersetzt. Und Bekir Unlüataer führt mit seiner sanft-süß klagenden Tenorstimme ins himmlische Reich melodiegesättigter Kantilenen, von Ney-Flöte, Zither und Ud (Laute) als willfährigen Odalisken sekundiert.
ANJA-ROSA THÖMING.
Francisco Javier, La Ruta de Oriente. Hespèrion XXI, La Capella Reial de Catalunya, Jordi Savall. Aliavox AVSA 9856 2 CDs (harmonia mundi) "Harem". Les Fêtes du serailles. L' Arte del Mondo, Pera Ensemble, Werner Ehrhardt. Ludi Musici LM 002 (Note 1)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jordi Savall reist auf den Spuren des heiligen Franz Xaver nach Japan, das Pera-Ensemble tanzt türkische Walzer
Der Osten lockt mit Farbenpracht, exotischen Bräuchen und Klängen. Auf diese attraktive Melange verlassen sich gleich zwei Plattenverlage, die ihre Produkte mit dekorativem Aufwand in veritable Buchkunsthandwerkobjekte verwandelt haben. Der Ferne Osten wurde in ein fast dreihundert Seiten starkes, fünfsprachiges Prachtbooklet eingekleidet. Für den Nahen Osten wählte man Hochformat, auf dem golddurchwirkten Cover wird der Lieblingsfrau des Sultans Kaffee gereicht. "Harem" girrt lockend der Titel - "La Ruta de Oriente" ruft gebieterisch vielversprechend der andere: auf nach Indien, Japan, zu den Mamelukken!
Glücklicherweise aber wird die schillernde Marketingstrategie der Plattenfirmen durch den musikalischen und historischen Inhalt gedeckt. Das Orientprojekt geht auf den katalanischen Gambisten Jordi Savall zurück, der mit seinem Ensemble Hespèrion XXI schon eine Fülle von Einspielungen rarer europäischer Barockmusik vorgelegt hat. Diesmal begab er sich auf die Spuren seines Landsmannes Francisco Javier, der von 1506 bis 1552 lebte, unter Katholiken auch bekannt als der heilige Franz Xaver, Jesuit und Schutzpatron aller Missionare.
Elf Jahre war Javier auf Missionsreise in unbekannte Weltgegenden, die Expedition endete erst mit seinem Tod auf einer Insel vor China. Savall zeichnet diese Reise musikalisch nach. Er stellt also ein höchst originelles Konzept von "Weltmusik" vor, bei dem die Musik des Alten Europa selbst auf Reisen geht, um afrikanischer, arabischer und japanischer Musik zu begegnen. Die erste CD dieses Doppelalbums ist Javiers Jugend in Navarra, seinem Studium und seiner Bekehrung in Paris, dann seiner Aussendung (Venedig, Rom, Lissabon) gewidmet. Wir hören europäische Sakralmusik, Mariengesänge als Blüten der Gegenreformation, aber auch das herzergreifende vierstimmige Lied "O Welt, ich muss dich lassen" von Heinrich Isaac, der im Lutherjahr 1517 starb. Dazu gibt es Auszüge aus Schriften von Erasmus, Machiavelli, Thomas Morus und alle fünfundneunzig Thesen von Martin Luther.
Ein Bild des sechzehnten Jahrhunderts entsteht. Die faszinierende Fremdheit der alten europäischen Musik zeigt sich in den Villancicos - weltlichen Tänzen der Iberischen Halbinsel, in deren perkussiver Begleitung man maurisch-afrikanische Einflüsse heraushört. Doch auch in einem Villancico kann Maria, Herrin der Welt, gepriesen werden: Savalls langjährige Gefährtin, die Sopranistin Montserrat Figueras, spinnt den Hörer in einen meditativen Gesang mit rhythmisch kreisender, sich stetig verdichtender Begleitung ein.
Wie aber ist so etwas zu spielen, wenn die Überlieferung lückenhaft bleibt? Selbstverständliches wurde nicht notiert. Die Musiker von Hespèrion XXI bringen neben historischer Kompetenz ein gerüttelt Maß an musikalischer Intuition mit ein. Aus der historisch informierten Aufführungspraxis wird so die "historisch informierte Annahme", wie es im Begleitbuch ehrlicherweise und nicht ganz unironisch heißt.
Von Lissabon aus segelte der päpstliche Nuntius Javier 1541 nach Portugiesisch-Indien. Über seine Missionsarbeit berichtet er in Briefen. Ähnlich wie die nach Südamerika ausgesandten Jesuiten lernt auch er zunächst Sprache und Gebräuche der fremden Völker und versucht, deren Religionen in den Katholizismus einzubinden. Besonders beeindruckt ist Javier von den "gutherzigen, gutwilligen und wissensdurstigen" Japanern. So bietet die zweite CD einen Wechselgesang aus spanischer und traditioneller japanischer Musik, etwa dem Honnoji-Gesang mit Begleitung des Biwa, der klassischen japanischen Laute. Herausragendes Beispiel an rhythmischer und melodisch-harmonischer Entrücktheit ist das zeitverlorene Flötenspiel auf der No-kan-Querflöte. Damit erinnert die Savall-Aufnahme an die völlige Selbstabschottung Japans in späteren Jahrhunderten.
Die Osmanen ihrerseits zogen nach Westen. Das gesamte musikalische achtzehnte Jahrhundert hallt wider von dem Kriegslärm der "Türken vor Wien" (1683). Die Opern Lullys und Rameaus, etwa "Les Indes galantes", sind voller Anspielungen in musikdramatischer Auseinandersetzung mit dem Janitscharen-Idiom. Das Ensemble Concerto Köln und das Ensemble Sarband haben längst den Walzer aus Wiener und Istanbuler Sicht erkundet (siehe F.A.Z. vom 3. Dezember 2005). Jetzt wird vom türkischen Pera-Ensemble und dem jungen Kölner Orchester L'Arte del Mondo eine weitere Seite in der Entdeckung türkisierender westlicher sowie klassischer türkischer Musik aufgeschlagen.
Ein Ballett von Johann Christian Cannabich, des von Mozart geschätzten Direktors der Mannheimer Hofkapelle, gibt der Platte den Untertitel: "Les Fêtes du serailles". Diese sechs Tanzsätze werden ergänzt von der sogenannten Türkischen Batterie. Es waren solche offensiv türkisierenden Elemente mit ihrer Fremdheit, die beim Publikum besonders beliebt waren. Mozarts Singspiel "Zaide" dagegen enthält keinerlei Exotismen, es steht musikalisch unverbunden im gewählten Kontext.
Das Arienjuwel "Ruhe sanft, mein holdes Leben", technisch brillant gesungen von der im Timbre eher harten Stephanie Elliott, wird mit einer experimentellen Improvisation auf dem Kanun, einer Zither, eingeleitet. Wirklich lohnend die Vielfalt der echt türkischen Nummern, die manchmal auch von komponierenden Sultanen stammen. Die Pera-Musiker wirbeln rund mit Trommelschlägen, gemäß der zentralen Rolle, die der Perkussionsabteilung zukommt, die den Dirigenten ersetzt. Und Bekir Unlüataer führt mit seiner sanft-süß klagenden Tenorstimme ins himmlische Reich melodiegesättigter Kantilenen, von Ney-Flöte, Zither und Ud (Laute) als willfährigen Odalisken sekundiert.
ANJA-ROSA THÖMING.
Francisco Javier, La Ruta de Oriente. Hespèrion XXI, La Capella Reial de Catalunya, Jordi Savall. Aliavox AVSA 9856 2 CDs (harmonia mundi) "Harem". Les Fêtes du serailles. L' Arte del Mondo, Pera Ensemble, Werner Ehrhardt. Ludi Musici LM 002 (Note 1)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main