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Produktdetails
  • Herstellerkennzeichnung
  • Universal Music GmbH
  • Mühlenstrasse 25
  • 10243 Berlin
  • productsafety@umusic.com
Trackliste
LP 1
1Lay it down
2Just for me
3You've got the love I need
LP 2
1No one like you
2What more do you want from me
LP 3
1Take your time
2Too much
3Stay with me (By the sea)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Was wollt ihr denn noch von ihm?
Als wär's wieder 1973: Al Green predigt, und das Gefühl kommt dabei nicht zu kurz

Soul-Sänger und -Sängerinnen haben es offensichtlich schwerer, in Würde zu altern, als ihre Kollegen aus den Bereichen Country oder Rock. Während Johnny Cash und Neil Diamond dank der Hilfe Rick Rubins auf ein respektables Spätwerk verweisen können, engagiert sich kaum jemand ernsthaft für die Belange der in die Jahre gekommenen afroamerikanischen Musiker. Warum beispielsweise setzt sich niemand hin und entwirft ein maßgeschneidertes Konzept für Aretha Franklin? Stattdessen war sie in letzter Zeit halbherzigen Modernisierungsversuchen ausgeliefert, bei denen wechselnde Produzenten ihr jeweils ein paar Krumen zuwarfen. Etwas wirklich Substantielles ist dabei nicht herausgekommen. Noch geringer ist das Interesse an Bobby Womack oder Bill Withers, der gerade siebzig wurde (F.A.Z. vom 4. Juli). Deren großartige Stimmen, die herzzerreißende Klassiker wie "That's The Way I Feel About Cha" und "Ain't No Sunshine" hervorgebracht haben, scheinen nahezu vollständig verstummt zu sein.

Nachdem Roots-Schlagzeuger Ahmir "Questlove" Thompson in einem Interview auf dieses eklatante Missverhältnis hingewiesen hatte, kontaktierte ihn Blue-Note-Manager Eli Wolf. Mit Bill Withers könne er zwar nicht dienen, aber wie sähe es denn mit einer Frischzellenkur für Al Green aus? Thompsons Antwort zeugte nicht gerade von Bescheidenheit: Wenn Wolf damit einverstanden wäre, würde er gern den Nachfolger zu "Belle" vorlegen, der Platte also, mit der Al Green vor dreißig Jahren seine fulminante Pop-Karriere beendet hatte, um sich als Prediger ganz in den Dienst Gottes zu stellen.

Nach drei Jahren konzentrierter Arbeit liegt das Ergebnis dieser Bemühungen jetzt mit dem Album "Lay It Down" vor. Schon nach den ersten Takten wird deutlich, dass Thompson keineswegs übertrieben hat. Zusammen mit dem Produzenten James Poyser ist ihm die heikle Balance zwischen Bewahrung und Erneuerung gelungen. Da der Einsatz von Gaststars zum Glück auf ein vernünftiges Maß reduziert wurde, steht im Mittelpunkt ganz allein Al Greens immer noch vielseitiger, geschmeidiger Gesang. In Anthony Hamilton, John Legend und Corinne Bailey Rae konnten drei Mitmusiker gewonnen werden, die sozusagen bei Green in die Lehre gegangen sind und heute den Geist des Soul aus der goldenen Ära wachhalten. Doch auch darüber hinaus ist die Platte bis in die Reihen der Background-Sängerinnen hinein hochkarätig besetzt. Die Bläser kommen von den Dap-Kings, dem vielleicht besten Ensemble momentan, ohne dessen Fähigkeiten wohl Amy Winehouse nur halb so erfolgreich wäre. Der frühere Philadelphia-International-Cellist Larry Gold kümmerte sich um die Arrangements. Schon diese Mischung aus Profis der alten Garde und Vertretern der jüngeren Schule ist Ausweis der generationsübergreifenden Anerkennung, die der zweiundsechzigjährige Sänger genießt.

Ausgangspunkt für Thompson und Poyser waren die alten Aufnahmen von Al Green, auf denen Willie Mitchell seinerzeit erdenschwere Rhythmen und sparsame Streicher zu zartbitteren Mini-Symphonien reinsten Memphis-Souls amalgamierte. Klavier, E-Piano und Hammond-Orgel sorgen für einen warmen, organischen Klang. Um jeglichen sterilen Perfektionismus schon im Ansatz zu ersticken, wurden Gitarre und Bass auch einmal heimlich leicht verstimmt. Dadurch hört sich das Material streckenweise tatsächlich so an, als wäre es 1973 aufgenommen worden.

Dass die elf Stücke jedoch ein Produkt der Gegenwart sind, zeigt sich vor allem am Schlagzeug. Die Basstrommel ist jedenfalls wesentlich satter abgemischt, während die rhythmischen Ausschmückungen sparsamer ausfallen, als es in den Siebzigern üblich war. In Liedern wie "What More Do You Want From Me" spiegelt sich außerdem die Sample-Ästhetik des Hip-Hop wider. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Rapper des Wu-Tang-Clans ihre grimmigen Reime über den einleitenden Funk-Groove versprühen werden.

Die Basis der Lieder wurde zunächst im Studio improvisiert. Auch wenn diese Methode für Green zunächst ungewohnt war, spürte er schnell, dass er sich in guten Händen befand. Die Lockerheit und Gelöstheit merkt man ihm an. Mag seine Stimme an manchen Stellen nicht mehr ganz so kräftig sein, so ist die Bandbreite seiner vokalen Fertigkeiten nach wie vor beeindruckend. Ganz gleich, ob er im Duett mit Bailey Rae leise säuselt, seine Geliebte mit einem schon etwas brüchigen Falsett in den höchsten Tönen preist ("Too Much") oder wie in "I'm Wild About You" guttural grummelt - in jeder Note von Al Green steckt immer noch mehr Ausdruck, als alle R&B-Sternchen wohl zusammen aufbringen könnten.

"Lay It Down" enthält stilsicheren, wertkonservativen Soul, der behutsam ins Heute transportiert wurde. Mit Sicherheit handelt es sich um das beste Album von Al Green seit seiner Rückkehr zur weltlichen Musik. Und vielleicht sorgt die Platte ja dafür, dass auch anderen Soul-Interpreten die verdiente Aufmerksamkeit zuteil wird. Denn - und auch das verdeutlicht "Lay It Down" - es ist schon ein Jammer, wie viel musikalisches Potential hier brachliegt. Von den menschlichen Tragödien, die zum Teil dahinterstecken, ganz zu schweigen.

SVEN BECKSTETTE

Al Green, Lay It Down. Blue Note Records 260025 (EMI)

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