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Produktdetails
Trackliste
CD
1Stranger blues00:05:09
2Two timin' woman00:03:01
3Can't say her name00:03:14
4I lied00:03:33
5Please00:02:40
6Long may you sail00:04:43
7I'll always be around00:04:41
8Becky's last occupation00:04:22
9I'd rather die in vain00:09:55
10Today I'm here00:02:47
11Let love show the way00:06:00
12Ain't doin' nothin'00:13:57
13Please be with me00:03:30
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2016

Wie ein Schweizer Uhrwerk auf Speed
Im Geiste Duane Allmans: Das Trio Simo erfindet den Bluesrock neu

Mythen machen die bessere Musik: Ursprünglich sollte im Big House in Macon, Georgia, den schon fertigen Songs des neuen Albums "Let Love Show The Way" von Simo nur noch der nötige Schliff verpasst werden. Doch die Magie des Ortes war so übermächtig, dass das Power-Trio um den Sänger und Gitarristen J. D. Simo die ursprünglichen Aufnahmen verwarf und das Album in den heiligen Hallen gleich neu aufnahm. Denn für jeden Bluesrocker ist dieses Gebäude holy ground: Als die Allman Brothers Ende 1969 gerade in den Vorbereitungen für ihr zweites Album "Idlewild South" steckten, fanden sie diese Residenz.

Sie war riesig: mit vierzehn Zimmern, mehreren offenen Kaminen, einer lichten Fensterfront, solide gebaut auf einem weitläufigen Grundstück mit Brunnen, Fischteichen und jeder Menge Bäume - und das alles für schlappe 235 Dollar Miete im Monat. Hier schlossen sich drei Familien mit mehreren Kindern zu einer Musikerkommune zusammen, daneben wurde das Haus zur Heimstatt unzähliger Freunde und Kollegen. Duane Allman wählte gleich das größte, sonnendurchflutete Zimmer als Probenraum aus und sorgte in Heimarbeit für eine fast schalldichte Isolierung.

In diesen historischen Gemächern wurde dem Nachwuchsrocker Simo eine weitere seltene Ehre zuteil: Er durfte in allen Stücken jene 1957er Les Paul "Goldtop" von Duane spielen, die nicht nur in geschichtsmächtigen Allman-Brothers-Konzerten zu hören war. Ihre unnachahmlich sanglichen Qualitäten konnte diese erste Les Paul von Allman auch im jubilierenden Jahrhundertriff von "Layla", dem größten Erfolg von Derek & The Dominos, verewigen. Damit zählt J. D. Simo neben Derek Trucks, Warren Haynes und Nels Cline von Wilco zu den wenigen Gitarristen, die dieses legendäre Instrument in den Händen hielten.

In solch märchenhafter Atmosphäre konnte eigentlich nichts schief gehen; doch jede Gitarre ist nur so gut wie der Mann, der sie spielt. Und J. D. Simo ist gut. Vielleicht hat sogar Joe Bonamassa, Poster-Boy des zeitgenössischen Bluesrock, recht, der den Dreißigjährigen kürzlich "als einen der Besten in der Szene da draußen" adelte. Schon mit dem ersten Gitarrenton wird klar, dass Simo keinen Retro-Rock abliefert, sondern jenes kostbare vintage feeling konserviert, das im Blues den "Augenblick der Wahrheit" ausmacht, wenn die Noten genüsslich überdehnt werden, die Stimme selbstvergessen zwischen Melancholie und Überschwang oszilliert.

Ganz in der Tradition großer Rocktrios von Cream über Taste bis zur James Gang prügelt sich die Band wie ein Schweizer Uhrwerk auf Speed durch die Songs. Mit dem Schlagzeuger Adam Abrashoff ist Simo seit sechs Jahren symbiotisch verbunden; und wer hört, mit welch wahnwitzigem Drive der die Trommeln befeuert, gibt ihm recht. Obwohl Elad Shapiro seinen Bass erst seit einem Jahr im Spiel hat, nutzt er den Viersaiter mit so gruppendienlicher Virtuosität, dass man meint, dieses Triumvirat kenne sich seit Sandkastentagen. Zum Auftakt kommt der "Stranger Blues" als rockende Reminiszenz an Elmore James daher, den king of slide guitar. Mit peitschenden Motiven, dreckig und dräuend, dann wieder schleppend und fett, mäandert die Band durch "Can't Say Her Name", ein Lied über eine mysteriöse, gleichwohl gefährliche Liebschaft. In "I Lied" mit seinen Untertönen aus Grunge und Stoner Rock wird für Momente auch die Stimme von J. D. Simos Lieblingslyriker Allen Ginsberg eingeblendet, der einen Brief an Jack Kerouac verliest. Der nächste Song "Please" klingt dagegen, als wären die Beatles eine Motown-Band.

Und immer wieder dieser betäubend intensive Sound der Stücke. Die Band besitzt eine Plötzlichkeit, eine durchdringende Kraft, die den Hörer regelrecht anzufassen scheint. J. D. Simo, 1985 in Chicago geboren, spielt seit seinem fünften Lebensjahr Gitarre, mit zehn durfte er bei älteren Bands hin und wieder mitmachen, bevor er mit fünfzehn seine erste eigene gründete. Inzwischen hat er seinen Stil gefunden, der sich irgendwo zwischen Stevie Ray Vaughan, Jimmy Page und Warren Haynes verorten lässt. Und doch findet er bei allen offenkundigen Einflüssen in Songs wie dem psychedelisch-verschwimmenden "Long May You Sail" unüberhörbar zu sich selbst.

Ein Höhepunkt des an brillanten Songs nicht armen Albums ist die vierzehnminütige Jamsession "Ain't Doin' Nothin'", die demonstriert, wie zeitgenössischer Bluesrock zu klingen hat. In einer epischen Gitarren-Erzählung bringt Simo seine Gitarre zum Sprechen, zum Lachen und zum Weinen. Die weich fließende Dobro-Ballade "Please Be With Me" (von Scott Boyer von der Southern-Rock-Band Cowboy aus den Siebzigern) klingt dagegen zum Abschluss wie ein tröstliches Selbstgespräch - auch dies eine Hommage an Duane Allman, der den Song im August 1971, zwei Monate vor seinem tödlichen Motorradunfall, selbst eingespielt hatte. Trotz der offensiven Traditionspflege werden sich viele nach dem Anhören dieses großartigen Albums sagen, sie hätten gerade die Zukunft des Blues gehört.

PETER KEMPER

Simo: "Let Love Show The Way".

Mascott/Provogue 7476 (Rough Trade)

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