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Trackliste
CD
1Good To Your Earhole00:04:34
2Better By The Pound00:02:43
3Be My Beach00:02:39
4No Head, No Backstage Pass00:02:40
5Let's Take It To The Stage00:03:36
6Get Off Your Ass And Jam00:02:27
7Baby I Owe You Something Good00:05:48
8Stuffs And Things00:02:14
9The Song Is Familiar00:03:10
10Atmosphere00:07:11
11Baby I Owe You Something Good00:03:51
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Wahrheiten aus der Parallelwelt
Ein einziger Schrei: George Clintons legendäre Band "Funkadelic" neu aufgelegt

Funky! In der Werbesprache der Plattenfirmen symbolisiert das Adjektiv heute nichts anderes als flache Chants, leicht konsumierbare Beats und den generellen Verzicht auf verstörende musikalische Experimente - Tanzmusikverschnitt also. Nichts könnte weiter entfernt sein von den schrammelnden Lärmwolken, mit denen ein Haufen schwarzer Hippies vor dreieinhalb Jahrzehnten das "Post-Civil-Rights"-Amerika aufgeschreckt hatte. "Funkadelic" nannten sie sich. Es klang bisweilen, als ob James Brown mit Frank Zappa, dem Sun Ra Arkestra und dem Art Ensemble of Chicago die Bühne teilte, während Jimi Hendrix auf der Gitarre greint und ein drogenbenebelter Sly Stone schmutzige Witze erzählt.

Auch die Bühnengarderobe der "Funkadelic"-Jünger war ein einziger Schrei: Was konnte weiter von einer Motown-Vokal-Combo in ihren feinen Anzügen entfernt sein als schillernde Togas oder Football-Helme mit Fernsehantennen oder ein windelbekleideter Bassist? Die Band setzte sich Anfang der siebziger Jahre zwischen alle Stühle und stellte damit sowohl Soul- als auch Rockfans vor eine schwere Probe. "Für ein weißes Publikum", sagte Bandleader George Clinton, "waren wir zu schwarz. Und für das schwarze zu weiß."

Dennoch oder gerade deswegen erschloß sich Clinton mit seinem Kollektiv musizierender madmen konzeptuell neues Territorium und legte den Grundstein für eine postmoderne schwarze Ästhetik, die die Werte des mainstream auf den Kopf stellte: Schwarzer Slang stach Shakespeare, die Gospel-Messe mutierte zur schrillen Kinderparty, und die Wahrheit lag, wenn nicht im All, so doch in einer von Fabelwesen bevölkerten Parallelwelt. In einer Zeit, in der die Ideale der Bürgerrechtsbewegung gescheitert waren, Rassenunruhen verbrannte Getto-Wüsten hinterlassen hatten und Black-Panther-Anführer von FBI-Agenten kaltblütig umgelegt wurden, klang das Clintonsche Comic-Reich plausibler als jedes "Shoo-Be-Doo"-Gesäusel. "Die Musik von Funkadelic", schrieb der "Rolling Stone", "ist eine urbane Klangskulptur - nicht immer hübsch oder ansprechend, aber doch die wahrhaftigste Repräsentation urbanen Lebens, die uns schwarzer Pop bietet." Clinton und seine Männer lieferten den Soundtrack zu einem Kulturkrieg: dem bis heute andauernden Konflikt zwischen Anpassung und schwarzer Gegenästhetik. Nun bringt Westbound Records die ersten acht "Funkadelic"-Alben aus der Periode zwischen 1970 und 1976 wieder in die Plattenregale - eine längst überfällige Wiederveröffentlichung.

In einer Zeit, in der jeder zweite Hip-Hopper auf Clintons Grooves zurückgreift, dessen Erbe einem einzigen großen Sample-Steinbruch gleicht, lassen sich die Originale in neuem Licht lesen: als genialische Regelbrecher oder als phantastische Clownerien oder als Blaupausen eines ewigen schwarzen Utopia. Zusammen mit der personell fast identischen, eindeutig schwärzer klingenden Schwesterband "Parliament" jedenfalls lieferte Funkadelic der zeitgenössischen Rhythm & Blues-Ästhetik ihren schmutzig schillernden Bodensatz.

Die Fusion weißer Hippiekultur mit Parodien schwarzer Gangster- und Gospelklischees hatte nichts Intellektuelles an sich. Im Gegenteil: Der gelernte Friseur George Clinton behielt das schwarze Amerika der Straße stets fest im Blick. Er wollte nur dessen Wahrnehmungsgrenzen verschieben. Sein barber shop in Plainfield, New Jersey, war bereits in den fünfziger Jahren der Treffpunkt örtlicher Doo-Wop-Talente. Clintons Ambitionen aber reichten über geglättete und gefärbte Krauslocken hinaus: Mit ein paar Berufskollegen tat er sich zu den "Parliaments" zusammen, sang bei Berry Gordy vor und wurde von Motown nach nur einer erfolgreichen Single wieder hinausgeworfen. Aus rechtlichen Gründen benannte sich die "Backing Group" in "Funkadelic" um. Entgegen den Rhythm & Blues-Codes seiner Zeit erlaubte Clinton seinen Musikern fortan, sich auf der Bühne auszuprobieren, die Verstärker bis auf Anschlag zu drehen und so lange zu spielen, bis der Saal sich leerte.

Wer zwischen 1970 und 1976 ein "Funkadelic"-Album auf den Plattenteller legte, wußte nie, was ihn als nächstes erwartete: ein zärtlich intonierter Doo-Wop-Schlager, ein von wuchtigen Bässen getriebener Funk-Jam oder aber eine Heavy-Metal-Bombe. Nehmen wir nur das 1973er Album "Cosmic Slop": Auf den dancefloor-tauglichen Titeltrack über eine Mutter, die sich mit dem Teufel prostituiert, folgt die Country-Swing-Nummer "No Compute Spit Don't Make Babies", in der ein halb singender, halb rappender Liebesabenteurer sich mit einem Transvestiten im Bett wiederfindet. Und dann ist da noch das sechsminütige "March To The Witch's Castle": keine Märchenstunde, vielmehr ein gospelndes Gebet für die aus dem Vietnamkrieg heimkehrenden Soldaten - einer der wenigen Songs seinerzeit, der die verwundeten Seelen unter dem Kampfanzug bemerkte. Schon die Titel tönten wie anarchistische Parolen: "No Head No Backstage Pass", "Take Your Dead Ass Home", "America Eats Its Young" - und das dazugehörige Plattencover zeigt eine Dollarnote, auf der eine Freiheitsstatue mit blutunterlaufenen Augen ein paar Kleinkinder verspeist.

Von 1973 an übernahm der Graphiker Pedro Bell die Gestaltung der Albumhüllen: Seine Ikonographie mischte knallbunte Comicwelten mit Horrorphantasien à la Dalí und verlieh dem musikalischen Weltenclash so eine zusätzlich surreale Note. Später sollte Clinton auch 350 000 Dollar teure Phantasie-Raumschiffe, fliegende Untertassen und exterrestrische Tierfiguren auf die Bühne befördern. Doch Anfang der Siebziger hatte der "Beatles"-Verehrer noch alle Hände voll zu tun, seine Vision zumindest akustisch auf die Reihe zu kriegen. "Wir haben die ersten beiden Alben jeweils an einem Tag aufgenommen, gemastert und gemixt - alles mit Hilfe von drei, vier Tabletten ,Yellow Sunshine'", so Clinton. Als der "Funkadelic"-Bandleader sie dann ein halbes Jahr später wiederhörte, war er von dem "dünnen Schmutzwasser" entsetzt und schwor sich, mehr über Studiotechnik und Loops zu lernen. Vor allem aber profitierte seine Truppe von personellem Zuwachs: Eddie Hazels psychedelische Gitarre, Bernie Worrells klassisch trainierte Keyboardkünste und der schwere Baß des Ex-James-Brown-Musikers Bootsy Collins machten Mitte der siebziger Jahre aus "Funkadelic" ein ebenso wuchtiges wie differenziertes Funk-Orchester: ein dreckiger Gegenentwurf zu allem, was am reglementierten Disco-Bumms so langweilig war. Oder, wie es der Titel des zweiten Albums verkündete: "Free Your Mind And Your Ass Will Follow".

JONATHAN FISCHER

Funkadelic, alle bei Ace Records (Soulfood)

"Maggot Brain". 29667 008723.

"Funkadelic". 29667 008822.

"Free Your Mind And Your Ass Will Follow". 29667 008921.

"America Eats Its Young". 29667 009027.

"Cosmic Slop". 29667 009126.

"Standing On The Verge Of Getting It On". SEW 244.

"Let's Take It To The Stage". 29667 009324.

"Tales Of Kidd". 29667 009423 .

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