Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 28. Januar 2011
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Rounder,
- Gesamtlaufzeit: 52 Min.
- EAN: 0011661859524
- Artikelnr.: 32540020
- Herstellerkennzeichnung
- Universal Music GmbH
- Mühlenstr. 25
- 10243 Berlin
- productsafety@umusic.com
CD | |||
1 | Floating Bridge | 00:04:45 | |
2 | Little By Little | 00:02:46 | |
3 | Devil Got My Woman | 00:04:53 | |
4 | I Can't Be Satisfied | 00:03:32 | |
5 | Blind Man | 00:03:46 | |
6 | Just Another Rider | 00:05:39 | |
7 | Please Accept My Love | 00:03:07 | |
8 | I Believe I'll Go Back Home | 00:03:49 | |
9 | Tears, Tears, Tears | 00:04:55 | |
10 | My Love Is Your Love | 00:04:14 | |
11 | Checking On My Baby | 00:04:06 | |
12 | Rolling Stone | 00:07:04 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2011Ja, mein Bruder war genialer
Mit neuer Leber und neuer Platte: Gregg Allmans famoser Country Blues
Kurz und heftig war das Feuerwerk, das die Allman Brothers Band in den frühen siebziger Jahren abbrannte, und tief der Jammer, als es, nach den Unfalltoden tragender Mitglieder, so plötzlich erlosch, um dann quasi auf mittlerer Flamme vor sich hin zu köcheln bis zum heutigen Tag, sofern ein Feuerwerk überhaupt köcheln kann. Damit ist das Paradox benannt, mit dem eine der einflussreichsten amerikanischen Gruppen zu tun hatte: Der zündende Charakter ihrer Musik war vielleicht tatsächlich nur kurze Zeit möglich; trotzdem machte die Gruppe, nachdem der Gitarrist Duane Allman und der Bassist Berry Oakley fast wie in schicksalshafter Fügung beide mit dem Motorrad verunglückt waren, weiter, wurde, unter der Anführerschaft von Dickey Betts, bodenständiger, behäbiger, sämiger und büßte ihre Identität trotzdem nie ein. Heute gehören die Allman Brothers, wie die personell vergleichbar gebeutelten Lynyrd Skynyrd, zu den Untoten des Südstaatenrock, den sie vor vierzig Jahren auf eine seither nicht mehr erreichte Höhe an Virtuosität geführt haben.
Sollte man sich jemals gefragt haben, wer in all diesen Jahren dafür gesorgt hat, dass die Flieh- und später auch die Alterungskräfte niemals übermächtig wurden, so fällt es einem spätestens jetzt, mit dem Erscheinen von Gregg Allmans erstem Soloalbum nach fast vierzehn Jahren, wieder ein: Duanes kleiner Bruder. Selbst der größte Sänger und der perfekte Organist, der Gregg ja beides nie war, hätte es schwer gehabt, sich neben einem Instrumentalisten zu behaupten, dem Kritiker wie Plattenbosse ohne Übertreibung etwas Übermenschliches attestierten; tatsächlich hatte insbesondere das Slidegitarrenspiel dieses Mannes etwas Göttliches an sich.
In der frühen Bandphase saß Gregg zuverlässig hinter seiner Orgel, sang mit kehlig-gequetschter Stimme und schrieb den Teil des Materials, für den neben den Bluesstandards, mit deren Adaption die Allman Brothers so wichtig wurden, noch Platz war, darunter epochemachende Lieder wie "Midnight Rider", "Whippin' Post" und "Dreams", Letzteres in einer total verfremdeten, durchkomponierten Version das beste, das die stilistisch entfernt verwandte Band Molly Hatchet jemals gemacht hat. An Greggs vermeintlichem Underdog-Status änderte sich auch nach Duanes Tod nichts. Dickey Betts wurde nun als der eigentliche Leader wahrgenommen, während Gregg mit allerlei Eskapaden, zu denen auch die Ehe mit Cher gehörte, von sich reden machte und durch die Anschwärzung eines Roadies in einem Drogenprozess kurzzeitig sogar den Gruppenzusammenhalt ernstlich gefährdete.
In all den Jahren aber spielte er still und heimlich immer mal wieder eine Soloplatte ein und erwies sich mit seinem ausgesprochen souligen Klang als gediegener Rock-Handwerker, dem die Wärme, das feeling im Zweifelsfall wichtiger war als Technik - nachzuhören schon auf dem unterschätzten Debüt "Laid Back", das im selben Jahr erschien wie die letzte wirklich große Allman-Brothers-Platte "Brothers And Sisters", nämlich 1973. Für die zweite, ebenfalls vorzügliche Studioaufnahme "Playin' Up A Storm" verpflichtete er so stilprägende Pianisten wie Billy Payne und Dr. John und verfeinerte sein Rezept aus Bluesrock, Soulpop und Geradeaus-Rock. Seine bisher letzte Platte hieß "Searching For Simplicity" (1997), und sollte er damit immer noch nicht fündig geworden sein - jetzt hat er den Stein des Bluesweisen gefunden.
"Low Country Blues" kann schwerlich Anspruch auf Originalität erheben. Ein Ereignis ist diese beim feinen Roots-Label Rounder Records erschienene Platte trotzdem, und zwar erstens als Lebenszeichen - eine Lebertransplantation hinderte Gregg Allman daran, es früher auszusenden - und zweitens als lupenreine Stilübung in der Einfachheit von Country und Blues. Die Kargheit, mit der "Floating Bridge" zum Auftakt losrumpelt, ist fast schon genial zu nennen; in den gutmütigen Rhythmus mischen sich, ähnlich wie in den Liedern John Fogertys, bedrohliche Untertöne, die der erneut aktivierte Dr. John nicht nur hier am Keyboard besorgt. Darüber hinaus ist es ein wunderbarer Beweis dafür, wie viel weiße Bluesmusiker aus Sleepy-John-Estes-Titeln herauszuholen in der Lage sind - der junge Ry Cooder hat es einst vorgemacht.
In der Abteilung Delta, Memphis oder Texas-Blues finden sich außerdem "Devil Got My Woman" von Skip James, eine fast leichte, luftige Nummer; dazu, mit perlendem Barpiano und dräuenden Bläsern, "Tears, Tears, Tears" von Amos Milburn. Dem steht der Chicago-Blues gegenüber, als dessen Vater Muddy Waters immer noch gilt. Von ihm hat Allman nun einen der bekanntesten, auch im weißen Milieu oft nachgespielten Titel im Repertoire: "I Can't Be Satisfied". Hitzig-schwül, eher nach New Orleans als nach Chicago klingt diese Version, die der Adept ausdrucksvoll und für seine Verhältnisse geradezu glockenklar singt, während er sich sonst als famoser, gelegentlich aber über Gebühr forcierender Shouter erweist.
Genug. Wir alle wissen, wie Country und Blues klingen; dasselbe gilt für Soul, Gregg Allmans alte Stärke und heimliche Liebe, der hier in süffiger Form verabreicht wird: "Blind Man" von Bobby Blue Bland und, als einzige Eigenkomposition, "Just Another Rider". Insgesamt ist diese von T. Bone Burnett produzierte, den Titel in lässigem Understatement einlösende Platte ein überzeugender Beleg dafür, wie geübt man als Allman-Bruder doch immer schon war im Interpretieren von Klassikern, ohne dabei persönliche Eigenarten preiszugeben. In ihrer stilistischen Ausrichtung und ihrem fast bigbandhaften Klangzuschnitt erinnert sie verblüffend an das unbetitelte Meisterwerk von Boz Scaggs (1969), dem Bruder Duane damals als Sessiongitarrist zusätzliche Glanzlichter aufsetzte.
Sollte Gregg beabsichtigt haben, nach langer Zeit einmal wieder sämtliche Tugenden der guten alten Allman Brothers in Erinnerung zu rufen, so ist ihm das gelungen. Es muss ja nicht immer die virtuosere Hälfte sein.
EDO REENTS.
Gregg Allman, Low Country Blues.
Rounder Records 661859524 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit neuer Leber und neuer Platte: Gregg Allmans famoser Country Blues
Kurz und heftig war das Feuerwerk, das die Allman Brothers Band in den frühen siebziger Jahren abbrannte, und tief der Jammer, als es, nach den Unfalltoden tragender Mitglieder, so plötzlich erlosch, um dann quasi auf mittlerer Flamme vor sich hin zu köcheln bis zum heutigen Tag, sofern ein Feuerwerk überhaupt köcheln kann. Damit ist das Paradox benannt, mit dem eine der einflussreichsten amerikanischen Gruppen zu tun hatte: Der zündende Charakter ihrer Musik war vielleicht tatsächlich nur kurze Zeit möglich; trotzdem machte die Gruppe, nachdem der Gitarrist Duane Allman und der Bassist Berry Oakley fast wie in schicksalshafter Fügung beide mit dem Motorrad verunglückt waren, weiter, wurde, unter der Anführerschaft von Dickey Betts, bodenständiger, behäbiger, sämiger und büßte ihre Identität trotzdem nie ein. Heute gehören die Allman Brothers, wie die personell vergleichbar gebeutelten Lynyrd Skynyrd, zu den Untoten des Südstaatenrock, den sie vor vierzig Jahren auf eine seither nicht mehr erreichte Höhe an Virtuosität geführt haben.
Sollte man sich jemals gefragt haben, wer in all diesen Jahren dafür gesorgt hat, dass die Flieh- und später auch die Alterungskräfte niemals übermächtig wurden, so fällt es einem spätestens jetzt, mit dem Erscheinen von Gregg Allmans erstem Soloalbum nach fast vierzehn Jahren, wieder ein: Duanes kleiner Bruder. Selbst der größte Sänger und der perfekte Organist, der Gregg ja beides nie war, hätte es schwer gehabt, sich neben einem Instrumentalisten zu behaupten, dem Kritiker wie Plattenbosse ohne Übertreibung etwas Übermenschliches attestierten; tatsächlich hatte insbesondere das Slidegitarrenspiel dieses Mannes etwas Göttliches an sich.
In der frühen Bandphase saß Gregg zuverlässig hinter seiner Orgel, sang mit kehlig-gequetschter Stimme und schrieb den Teil des Materials, für den neben den Bluesstandards, mit deren Adaption die Allman Brothers so wichtig wurden, noch Platz war, darunter epochemachende Lieder wie "Midnight Rider", "Whippin' Post" und "Dreams", Letzteres in einer total verfremdeten, durchkomponierten Version das beste, das die stilistisch entfernt verwandte Band Molly Hatchet jemals gemacht hat. An Greggs vermeintlichem Underdog-Status änderte sich auch nach Duanes Tod nichts. Dickey Betts wurde nun als der eigentliche Leader wahrgenommen, während Gregg mit allerlei Eskapaden, zu denen auch die Ehe mit Cher gehörte, von sich reden machte und durch die Anschwärzung eines Roadies in einem Drogenprozess kurzzeitig sogar den Gruppenzusammenhalt ernstlich gefährdete.
In all den Jahren aber spielte er still und heimlich immer mal wieder eine Soloplatte ein und erwies sich mit seinem ausgesprochen souligen Klang als gediegener Rock-Handwerker, dem die Wärme, das feeling im Zweifelsfall wichtiger war als Technik - nachzuhören schon auf dem unterschätzten Debüt "Laid Back", das im selben Jahr erschien wie die letzte wirklich große Allman-Brothers-Platte "Brothers And Sisters", nämlich 1973. Für die zweite, ebenfalls vorzügliche Studioaufnahme "Playin' Up A Storm" verpflichtete er so stilprägende Pianisten wie Billy Payne und Dr. John und verfeinerte sein Rezept aus Bluesrock, Soulpop und Geradeaus-Rock. Seine bisher letzte Platte hieß "Searching For Simplicity" (1997), und sollte er damit immer noch nicht fündig geworden sein - jetzt hat er den Stein des Bluesweisen gefunden.
"Low Country Blues" kann schwerlich Anspruch auf Originalität erheben. Ein Ereignis ist diese beim feinen Roots-Label Rounder Records erschienene Platte trotzdem, und zwar erstens als Lebenszeichen - eine Lebertransplantation hinderte Gregg Allman daran, es früher auszusenden - und zweitens als lupenreine Stilübung in der Einfachheit von Country und Blues. Die Kargheit, mit der "Floating Bridge" zum Auftakt losrumpelt, ist fast schon genial zu nennen; in den gutmütigen Rhythmus mischen sich, ähnlich wie in den Liedern John Fogertys, bedrohliche Untertöne, die der erneut aktivierte Dr. John nicht nur hier am Keyboard besorgt. Darüber hinaus ist es ein wunderbarer Beweis dafür, wie viel weiße Bluesmusiker aus Sleepy-John-Estes-Titeln herauszuholen in der Lage sind - der junge Ry Cooder hat es einst vorgemacht.
In der Abteilung Delta, Memphis oder Texas-Blues finden sich außerdem "Devil Got My Woman" von Skip James, eine fast leichte, luftige Nummer; dazu, mit perlendem Barpiano und dräuenden Bläsern, "Tears, Tears, Tears" von Amos Milburn. Dem steht der Chicago-Blues gegenüber, als dessen Vater Muddy Waters immer noch gilt. Von ihm hat Allman nun einen der bekanntesten, auch im weißen Milieu oft nachgespielten Titel im Repertoire: "I Can't Be Satisfied". Hitzig-schwül, eher nach New Orleans als nach Chicago klingt diese Version, die der Adept ausdrucksvoll und für seine Verhältnisse geradezu glockenklar singt, während er sich sonst als famoser, gelegentlich aber über Gebühr forcierender Shouter erweist.
Genug. Wir alle wissen, wie Country und Blues klingen; dasselbe gilt für Soul, Gregg Allmans alte Stärke und heimliche Liebe, der hier in süffiger Form verabreicht wird: "Blind Man" von Bobby Blue Bland und, als einzige Eigenkomposition, "Just Another Rider". Insgesamt ist diese von T. Bone Burnett produzierte, den Titel in lässigem Understatement einlösende Platte ein überzeugender Beleg dafür, wie geübt man als Allman-Bruder doch immer schon war im Interpretieren von Klassikern, ohne dabei persönliche Eigenarten preiszugeben. In ihrer stilistischen Ausrichtung und ihrem fast bigbandhaften Klangzuschnitt erinnert sie verblüffend an das unbetitelte Meisterwerk von Boz Scaggs (1969), dem Bruder Duane damals als Sessiongitarrist zusätzliche Glanzlichter aufsetzte.
Sollte Gregg beabsichtigt haben, nach langer Zeit einmal wieder sämtliche Tugenden der guten alten Allman Brothers in Erinnerung zu rufen, so ist ihm das gelungen. Es muss ja nicht immer die virtuosere Hälfte sein.
EDO REENTS.
Gregg Allman, Low Country Blues.
Rounder Records 661859524 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main