Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 7. September 2007
- Hersteller: 375 Media GmbH / BEGGARS BANQUET/BEGGARS G / INDIGO,
- EAN: 0607618025427
- Artikelnr.: 23024299
- Herstellerkennzeichnung
- Beggars UK Ltd.
- 375 Media GmbH
- Schachthofstraße 36a
- 21079 Hamburg
- https://375media.com/
CD | |||
1 | Now, Now | 00:04:25 | |
2 | Jesus Saves, I Spend | 00:03:56 | |
3 | Your Lips Are Red | 00:04:41 | |
4 | Marry Me | 00:04:41 | |
5 | Paris Is Burning | 00:04:20 | |
6 | All My Stars Aligned | 00:03:47 | |
7 | The Apocalypse Song | 00:03:47 | |
8 | We Put A Pearl In The Ground | 00:01:10 | |
9 | Landmines | 00:05:07 | |
10 | Human Racing | 00:03:48 | |
11 | What Me Worry | 00:03:56 |
Frankfurter Allgemeine ZeitungDer aufgeklärte Engel
Die Multiinstrumentalistin Annie Clark spielte mit bei den Neo-Hippies von "The Polyphonic Spree" und begleitete Sufjan Stevens auf Tour. Jetzt hat sie als "St. Vincent" ein ebenso warmherziges wie vertracktes Solodebüt aufgenommen.
Annie Clark ist keine Musikerin, die unbedingt vorne stehen und auf sich allein aufmerksam machen muss, aber es wird immer schwieriger werden, an ihr vorbeizukommen. Aufgewachsen als mittleres von neun Geschwistern, schloss sie sich vor ein paar Jahren der mitgliederstarken Musikerschaft von "The Polyphonic Spree" an und bereicherte auch diese Großfamilie mit Gesang und Gitarren. Sie gehörte zum Tourneeaufgebot des amerikanischen Vielseitigkeitsstilisten Sufjan Stevens, wo sie weitere der von ihr beherrschten Instrumente ins Spiel brachte. Als "St. Vincent" macht sie sich, inzwischen vierundzwanzig Jahre alt, endlich selbst zur Band.
Zu ihren Einflüssen zählt der namengebende Priester und Caritas-Begründer Saint Vincent de Paul; als Werkzeuge für ihr Debüt listet sie, frei übersetzt, "Gesänge, Gitarren, Bass, Piano, Orgel, Moog, Synthesizer, Mandoline, Xylophon, Vibraphon, Zither, drum programming, Triangel, Percussion" auf. Respekt. Wenngleich zu befürchten steht, dass ihre Solosache nach naiver Sozialethik oder Reizüberflutung klingen könnte. Die Erlösung: Beides ist wunderbarerweise der Fall. Wobei ihr Multisound vorwiegend Momente entwickelt, die sich weder besonders christlich noch überfrachtet geben, sondern klug vertrackt und exzentrisch.
Mit schnellen Schlüssen sollte man bei ihr ohnehin vorsichtig sein. Wenn auf dem Albumcover über ihrem großäugigen Konterfei die Worte "Marry Me" stehen, so ist damit kein Heiratsantrag an das zahlende Publikum gemeint, sondern eine Reminiszenz an die von ihr geschätzte amerikanische Fernsehserie "Arrested Development". Und spätestens, wenn sie sich in Interviews ob der naheliegenden Fehlinterpretation überrascht zeigt, dürfte klar sein, dass ihr Zugang zur Welt ein erst mal künstlerischer ist.
Auf "Marry Me" entlädt er sich gleich zu Anfang in einem Sog aus elektronisch generierten Tupfen und Schlieren, die nach dumpfem Trommel- und hoch tönendem Backgroundsängerinnen-Einsatz in eine hypnotisch verspielte Melodie übergehen. Dass Annie Clark sich mit Kate Bush und Alice Coltrane beschäftigt hat, glaubt man sofort. Von "Polyphonic Spree" hat sie nicht nur den Kollegen Brian Teasley mitgenommen, der, wo nötig, am Schlagzeug sitzt, sondern auch die Neigung, jedes Stück voluminös auszugestalten. Zur Gestimmtheit der Platte passt außerdem, David Bowies Dauerpianisten Mike Garson mit ins Boot geholt zu haben.
Dem Zufall überlassen werden jedenfalls kein Ton und keine Silbe: Statt einen bloß aufreibenden Selbstzweck zu erfüllen, werden Dissonanzen mit den nicht weniger vorkommenden Glücksblitzen und Gefälligkeiten in Einklang gebracht. In einem Videoclip zur Single "Your Lips Are Red" ist zu sehen, dass diese von einer grellen Gitarre angetriebene Nummer noch durch perkussive Fußtritte unter Druck gesetzt wird. Die dem Stück "Now, Now" zugrundeliegende Beschwörung hingegen, "not anything at all" zu sein, hat den hübschen Nebeneffekt, ein wiederholter Ausruf des eigenen Namens zu sein: Annie, anything.
Was bei ihr unter dem Heiligenschein des Künstlernamens ausprobiert wird und passiert, ließe sich noch eine Weile weiterspinnen. Nahezu blasphemisch ironisierte Bibelmotive sowie Shakespeare-Anleihen sind auf "Marry Me" ebenso zu finden wie strukturell Zartes und Harsches. Unerfüllt bleibt allein die Möglichkeit, schlichtweg eingängige, vorhersehbar laufende Songs zu schreiben. Dass dieses Debüt dennoch klingt wie ein warmer Magnet, ist "St. Vincents" Gabe geschuldet, jeder Idee einen höchst eigenen Platz und Rahmen mitzugeben. Und zu singen wie ein aufgeklärter Engel.
DORIS ACHELWILM
St. Vincent, Marry Me. Beggars Banquet/4AD 254-5 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Multiinstrumentalistin Annie Clark spielte mit bei den Neo-Hippies von "The Polyphonic Spree" und begleitete Sufjan Stevens auf Tour. Jetzt hat sie als "St. Vincent" ein ebenso warmherziges wie vertracktes Solodebüt aufgenommen.
Annie Clark ist keine Musikerin, die unbedingt vorne stehen und auf sich allein aufmerksam machen muss, aber es wird immer schwieriger werden, an ihr vorbeizukommen. Aufgewachsen als mittleres von neun Geschwistern, schloss sie sich vor ein paar Jahren der mitgliederstarken Musikerschaft von "The Polyphonic Spree" an und bereicherte auch diese Großfamilie mit Gesang und Gitarren. Sie gehörte zum Tourneeaufgebot des amerikanischen Vielseitigkeitsstilisten Sufjan Stevens, wo sie weitere der von ihr beherrschten Instrumente ins Spiel brachte. Als "St. Vincent" macht sie sich, inzwischen vierundzwanzig Jahre alt, endlich selbst zur Band.
Zu ihren Einflüssen zählt der namengebende Priester und Caritas-Begründer Saint Vincent de Paul; als Werkzeuge für ihr Debüt listet sie, frei übersetzt, "Gesänge, Gitarren, Bass, Piano, Orgel, Moog, Synthesizer, Mandoline, Xylophon, Vibraphon, Zither, drum programming, Triangel, Percussion" auf. Respekt. Wenngleich zu befürchten steht, dass ihre Solosache nach naiver Sozialethik oder Reizüberflutung klingen könnte. Die Erlösung: Beides ist wunderbarerweise der Fall. Wobei ihr Multisound vorwiegend Momente entwickelt, die sich weder besonders christlich noch überfrachtet geben, sondern klug vertrackt und exzentrisch.
Mit schnellen Schlüssen sollte man bei ihr ohnehin vorsichtig sein. Wenn auf dem Albumcover über ihrem großäugigen Konterfei die Worte "Marry Me" stehen, so ist damit kein Heiratsantrag an das zahlende Publikum gemeint, sondern eine Reminiszenz an die von ihr geschätzte amerikanische Fernsehserie "Arrested Development". Und spätestens, wenn sie sich in Interviews ob der naheliegenden Fehlinterpretation überrascht zeigt, dürfte klar sein, dass ihr Zugang zur Welt ein erst mal künstlerischer ist.
Auf "Marry Me" entlädt er sich gleich zu Anfang in einem Sog aus elektronisch generierten Tupfen und Schlieren, die nach dumpfem Trommel- und hoch tönendem Backgroundsängerinnen-Einsatz in eine hypnotisch verspielte Melodie übergehen. Dass Annie Clark sich mit Kate Bush und Alice Coltrane beschäftigt hat, glaubt man sofort. Von "Polyphonic Spree" hat sie nicht nur den Kollegen Brian Teasley mitgenommen, der, wo nötig, am Schlagzeug sitzt, sondern auch die Neigung, jedes Stück voluminös auszugestalten. Zur Gestimmtheit der Platte passt außerdem, David Bowies Dauerpianisten Mike Garson mit ins Boot geholt zu haben.
Dem Zufall überlassen werden jedenfalls kein Ton und keine Silbe: Statt einen bloß aufreibenden Selbstzweck zu erfüllen, werden Dissonanzen mit den nicht weniger vorkommenden Glücksblitzen und Gefälligkeiten in Einklang gebracht. In einem Videoclip zur Single "Your Lips Are Red" ist zu sehen, dass diese von einer grellen Gitarre angetriebene Nummer noch durch perkussive Fußtritte unter Druck gesetzt wird. Die dem Stück "Now, Now" zugrundeliegende Beschwörung hingegen, "not anything at all" zu sein, hat den hübschen Nebeneffekt, ein wiederholter Ausruf des eigenen Namens zu sein: Annie, anything.
Was bei ihr unter dem Heiligenschein des Künstlernamens ausprobiert wird und passiert, ließe sich noch eine Weile weiterspinnen. Nahezu blasphemisch ironisierte Bibelmotive sowie Shakespeare-Anleihen sind auf "Marry Me" ebenso zu finden wie strukturell Zartes und Harsches. Unerfüllt bleibt allein die Möglichkeit, schlichtweg eingängige, vorhersehbar laufende Songs zu schreiben. Dass dieses Debüt dennoch klingt wie ein warmer Magnet, ist "St. Vincents" Gabe geschuldet, jeder Idee einen höchst eigenen Platz und Rahmen mitzugeben. Und zu singen wie ein aufgeklärter Engel.
DORIS ACHELWILM
St. Vincent, Marry Me. Beggars Banquet/4AD 254-5 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main