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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Weltraumschrott
Euphorischer Urknall-Rock: Das Trio Upper Wilds

Mein Gott, ist das lange her, dass uns der Weltraum Spaß gemacht hat. Per Anhalter haben wir ihn einst durchquert, haben Dinge gesehen, draußen am Tannhäuser Tor, wow, haben mit Mausbibern um die Wette teleportiert, und als uns dieser jugendlich wirkende Präsident zum Mond geschickt hat, waren wir in schlanken sieben Jahren dort. Aber heute? Heute dauert es länger, die Stuttgarter Innenstadt zu untertunneln. Die Zukunft ist wieder so fern, dass wir sie für eine ewig währende Gegenwart halten, dabei bewegen wir uns nur durch eine Ideologie-Molasse, die uns alle unerträglich verlangsamt, uns zögern und zaudern lässt, uns mit Angst erfüllt: Brandschutz hat oberste Priorität, und selbst Neil Armstrong wirkt im Kino verbiestert und depressiv, und einer der zurzeit erfolgreichsten SF-Romane warnt uns eindringlich vor den anderen dort draußen: Sie sind vermutlich gar nicht gut und bloß gekommen, uns alles wegzunehmen. Wir schaffen das? Nicht wirklich. Space ist nicht mehr der Place, Space ist bloß noch ein Problem mehr.

Doch da hinten fiept Widerspruch. Die Signale dieses hastig zusammengeschweißten Raumschiffs lassen während der ersten Sekunden an Schrotttechno à la Scooter denken; sofort herrscht beste Stimmung. Dabei wird jetzt erst der Hebel umgelegt und Warp-Geschwindigkeit eingefordert: Es dengeln Gitarren wie seit dem Urknall nicht mehr. Die "Silver Machine" von Hawkwind kollidiert mit den Feedback-Wolken von The Jesus & Mary Chain. Kurzschlüsse, Wunderkerzen, Funkennebel, kosmische Kuriere auf dem Weg zurück in die Zukunft. Dieser Weltraumlärm ist von so guter Laune angetrieben, man bekommt erst gar nicht mit, dass man angeworben werden soll für die Besiedlung des "Mars". Genau, hier wird nicht so ein kleiner Bohr-Roboter hinaufgeschleudert, der bloß ein wenig Staub aufwirbelt und dann, gähn, Daten zur Erde schickt - hier werden am Olympus Mons Pisten eröffnet, fährt man in den Kanälen wild Mars-Wasserski.

Drei Mann Besatzung hat dieses Space-Rock-Kraftwerk namens Upper Wilds: Dan Friel, Zach Lehroff und Jeff Ottenbacher, Heimatbasis Brooklyn. Und was erlauben Ottenbacher? Offenkundig hat denen jemand was in den Sauerstofftank getan. Verzückt verrenken wir die Glieder wie einst das Fernsehballett. So euphorisch kann Rockmusik sein, Musik mit Gitarren. Und das Trio scheint eins mit der hysterischen Party, welche sie da angezettelt haben diesseits des Asteroidengürtels. Was morst man da? Konzeptalben zu allen anderen Planeten sollen folgen? Größenwahn, besser kann man es im Weltenraum nicht treffen. Diese Zukunft lohnt wieder, verschwendet zu werden.

KARL BRUCKMAIER.

Upper Wilds: "Mars".

Thrill Jockey (Über Import)

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