Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 28. Februar 2014
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / CAROLINE,
- EAN: 0602537649747
- Artikelnr.: 40330457
- Herstellerkennzeichnung
- Universal Music GmbH
- Mühlenstr. 25
- 10243 Berlin
- productsafety@umusic.com
LP | |||
1 | Cycle | 00:00:40 | |
2 | Morning | 00:05:22 | |
3 | Heart Is A Drum | 00:04:31 | |
4 | Say Goodbye | 00:03:29 | |
5 | Blue Moon | 00:04:00 | |
6 | Unforgiven | 00:04:34 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2014Heut Morgen ließ ich alles fallen
Die Lyrik ist schlicht, die Musik unverbesserlich: Beck heult den Mond an
Er hatte die schönste Grabinschrift aller Zeiten in Musik verwandelt: "Nothing of him that doth fade / But doth suffer a sea-change / Into something rich and strange", steht auf dem Grabstein des Dichters Percy Bysshe Shelley, der in einer lauschigen Ecke des Acatolico-Friedhofs in Rom liegt. "Sea Change" nannte der Sänger Beck Hansen emblematisch sein 2002 veröffentlichtes Album, das wie ein Gezeitenwechsel in seinem Schaffen und auch schon wie ein frühes Vermächtnis wirkte: Der bislang in der Kategorie "alternative Rock" geführte Künstler, der 1994 mit "Loser" den ironischen Hit der Slacker-Generation geschrieben, mit witzigen Sprechgesangskaskaden über ausgefuchsten Samples experimentiert und mit Songs wie "Where It's At" oder "Sexx Laws" jede noch so dröge Party aufgemischt hatte, war plötzlich innerlich ans Meer gefahren und dann am Strand vergessen worden, weinte "Lonesome Tears" in den Ozean der Zeit, war ausgeklinkt und geistig "Round The Bend", vielleicht sogar "Already Dead", wie einige der Songs vermuten ließen. "Sea Change" war an der Oberfläche glatt, aber trotzdem tief, war Popmusik in Perfektion.
Wie sich nun zeigt, ist "Sea Change" ein Doppelalbum geworden, nur kommt die zweite Hälfte nach knapp zwölf Jahren leicht verspätet. Aber "Morning Phase" gehört, schon nach eigener Aussage des Künstlers, unmittelbar zu "Sea Change", es wurde mit vielen damaligen Musikern wieder in den Ocean Way Studios bei Los Angeles aufgenommen und ist wieder ein Album des kompletten Rückzugs ins Innere.
Die Lyrik ist fast unglaublich schlicht, sie fällt mit der Tür ins Haus: "Woke up this morning / Found a love light in the storm", später dann: "Drive to the night / Far as it goes". Man würde auf solche Versatzstücke normalerweise nichts mehr geben, aber der Genius steckt hier eben nicht in der Sprache, die oft nur wie ein Mantra wirkt, sondern in der musikalischen Produktion. Genauso entwaffnet wie das lyrische Ich ("This morning I lost all my defenses" ist der Hörer angesichts der klanglichen Überwältigung. Sphärische Streicher, arrangiert von Becks Vater, dem Komponisten David Campbell, schillernde Synthesizer auf Stücken namens "Phase" oder "Wave", dann sogar wirklich kopfhörersprengende Phaser-Effekte wie bei "Unforgiven" sorgen für die sofortige Enthebung aus dem Tagewerk, sie lassen die Welt um einen herum und die Menschen in einen Dornröschenschlaf fallen. Man sieht gewissermaßen dabei zu, wie einem der Stift oder der Löffel aus der Hand fällt, aber in Zeitlupe; diese Musik schmeißt einen heraus aus allem und fährt einen im Elektro-Caddy an den von Herbert Grönemeyer so genannten "Strand des Lebens".
Die Produktion hat diesmal nicht Nigel Godrich übernommen, wie bei "Sea Change", sondern Beck selbst; aber er eifert ihm in vieler Hinsicht nach, schließt wiederum an den damals ganz deutlich von Serge Gainsbourgs Album "Histoire de Melody Nelson" inspirierten Sound an: das trockenste Disco-Schlagzeug aller Zeiten und die sehr präsenten Basslinien, dazwischen ebendie erratischen Streichereinsätze. Beck ist selbsteingestandener Retromaniac. Seit seinem Album "Modern Guilt" (2008) äußerte sich dies in kuriosen Coverprojekten, bei denen er an einem Tag Alben von INXS oder Yanni nachspielte, und zeitigte vor einem Jahr den nur in Notenform veröffentlichten "Song Reader" (seinerseits ein Meisterwerk, das dann durch im Youtube-Universum tausendfach von Menschen aus aller Welt ins Leben gerufen wurde).
Auf "Morning Phase" spült ihn die Retrowelle nun auch wiederum zum Folk und Country der siebziger Jahre in seinem maßgeblichen Klanggewand: Von der Grundstruktur her sind die neuen Stücke einfache Gitarrensongs, das scheint bei aller Opulenz immer wieder durch. Hierin wirkt das Album wie ein Glaubensbekenntnis desjenigen, der so viel experimentiert und nun zurückgefunden hat zu den bleibenden Werten: "Turn Away" könnte auch von Simon & Garfunkel sein"; "Country Down", ein Lied mit Pedal-Steel-Tränen und Mundharmonika-Solo, klingt wie ein Bonus-Track zu Neil Youngs Album "Comes A Time", wobei Becks Timbre natürlich ein anderes ist. Nigel Godrich hatte seinerzeit gescherzt, bis zu "Sea Change" habe Becks Stimme wie die von Mickey Mouse geklungen, dann aber die Breite eines Canyons erhalten. So ist es bis heute.
Mit dieser Stimme fügt Beck dann auch der Reihe der großen Mondlieder der Popmusik noch eines hinzu: "Blue Moon". Den Titel hat man wohl schon mal gehört - der Song ist trotzdem wundervoll, es gibt an ihm nichts zu verbessern.
JAN WIELE
Beck:
Morning Phase
Caroline 4018621
(Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Lyrik ist schlicht, die Musik unverbesserlich: Beck heult den Mond an
Er hatte die schönste Grabinschrift aller Zeiten in Musik verwandelt: "Nothing of him that doth fade / But doth suffer a sea-change / Into something rich and strange", steht auf dem Grabstein des Dichters Percy Bysshe Shelley, der in einer lauschigen Ecke des Acatolico-Friedhofs in Rom liegt. "Sea Change" nannte der Sänger Beck Hansen emblematisch sein 2002 veröffentlichtes Album, das wie ein Gezeitenwechsel in seinem Schaffen und auch schon wie ein frühes Vermächtnis wirkte: Der bislang in der Kategorie "alternative Rock" geführte Künstler, der 1994 mit "Loser" den ironischen Hit der Slacker-Generation geschrieben, mit witzigen Sprechgesangskaskaden über ausgefuchsten Samples experimentiert und mit Songs wie "Where It's At" oder "Sexx Laws" jede noch so dröge Party aufgemischt hatte, war plötzlich innerlich ans Meer gefahren und dann am Strand vergessen worden, weinte "Lonesome Tears" in den Ozean der Zeit, war ausgeklinkt und geistig "Round The Bend", vielleicht sogar "Already Dead", wie einige der Songs vermuten ließen. "Sea Change" war an der Oberfläche glatt, aber trotzdem tief, war Popmusik in Perfektion.
Wie sich nun zeigt, ist "Sea Change" ein Doppelalbum geworden, nur kommt die zweite Hälfte nach knapp zwölf Jahren leicht verspätet. Aber "Morning Phase" gehört, schon nach eigener Aussage des Künstlers, unmittelbar zu "Sea Change", es wurde mit vielen damaligen Musikern wieder in den Ocean Way Studios bei Los Angeles aufgenommen und ist wieder ein Album des kompletten Rückzugs ins Innere.
Die Lyrik ist fast unglaublich schlicht, sie fällt mit der Tür ins Haus: "Woke up this morning / Found a love light in the storm", später dann: "Drive to the night / Far as it goes". Man würde auf solche Versatzstücke normalerweise nichts mehr geben, aber der Genius steckt hier eben nicht in der Sprache, die oft nur wie ein Mantra wirkt, sondern in der musikalischen Produktion. Genauso entwaffnet wie das lyrische Ich ("This morning I lost all my defenses" ist der Hörer angesichts der klanglichen Überwältigung. Sphärische Streicher, arrangiert von Becks Vater, dem Komponisten David Campbell, schillernde Synthesizer auf Stücken namens "Phase" oder "Wave", dann sogar wirklich kopfhörersprengende Phaser-Effekte wie bei "Unforgiven" sorgen für die sofortige Enthebung aus dem Tagewerk, sie lassen die Welt um einen herum und die Menschen in einen Dornröschenschlaf fallen. Man sieht gewissermaßen dabei zu, wie einem der Stift oder der Löffel aus der Hand fällt, aber in Zeitlupe; diese Musik schmeißt einen heraus aus allem und fährt einen im Elektro-Caddy an den von Herbert Grönemeyer so genannten "Strand des Lebens".
Die Produktion hat diesmal nicht Nigel Godrich übernommen, wie bei "Sea Change", sondern Beck selbst; aber er eifert ihm in vieler Hinsicht nach, schließt wiederum an den damals ganz deutlich von Serge Gainsbourgs Album "Histoire de Melody Nelson" inspirierten Sound an: das trockenste Disco-Schlagzeug aller Zeiten und die sehr präsenten Basslinien, dazwischen ebendie erratischen Streichereinsätze. Beck ist selbsteingestandener Retromaniac. Seit seinem Album "Modern Guilt" (2008) äußerte sich dies in kuriosen Coverprojekten, bei denen er an einem Tag Alben von INXS oder Yanni nachspielte, und zeitigte vor einem Jahr den nur in Notenform veröffentlichten "Song Reader" (seinerseits ein Meisterwerk, das dann durch im Youtube-Universum tausendfach von Menschen aus aller Welt ins Leben gerufen wurde).
Auf "Morning Phase" spült ihn die Retrowelle nun auch wiederum zum Folk und Country der siebziger Jahre in seinem maßgeblichen Klanggewand: Von der Grundstruktur her sind die neuen Stücke einfache Gitarrensongs, das scheint bei aller Opulenz immer wieder durch. Hierin wirkt das Album wie ein Glaubensbekenntnis desjenigen, der so viel experimentiert und nun zurückgefunden hat zu den bleibenden Werten: "Turn Away" könnte auch von Simon & Garfunkel sein"; "Country Down", ein Lied mit Pedal-Steel-Tränen und Mundharmonika-Solo, klingt wie ein Bonus-Track zu Neil Youngs Album "Comes A Time", wobei Becks Timbre natürlich ein anderes ist. Nigel Godrich hatte seinerzeit gescherzt, bis zu "Sea Change" habe Becks Stimme wie die von Mickey Mouse geklungen, dann aber die Breite eines Canyons erhalten. So ist es bis heute.
Mit dieser Stimme fügt Beck dann auch der Reihe der großen Mondlieder der Popmusik noch eines hinzu: "Blue Moon". Den Titel hat man wohl schon mal gehört - der Song ist trotzdem wundervoll, es gibt an ihm nichts zu verbessern.
JAN WIELE
Beck:
Morning Phase
Caroline 4018621
(Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main