Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 18. August 2003
- Hersteller: Soulfood Music Distribution Gm / SKIP RECORDS,
- EAN: 4037688903923
- Artikelnr.: 20151740
CD | |||
1 | 1st Movement | 00:12:30 | |
2 | 2nd Movement | 00:04:21 | |
3 | 3rd Movement | 00:10:32 | |
4 | 4th Movement | 00:06:27 | |
5 | 5th Movement | 00:09:57 | |
6 | Visit | 00:12:38 | |
7 | Meise Vorm Fenster "Variations On A Bird's Call" | 00:08:34 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2003Freiheit für die Posaune
Albert Mangelsdorffs brillante "Music for Jazz Orchestra"
Da ist die Geschichte von der Lerche, die jeden Tag zuhört, wie ein Schäfer seinem Hund pfeifend Befehle erteilt. Und Lerchen sind bekannt für ihr großes Nachahmungstalent. Ein Ornithologe zeichnet über einen längeren Zeitraum das Pfeifen des Schäfers sowie den Gesang der Lerche auf. Dabei stellt er fest, daß der Vogel aus den Tönen des Schäfers eigene Melodien formen konnte. Alles Unnötige, alle schlechten Harmonien waren verschwunden. Aus dem primitiven Material hatte die Lerche Musik werden lassen: indem sie das Pfeifen des Schäfers in verschiedene Tonarten transponierte, die einfachen Intervalle mit prächtigen Verzierungen ausschmückte und dort sauber sang, wo der Mann seine Melodien schlingern ließ. Hatte der Schäfer aber einen schlechten Tag, verzichtete auch die Lerche auf ihren musikalischen Kommentar.
Die Geschichte stammt nicht von Albert Mangelsdorff, aber sie könnte von ihm in die Welt gesetzt worden sein. Nicht nur, weil der Frankfurter Posaunist oft selbst als Ornithologe in den Wäldern Hessens unterwegs ist und wie der heilige Franz von Assisi dem Gesang der Vögel lauscht, um ihn zu verstehen. Die Geschichte beschreibt im Grunde das, was ein Jazzmusiker macht, wenn er aus Evergreens neue Werke entstehen läßt; etwa wie Charlie Parker aus "Indiana" sein Stück "Donna Lee" formte. Und sie beschreibt im besonderen den Künstler Mangelsdorff, der etwa in der Komposition "Meise vorm Fenster" sich nun wiederum als eine Art Überlerche gebärdet und die relativ einfach strukturierten Sequenzen einer Meise in eine höchst komplexe Komposition verwandelt: Variationen über einen Vogelruf.
Das Stück bildet gewissermaßen die Coda zu der jüngsten CD Mangelsdorffs mit der NDR Big Band unter ihrem Leiter Dieter Glawischnig. Und wer der Meinung war, über den bedeutendsten deutschen und europäischen Jazzmusiker, vielleicht auch den innovativsten Posaunisten der Jazzhistorie sei in den fünfundfünfzig Jahren seiner öffentlichen Auftritte schon alles gesagt, weil auch der mittlerweile bald fünfundsiebzigjährige Musiker nur noch in seinem eigenen stenogrammartig herausgestoßenen Motivvorrat kreist und mehr mit der Verwaltung seines musikalischen Erbes beschäftigt ist als mit dem Fortschreiten des Jazz in ein neues Jahrhundert, der könnte durch diese im September vorigen Jahres beim NDR Hamburg produzierte Aufnahme eines Besseren belehrt werden.
In Mangelsdorffs "Music for Jazz Orchestra", das eine Auftragskomposition von ihm für den NDR aus dem Jahr 1987 für Big Band neu arrangiert, findet man sozusagen das Nonplusultra aktueller Ausdrucksmöglichkeiten für ein großes Jazzorchester, das vor allem auch das schier unglaubliche Potential dieses Ensembles von Solisten nutzt: von dem Tenorsaxophonisten Christof Lauer über die Trompeter Reiner Winterschladen und Claus Stötter zu dem Pianisten Vladyslav Sendecki und dem Posaunisten Stefan Lottermann. Lebte Duke Ellington noch und wäre er fähig, seinen Stil auf den neuesten Stand der Jazzentwicklung zu bringen, so ähnlich würde das wohl klingen, was hier in einer ungemein packenden Virtuosität und rhythmischen Exaktheit vorgestellt wird: Jungle Style des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
In den stechenden Bläsersätzen und oszillierenden Klangfarben, den geschliffenen Riffs zur Unterstützung der Solisten wie den Kollektivimprovisationen, den kontrapunktischen Verschlingungen und dem Variationsreichtum der thematisch-motivischen Arbeit ohne alle Anbiederung an vordergründige Modernismen dürfte dieses fünfsätzige Werk so schnell von keinem anderen Jazzkomponisten und die Ausführung kaum kompetenter von einer anderen Big Band - weltweit - erreicht werden. Und wer etwa die Interaktion zwischen dem bis zur Rätselhaftigkeit karg improvisierenden Mangelsdorff und dem ihn wie ein Derwisch umtanzenden Saxophonisten Christoph Lauer hört, der begreift, daß hot und cool schon immer zwei Seiten einer ästhetischen Medaille gewesen sind.
WOLFGANG SANDNER
Albert Mangelsdorff: Music for Jazz Orchestra, NDR Big Band. Leiter Dieter Glawischnig. Skip SKP 9039 (Edel Contraire)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Albert Mangelsdorffs brillante "Music for Jazz Orchestra"
Da ist die Geschichte von der Lerche, die jeden Tag zuhört, wie ein Schäfer seinem Hund pfeifend Befehle erteilt. Und Lerchen sind bekannt für ihr großes Nachahmungstalent. Ein Ornithologe zeichnet über einen längeren Zeitraum das Pfeifen des Schäfers sowie den Gesang der Lerche auf. Dabei stellt er fest, daß der Vogel aus den Tönen des Schäfers eigene Melodien formen konnte. Alles Unnötige, alle schlechten Harmonien waren verschwunden. Aus dem primitiven Material hatte die Lerche Musik werden lassen: indem sie das Pfeifen des Schäfers in verschiedene Tonarten transponierte, die einfachen Intervalle mit prächtigen Verzierungen ausschmückte und dort sauber sang, wo der Mann seine Melodien schlingern ließ. Hatte der Schäfer aber einen schlechten Tag, verzichtete auch die Lerche auf ihren musikalischen Kommentar.
Die Geschichte stammt nicht von Albert Mangelsdorff, aber sie könnte von ihm in die Welt gesetzt worden sein. Nicht nur, weil der Frankfurter Posaunist oft selbst als Ornithologe in den Wäldern Hessens unterwegs ist und wie der heilige Franz von Assisi dem Gesang der Vögel lauscht, um ihn zu verstehen. Die Geschichte beschreibt im Grunde das, was ein Jazzmusiker macht, wenn er aus Evergreens neue Werke entstehen läßt; etwa wie Charlie Parker aus "Indiana" sein Stück "Donna Lee" formte. Und sie beschreibt im besonderen den Künstler Mangelsdorff, der etwa in der Komposition "Meise vorm Fenster" sich nun wiederum als eine Art Überlerche gebärdet und die relativ einfach strukturierten Sequenzen einer Meise in eine höchst komplexe Komposition verwandelt: Variationen über einen Vogelruf.
Das Stück bildet gewissermaßen die Coda zu der jüngsten CD Mangelsdorffs mit der NDR Big Band unter ihrem Leiter Dieter Glawischnig. Und wer der Meinung war, über den bedeutendsten deutschen und europäischen Jazzmusiker, vielleicht auch den innovativsten Posaunisten der Jazzhistorie sei in den fünfundfünfzig Jahren seiner öffentlichen Auftritte schon alles gesagt, weil auch der mittlerweile bald fünfundsiebzigjährige Musiker nur noch in seinem eigenen stenogrammartig herausgestoßenen Motivvorrat kreist und mehr mit der Verwaltung seines musikalischen Erbes beschäftigt ist als mit dem Fortschreiten des Jazz in ein neues Jahrhundert, der könnte durch diese im September vorigen Jahres beim NDR Hamburg produzierte Aufnahme eines Besseren belehrt werden.
In Mangelsdorffs "Music for Jazz Orchestra", das eine Auftragskomposition von ihm für den NDR aus dem Jahr 1987 für Big Band neu arrangiert, findet man sozusagen das Nonplusultra aktueller Ausdrucksmöglichkeiten für ein großes Jazzorchester, das vor allem auch das schier unglaubliche Potential dieses Ensembles von Solisten nutzt: von dem Tenorsaxophonisten Christof Lauer über die Trompeter Reiner Winterschladen und Claus Stötter zu dem Pianisten Vladyslav Sendecki und dem Posaunisten Stefan Lottermann. Lebte Duke Ellington noch und wäre er fähig, seinen Stil auf den neuesten Stand der Jazzentwicklung zu bringen, so ähnlich würde das wohl klingen, was hier in einer ungemein packenden Virtuosität und rhythmischen Exaktheit vorgestellt wird: Jungle Style des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
In den stechenden Bläsersätzen und oszillierenden Klangfarben, den geschliffenen Riffs zur Unterstützung der Solisten wie den Kollektivimprovisationen, den kontrapunktischen Verschlingungen und dem Variationsreichtum der thematisch-motivischen Arbeit ohne alle Anbiederung an vordergründige Modernismen dürfte dieses fünfsätzige Werk so schnell von keinem anderen Jazzkomponisten und die Ausführung kaum kompetenter von einer anderen Big Band - weltweit - erreicht werden. Und wer etwa die Interaktion zwischen dem bis zur Rätselhaftigkeit karg improvisierenden Mangelsdorff und dem ihn wie ein Derwisch umtanzenden Saxophonisten Christoph Lauer hört, der begreift, daß hot und cool schon immer zwei Seiten einer ästhetischen Medaille gewesen sind.
WOLFGANG SANDNER
Albert Mangelsdorff: Music for Jazz Orchestra, NDR Big Band. Leiter Dieter Glawischnig. Skip SKP 9039 (Edel Contraire)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main