Produktdetails
- Anzahl: 3 Vinyls
- Erscheinungstermin: 20. November 2020
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Def Jam,
- Gesamtlaufzeit: 68 Min.
- EAN: 0602527594934
- Artikelnr.: 60473909
LP 1 | |||
1 | Dark Fantasy (Album Version (Explicit)) | 00:04:41 | |
2 | Gorgeous (Album Version (Explicit)) | 00:05:58 | |
3 | POWER (Album Version (Explicit)) | 00:04:53 | |
4 | All Of The Lights (Interlude) (Album Version (Explicit)) | 00:01:02 | |
5 | All Of The Lights (Album Version (Explicit)) | 00:05:00 | |
LP 2 | |||
1 | Monster (Album Version (Explicit)) | 00:06:20 | |
2 | So Appalled (Album Version (Explicit)) | 00:06:38 | |
3 | Devil In A New Dress (Album Version (Explicit)) | 00:05:52 | |
LP 3 | |||
1 | Runaway (Album Version (Explicit)) | 00:09:08 | |
2 | Hell Of A Life (Album Version (Explicit)) | 00:05:28 | |
3 | Blame Game (Album Version (Explicit)) | 00:07:50 | |
4 | Lost In The World (Album Version (Explicit)) | 00:04:17 | |
5 | Who Will Survive In America (Album Version (Explicit)) | 00:01:38 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2010Reim und Leid
Mit seiner neuen Platte will der Rapper Kanye West zum größten Künstler aller Zeiten werden. Aber das ist nicht so leicht
Kanye West ist ein Esel. Das ist keine Meinung, sondern Doktrin, der amerikanische Präsident selbst hat es gesagt: "He's a Jackass!" Obama hatte 2009 mit seinen Töchtern gemeinsam die "MTV Video Music Awards" angesehen und live mitverfolgt, wie West sich uneingeladen auf die Bühne begab, nachdem Taylor Swift den Preis fürs "Best Female Video" zugesprochen bekommen hatte. Miss Swift, schneeweiße WASP-Prinzessin aus Pennsylvania, wollte sich gerade bei Amerika bedanken, die Tränen standen schon in den Augen bereit, da war West plötzlich mit einem Mikrofon neben ihr, und dafür, dass er so aufgebracht war, war er sogar noch höflich: "Taylor, ich freue mich sehr für dich, wirklich. Ich lasse dich gleich reden. Aber Beyoncé", schrie er, "hatte dieses Jahr eines der besten Videos aller Zeiten! Aller Zeiten!"
Im Prinzip hatte West recht. Beyoncés Video zu "Single Ladies" war wirklich großartig, mit der von Bob Fosse abgeschauten Choreographie und der fliegenden Kamera. Aber West hatte den ganzen Sendungsaufbau nicht so richtig verstanden, er hatte vergessen, dass es am Ende noch das "Video des Jahres" geben würde, für Beyoncé natürlich, dass der kleinere Award für Taylor Swift also nicht bloß Rassismus war, und das ganze Publikum buhte ihn aus, und Sasha und Malia, Fans von Taylor Swift, waren entsetzt, und dann nannte ausgerechnet Obama diesen Rapper, der sich immer wieder lautstark zur Lage der Afroamerikaner äußert, einen Esel. Armer Kanye. Er hatte es doch gut gemeint!
Kanye West genießt den Ruf eines "wide eyed boy", eines erwachsenen Wunderknaben, dessen kindlichem Gemüt laut allgemeinem Urteil regelmäßig große Rap-Platten entspringen. Seine öffentlichen Peinlichkeiten, von denen die MTV-Ansage nur eine war, gehören irgendwie dazu, man respektiert ihn gleichzeitig ja auch für seine scharfe Kritik an den amerikanischen Zuständen, in der er, ganz Kind, Gerechtigkeit fordert. Und dann ist es auch so, dass West mit dem Hiphop lauter neue Sachen angestellt hat. Dass so viel gesungen wird von Rappern, dazu hat er maßgeblich beigetragen, und er ist ein gefeierter Produzent. Seine ersten Erfolge hatte er mit Jay-Z, für den er Hits produzierte. Vor dem Autounfall.
Den hatte Kanye West 2002, er kam nur knapp mit dem Leben davon. Danach beschloss er, jeden Tag zu leben, als ob es sein letzter sei, und obwohl das angeblich ja doch eine befolgenswerte Maxime ist: für Kanye West hat sie eher schwierige Folgen gezeitigt. Seither treibt ihn die an sich selbst gestellte Forderung, der, na ja, er hat es halt gesagt, also er hat offiziell beschlossen, der "Größte Künstler aller Zeiten" zu werden.
Man muss ja nicht so ungerecht sein, ihn daran zu messen. Er hat immerhin angefügt, dass das schwierig wird, weil er nicht singen oder tanzen könne, eigentlich ja eine unabdingbare Voraussetzung für jeden Anwärter auf den Titel. Für Kanye West war bislang Michael Jackson der größte Künstler aller Zeiten. So hoch liegt die Latte. Und mit jeder Platte seit dem Autounfall hat er gerissen. Jetzt aber ist Michael Jackson tot. Irgendwer muss das Zepter übernehmen. Kanye West bewirbt sich, mit Ansage. Für sein jüngstes Album, "My Beautiful Dark Twisted Fantasy", hat er ein 35-minütiges Musikvideo drehen lassen, so was hat Michael Jackson ja auch gerne rausgebracht. An dessen Kinowerbefilm für "HIStory", eine Sternstunde des menschlichen Deliriums, reicht Kanye Wests "Runaway"-Video zwar nicht heran. Man sollte es sich trotzdem unbedingt einmal ansehen, immerhin hat es überhaupt keinen Sinn, und teuer sieht es auch aus. Schließlich taucht eine irre schöne Frau mit Federn auf, eine afrikanische Papagena. Es ist nicht eindeutig zu sagen, was sie im Video soll, aber es wäre haltbar, sie als die Antithese zu Kanye Wests Selbstbild zu interpretieren: als Unschuld.
Kanye West hat über den Ruhm und die Welten, in die er durch ihn vorgelassen wurde, nämlich seine Unschuld verloren, meint er. Auf "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" will er sie sich zurückgewinnen, eine Rückkehr zum Boychild à la Michael Jackson erzwingen, indem er über das ganze Album ein umfassendes Geständnis seiner Niedertracht ablegt.
Kierkegaard sagt, der Mensch verzweifelt, sobald er sich reflektiert, und wenn das einmal geschehen ist, gibt es kein Zurück. Oh Kanye, hättest du dich doch nie reflektiert, hättest du nie den Unfall gehabt, dich nie in Verhältnisse gesetzt! Dann würdest du immer noch hinter den Reglern sitzen und dicke Beats machen statt so einen stundenlangen Schwachsinn wie diese Platte. Dein Geständnis ist eine Nabelschau, die Platte ist nicht kindlich und verspielt, sondern sie ist leider sehr eitel, alles geht viel zu lang, was auch den besten Beat kaputtmacht, und es gibt viel zu viele Stargäste, die nur deutlich machen, dass du ein recht eintöniger Rapper bist. Produzieren kannst du dafür. Bleib doch dabei! Im Können liegt die Unschuld.
ALARD VON KITTLITZ
"My Beautiful Dark Twisted Fantasy" von Kanye West ist bei Def Jam / Universal erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit seiner neuen Platte will der Rapper Kanye West zum größten Künstler aller Zeiten werden. Aber das ist nicht so leicht
Kanye West ist ein Esel. Das ist keine Meinung, sondern Doktrin, der amerikanische Präsident selbst hat es gesagt: "He's a Jackass!" Obama hatte 2009 mit seinen Töchtern gemeinsam die "MTV Video Music Awards" angesehen und live mitverfolgt, wie West sich uneingeladen auf die Bühne begab, nachdem Taylor Swift den Preis fürs "Best Female Video" zugesprochen bekommen hatte. Miss Swift, schneeweiße WASP-Prinzessin aus Pennsylvania, wollte sich gerade bei Amerika bedanken, die Tränen standen schon in den Augen bereit, da war West plötzlich mit einem Mikrofon neben ihr, und dafür, dass er so aufgebracht war, war er sogar noch höflich: "Taylor, ich freue mich sehr für dich, wirklich. Ich lasse dich gleich reden. Aber Beyoncé", schrie er, "hatte dieses Jahr eines der besten Videos aller Zeiten! Aller Zeiten!"
Im Prinzip hatte West recht. Beyoncés Video zu "Single Ladies" war wirklich großartig, mit der von Bob Fosse abgeschauten Choreographie und der fliegenden Kamera. Aber West hatte den ganzen Sendungsaufbau nicht so richtig verstanden, er hatte vergessen, dass es am Ende noch das "Video des Jahres" geben würde, für Beyoncé natürlich, dass der kleinere Award für Taylor Swift also nicht bloß Rassismus war, und das ganze Publikum buhte ihn aus, und Sasha und Malia, Fans von Taylor Swift, waren entsetzt, und dann nannte ausgerechnet Obama diesen Rapper, der sich immer wieder lautstark zur Lage der Afroamerikaner äußert, einen Esel. Armer Kanye. Er hatte es doch gut gemeint!
Kanye West genießt den Ruf eines "wide eyed boy", eines erwachsenen Wunderknaben, dessen kindlichem Gemüt laut allgemeinem Urteil regelmäßig große Rap-Platten entspringen. Seine öffentlichen Peinlichkeiten, von denen die MTV-Ansage nur eine war, gehören irgendwie dazu, man respektiert ihn gleichzeitig ja auch für seine scharfe Kritik an den amerikanischen Zuständen, in der er, ganz Kind, Gerechtigkeit fordert. Und dann ist es auch so, dass West mit dem Hiphop lauter neue Sachen angestellt hat. Dass so viel gesungen wird von Rappern, dazu hat er maßgeblich beigetragen, und er ist ein gefeierter Produzent. Seine ersten Erfolge hatte er mit Jay-Z, für den er Hits produzierte. Vor dem Autounfall.
Den hatte Kanye West 2002, er kam nur knapp mit dem Leben davon. Danach beschloss er, jeden Tag zu leben, als ob es sein letzter sei, und obwohl das angeblich ja doch eine befolgenswerte Maxime ist: für Kanye West hat sie eher schwierige Folgen gezeitigt. Seither treibt ihn die an sich selbst gestellte Forderung, der, na ja, er hat es halt gesagt, also er hat offiziell beschlossen, der "Größte Künstler aller Zeiten" zu werden.
Man muss ja nicht so ungerecht sein, ihn daran zu messen. Er hat immerhin angefügt, dass das schwierig wird, weil er nicht singen oder tanzen könne, eigentlich ja eine unabdingbare Voraussetzung für jeden Anwärter auf den Titel. Für Kanye West war bislang Michael Jackson der größte Künstler aller Zeiten. So hoch liegt die Latte. Und mit jeder Platte seit dem Autounfall hat er gerissen. Jetzt aber ist Michael Jackson tot. Irgendwer muss das Zepter übernehmen. Kanye West bewirbt sich, mit Ansage. Für sein jüngstes Album, "My Beautiful Dark Twisted Fantasy", hat er ein 35-minütiges Musikvideo drehen lassen, so was hat Michael Jackson ja auch gerne rausgebracht. An dessen Kinowerbefilm für "HIStory", eine Sternstunde des menschlichen Deliriums, reicht Kanye Wests "Runaway"-Video zwar nicht heran. Man sollte es sich trotzdem unbedingt einmal ansehen, immerhin hat es überhaupt keinen Sinn, und teuer sieht es auch aus. Schließlich taucht eine irre schöne Frau mit Federn auf, eine afrikanische Papagena. Es ist nicht eindeutig zu sagen, was sie im Video soll, aber es wäre haltbar, sie als die Antithese zu Kanye Wests Selbstbild zu interpretieren: als Unschuld.
Kanye West hat über den Ruhm und die Welten, in die er durch ihn vorgelassen wurde, nämlich seine Unschuld verloren, meint er. Auf "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" will er sie sich zurückgewinnen, eine Rückkehr zum Boychild à la Michael Jackson erzwingen, indem er über das ganze Album ein umfassendes Geständnis seiner Niedertracht ablegt.
Kierkegaard sagt, der Mensch verzweifelt, sobald er sich reflektiert, und wenn das einmal geschehen ist, gibt es kein Zurück. Oh Kanye, hättest du dich doch nie reflektiert, hättest du nie den Unfall gehabt, dich nie in Verhältnisse gesetzt! Dann würdest du immer noch hinter den Reglern sitzen und dicke Beats machen statt so einen stundenlangen Schwachsinn wie diese Platte. Dein Geständnis ist eine Nabelschau, die Platte ist nicht kindlich und verspielt, sondern sie ist leider sehr eitel, alles geht viel zu lang, was auch den besten Beat kaputtmacht, und es gibt viel zu viele Stargäste, die nur deutlich machen, dass du ein recht eintöniger Rapper bist. Produzieren kannst du dafür. Bleib doch dabei! Im Können liegt die Unschuld.
ALARD VON KITTLITZ
"My Beautiful Dark Twisted Fantasy" von Kanye West ist bei Def Jam / Universal erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main