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Trackliste
CD 1
1Nabucco (Nebukadnezar, Oper in 4 Akten) (Gesamtaufnahme)
2Gli arredi festivi giù cadono infranti (1. Akt)00:06:31
3Seperate, o figli00:01:24
4D'egitto là sui lidi00:04:04
5Come notte a sol fulgente00:01:59
6Fenena! O mia diletta!00:04:14
7Io t'amava!00:03:53
8Lo vedeste?00:01:47
9Viva Nabucco!00:01:06
10Che tenti? O trema, insano!00:01:10
11Tremin gli insani00:03:52
12O vinti, il capo a terra!00:00:56
13Mi furor00:03:04
14Ben io t'invenni, o fatal scritto (2. Akt)00:03:45
15Anch'io dischiuso un giorno00:03:55
16Qui s'avanza?00:02:57
17Vieni, o Levita!00:02:31
18Tu sul labbro de'veggenti00:02:58
19Che si vuol?00:00:46
20Il maledetto non ha fratelli00:01:46
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CD 2
1E l'Assiria una regina (3. Akt)00:03:11
2Eccelsa donna00:03:03
3Donna, chi sei?00:10:13
4Va, pensiero, sull'ali dorate00:10:04
5Oh, chi piange?00:00:47
6Del futuro nel buio discerno00:03:32
7Son pur queste mie membra! (4. Akt)00:05:22
8Dio di Giuda!00:02:54
9Porta fatal, oh, t'aprirai!00:00:54
10Cadran, cadranno i perfidi00:01:50
11Marcia funebre00:02:05
12Va: la palma del martirio00:00:31
13Oh, dischiuso è il firmamento00:02:15
14Qual grido è questo00:00:51
15Ah, torna Israello00:00:52
16Oh, chi vegg'io?00:00:39
17Su me ... morente ...00:06:00
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2023

Facetten einer bösen Figur

WIESBADEN Demonstration draußen, Verdi drinnen: Anna Netrebkos Auftritt bei den Maifestspielen ist umstritten. Musikalisch gibt es an ihrem konzertanten Debüt in "Nabucco" nichts zu meckern.

Von Guido Holze

Das besetzte Land, der Despot, das leidende Volk: Das Geschehen um "Nabucco", den biblischen Eroberer Jerusalems und heidnischen König der Babylonier, ist leicht in Verbindung zur Gegenwart zu setzen. Zumal Verdis 1842 in Mailand uraufgeführte Oper schon zu ihrer Entstehungszeit als aktuell verstanden wurde - im Sinne des Risorgimento, der "Wiedererstehung" des italienischen Nationalstaats. Der Chor der gefangenen Hebräer, "Va, pensiero, sull'ali dorate", wurde zu deren Soundtrack und zu einer der größten Freiheitshymnen der Musikgeschichte.

Die Maifestspiele Wiesbaden nun unter ebendiesem Motto-Zitat "Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen" politischen Gefangenen in aller Welt zu widmen war insofern gar nicht schlecht. Dazu aber die berühmteste und derzeit umstrittenste Opernsängerin der Welt für die große Partie der Abigaille in "Nabucco" zu engagieren war zumindest instinktlos: Anna Netrebko, Primadonna mit russischem und österreichischem Pass, wird von der Ukraine als Putin-nahe Künstlerin nach wie vor sanktioniert, auch wenn sie sich - spät, unter öffentlichem Druck und recht allgemein - vom Krieg distanziert hat. Die Stadt Wiesbaden und das Land Hessen baten den Staatstheater-Intendanten Uwe Eric Laufenberg vergeblich, auf Netrebkos Engagement zu verzichten. Der erklärte die Starsopranistin für integer und inszenierte sich dazu selbst als wackeren Streiter für die Kunstfreiheit. Es kam, wie es kommen musste: Ukrainische Ensembles sagten ihre Teilnahme an den Maifestspielen ab, und das russische Punkerinnen-Kollektiv Pussy Riot tritt demonstrativ im Wiesbadener Schlachthof und nicht im Staatstheater auf.

Nun also schwenkten vor der konzertanten "Nabucco"-Aufführung um die 300 Demonstranten vor den Theaterkolonnaden Ukraine-Flaggen, riefen "No Netrebko!", hielten Schilder mit Kriegsbildern, Parolen und etwa einem blutverschmierten Konterfei der Sängerin hoch. Drinnen blieb im ausverkauften Haus aber weitgehend alles ruhig, bis auf ein, zwei Buhrufer, die sich im ständig aufbrandenden Szenenapplaus wie am Ende unter dem rauschenden Beifall und den Bravos kaum behaupten konnten. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden, aus dem mehrere Musiker noch in Fracks vor der Aufführung die ukrainische Nationalhymne in den Reihen der Demonstranten gespielt hatten, erledigte seine Aufgaben dazu auf hohem Niveau geschlossen und professionell. Der Gastdirigent Michael Güttler, regelmäßiger Begleiter von Netrebko, sorgte für einen großen dramaturgischen Spannungsbogen mit bündigen Übergängen und stimmiger Balance gegenüber den großen Stimmen. Sehr gut traf er auch die in vielen Teilen noch an Rossini erinnernde Leichtigkeit.

Musikalisch gab es da nichts zu deuteln: Es war samt dem um Gäste aus Darmstadt erweiterten Chor eine exzellente und packende Aufführung, in der die simplen szenischen Gestaltungen mit typischen Sängergesten und Requisiten wie Dolch oder Krönungsreif nicht störten. Anna Netrebko, die in Wiesbaden ihr Debüt als Abigaille gab, verlieh der Partie ihre ganze Stimmkultur und gewann der bösen Figur interessante Facetten ab. Der Liebe der vermeintlich erstgeborenen Tochter Nabuccos zu Ismaele gab sie einen weichen Ton. Die Koloraturen im Piano und in der Höhe klangen leicht, sanft und gebunden. Netrebkos gut ausgebaute Tiefe war bei perfektem Stimmsitz mit reizvollem Timbre zu bemerken. In den Ensembles fügte sie sich gut ein. Die dramatischen Kulminationen gerieten kraftstrotzend, aber nie, wie in dieser Partie oft zu hören, schrill abstoßend und außer Kontrolle.

Grandioses leistete Zeljko Lucic in der Titelpartie. Der Frankfurter Bariton, der dort lange zum Ensemble gehörte und seine Weltkarriere startete, hat in seiner Bühnenerscheinung mit weißer Haarpracht an Präsenz noch hinzugewonnen und untermauerte seinen Ruf als der Verdi-Experte schlechthin. Stilsicherer kann man kaum gestalten, vom gedeckten und doch voluminösen Klang an. Vor allem aber kristallisierte hier seine ganze Erfahrung mit allen großen Bariton-Partien Verdis. Nabucco im Wahn bekam bei ihm eine an Falstaff erinnernde Tragikomik, auch etwas von Shakespeares König Lear. Der liebende Vater Nabucco klang gar ähnlich wie Rigoletto. Besonders in die leisen, innigen Melodien lauschte Lucic so tief hinein, dass sie zum alleinigen Träger der Information wurden: Es geht bei Nabuccos Wahn und seiner Läuterung um einen Prozess der (Selbst-)Erkenntnis.

Young Doo Park konnte sich als Zaccaria neben den beiden Superstars behaupten mit mächtiger, glaubensstarker, im Vergleich zu Lucic offenerer Stimme und den schönsten O-Vokalen. Ensemblemitglied Ioan Hotea lief als Ismaele mit strahlendem Tenor und viel Bühnenpräsenz zur Höchstform auf. Am Ende blieb eine Frage, die Verdi der Partie der zentralen Frauenfigur einkomponiert hat: Kann man auch Abigaille die finale Läuterung abnehmen? Sind ihre reumütigen Melodien echt? Da blieb Interpretationsspielraum. Der wiederum ist das Kennzeichen großer Kunst. Draußen riefen die Demonstranten den hinter einer Polizistenreihe aus dem Theater strömenden Besuchern wieder entgegen: "No Netrebko! No Netrebko!" Für die Maifestspiele 2024 ist Netrebko schon engagiert.

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