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Produktdetails
Trackliste
CD
1All my dreams00:04:28
2Birds fly00:03:57
3Surprised by the joy00:05:37
4That's how strong00:04:44
5Born to be strangers00:04:13
6That's when I feel it00:04:02
7We all bleed00:03:58
8A man in motion00:05:03
9Streets of Amsterdam00:05:20
10Money money00:05:04
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2018

Schmerzensmann, sing du voran

Größenwahn und Empfindlichkeit: Richard Ashcroft, eines der interessantesten Relikte des Britpop, macht solo sein erstes halbes Dutzend voll. Da kann ruhig noch mehr kommen.

An Richard Ashcroft konnte man Mitte, Ende der neunziger Jahre noch einmal alle rock- und poptypischen Elemente studieren, die einen späten, sich vor dem Schwinden des Mainstreams gerade noch in Sicherheit bringenden Superstar ausmachen: den Anspruch an Sinnstiftung und die, rein denkerisch betrachtet, manchmal doch nur großartig-trivialen Texte, die Aggressivität und die Dünnhäutigkeit des Außenseiters, der alles besser weiß, insgesamt den Willen zur großen Geste. The Verve, denen er bei drei sehr guten und einer, dank Comeback-Missverständnis, misslungenen Platte vorstand, waren noch einmal eine Rock-'n'-Roll-Band mit allem, was dazugehört, geachtet sogar von Oasis, die seinerzeit in jenem Britpop den Ton angaben, zu welchem The Verve nur bedingt zählten - dazu enthielt ihre Musik, die auch krachend hart sein konnte, zu viel Psychedelik. Und Ashcroft, dieser Hungerhaken, strahlte, wie der junge Neil Young, etwas zugleich Hippieskes und Glamouröses aus, anziehend und düster, geheimnisvoll und verletzlich.

Inzwischen zählt er zu den elder statesmen aus dem Lager dieser damals so fieberhaft hoch- und wieder heruntergeschriebenen Musiker, bei denen sich irgendwann die Substanzfrage stellte: Reicht es noch für eine weitere Karriere? Ashcroft wartete 2000/2002 mit zwei makellosen Soloalben auf, die mit ihrer melodiösen Vielfalt und der eigentümlich weichen Produktion das meiste andere in den Schatten stellten. Wie denn auch nicht? Dies war ja der Mann, der selbst keinen wirft, wie es Oasis in ihrem ausdrücklich Ashcrofts Genie gewidmeten Lied "Cast No Shadow" behaupteten.

Nachdem Ashcroft die vergangenen zehn Jahre lang einen etwas unentschlossenen, orientierungslosen Eindruck machte - das Verve-Comeback und zwei eigene Alben waren mehr oder weniger Rohrkrepierer -, darf man nun wieder eine Glanzleistung anzeigen: Auch "Natural Rebel" kommt nicht ohne diese notorische Großspurigkeit aus, ist aber Ashcrofts beste Platte seit "Human Conditions" (F.A.Z. vom 2. November 2002). Waren seine bisherigen stets eine Synthese aus spezifisch britischen und spezifisch amerikanischen Spielweisen, so fällt nun ein ausgesprochener, ausschließlich amerikanischer Stil auf - mehr Bruce Springsteen und Neil Diamond waren nie bei ihm, der sich auf dem Vorgänger "These People" (2016) noch an Neo-Croonern wie Micah P. Hinson und Richard Hawley orientiert hatte.

Was zunächst auffällt, ist die strukturelle Klarheit, mit der Ashcroft sein Material bearbeitet, unter dem "Born To Be Strangers" herausragt, das eigentlich einen Preis für den Shuffle des Jahres kriegen müsste - direkter in die Beine ging lange nichts mehr, die knochentrockenen, effektvollen Gitarrenriffs greifen wie einst bei Roxy Music ("Love Is the Drug", 1975) und der Climax Blues Band ("Couldn't Get it Right", 1976), prototypische, die Essenz des Rock bewahrende Tanznummern, denen bis heute kaum jemand widerstehen kann. Mit "All My Dreams" fügt er dieser Sorte ein weiteres Exemplar hinzu und setzt mit "Money Money" diesbezüglich einen harten, psychedelisch ausufernden Schlusspunkt, der an die kokainbefeuerte Space-Musik seines noch problematischeren Landsmannes Jason Pierce von der Gruppe Spiritualized erinnert.

Solche Exzesse, für die schon The Verve gut waren, baut Ashcroft immer mal wieder ein, wahrscheinlich, damit man ihn am Ende nicht doch für zu weich hält. Tatsächlich wirkt ja auch vieles von seinem solistischen Werk etwas knochenlos - auf reizendste Weise freilich. Besonders das Debüt "Alone With Everybody" (2000) bestach mit bisweilen überlangen Liedern, die wie in Watte gepackt wirkten und doch etwas ausgesprochen Dringliches hatten. "Birds Fly" erinnert zum Beispiel mit der feinen Slidegitarre an den damaligen Übersong "Money To Burn", während "That's When I Feel it" mit den XXL-Streichern fast an The Verves altes Plagiatmonster "Bitter Sweet Symphony" zurückträumen lässt. Ashcroft wird kaum vergessen haben, dass seine Band mit windelweichen, pathetischen Folknummern nicht weniger zu überzeugen wusste als mit den Krachern. So erinnert das wunderschöne "We All Bleed", das seine Wehleidigkeit besonders herausstellt, an "The Drugs Don't Work" und enthält mit den fernöstlichen Einsprengseln eine Ashcroft vielleicht gar nicht mal bewusste Reminiszenz an "Moonlight Mile" von den Rolling Stones, das so bedeutend ist, dass es darüber sogar einen allerdings und leider sehr langweiligen Spielfilm (mit Norah Jones) gibt; man könnte dabei auch an Gene Clarks geniales "Strength of Strings" (1974) denken.

"I'm a man in motion" behauptet Richard Ashcroft, der noch nie stillhalten konnte, jetzt, offensichtlich im Reinen mit sich, wenn auch natürlich noch längst nicht mit der Welt. Solang er, der sich wieder als beachtlicher Soul-Interpret erweist, nicht selbstzufrieden wird, kann es uns recht sein.

EDO REENTS

Richard Ashcroft:

"Natural Rebel".

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