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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2019

Als die Geige in Frankreich einmarschierte

Ein kleines Wunder ist diese CD. Schon das erste Stück, die Sonate d-Moll op. 4 Nr. 2 von Louis-Gabriel Guillemain, lässt das Staunen nicht zur Ruhe kommen. Durch Satztechnik und Tongebung täuschen zwei Geigen allein ein ganzes Orchester mit Basso continuo und zwei Solisten vor. Man vermeint, ein Violinkonzert von Antonio Vivaldi zu hören, mit Tutti-Blöcken und Solo-Abschnitten, feurig in der Erfindung, virtuos in den spieltechnischen Anforderungen, vielfarbig, spannungsvoll, dabei dramatisch und logisch zugleich in der harmonischen Großformplanung. Sonaten für zwei Violinen ohne Bass haben die Geiger Johannes Pramsohler und Roldán Bernabé ausgesucht und bei Pramsohlers eigenem Label Audax Records herausgebracht. Die CD versammelt denkwürdige Raritäten, weil sie den späten, aber fulminanten Siegeszug der Violine im Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts, wo lange die Gambe in allen Registern dominiert hatte, dokumentiert und zugleich den Siegeszug der italienischen Sonaten- oder Konzertform über die französische Suite. Wie hier historischer Forschergeist und geigerische Exzellenz zusammenkommen, das ist verdienstvoll und mitreißend zugleich.

jbm.

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Das würde sich vielleicht ganz gut als Soundtrack zu Wilhelm Genazinos modernem Büro-Roman "Abschaffel" eignen: Neil Hannon hat mit seiner Gruppe The Divine Comedy ein Konzeptalbum namens "Office Politics" aufgenommen (Pias/Rough Trade). Es berührt alle wichtigen Fragen von den Socken- und sonstigen Vorlieben des Chefs über die geheimen Phantasien der Kollegen (die heute leider manchmal durch Social-Media-Malheure bekannt werden), besonders die der Entfremdung und Langeweile. Da taucht auch der aus einem früheren Lied bekannte mittlere Angestellte Billy Bird wieder auf, der hier einen Griff in die Firmenkasse wagt ("Opportunity Knox"). Wie eh und je hat Neil Hannon, dieser ewig bubenhafte Casanova des Britpop, sämtliche Retro-Sounds gut im Griff, so bei der Tanzorchester-Rhumba "You'll never Work in this Town Again" oder bei der stark an Depeche Mode erinnernden Computermusikparodie "Infernal Machines". Wenn er auf seine typisch verschmitzte Weise singt "Book your place on the hamster wheel", wird man kaum in Burnout-Depressionen versinken, sondern auch den schlimmsten Arbeitstag schon etwas gelassener sehen.

wiel.

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Das muss ein exquisites Vergnügen gewesen sein, als Johann Sebastian Bach um 1730 mit dem Leipziger Collegium musicum im Zimmermannschen Kaffeehaus auftrat. Bei Cembalokonzerten spielte er selbst den Solopart und ließ auch seine ältesten Söhne an weiteren "Clavieren" zum Zuge kommen. Derlei Glücksgefühle gönnten sich und ihren Hörern nun der Pianist Evgeni Koroliov, seine Frau Ljupa Hadzi Georgieva und seine ehemalige Schülerin Anna Vinnitskaya mit Aufnahmen von zehn Konzerten Bachs für ein, zwei oder drei Tasteninstrumente und Streicher (Alpha Classics/Note 1). Die agile Kammerakademie Potsdam begleitet einfühlsam, umhüllt poetisch dialogisierende Soli mit zartem Klangschleier, sorgt in den Ecksätzen für Drive und belebt sie mit energischen Akzenten. Dass sich die russisch geschulten Interpreten für moderne Flügel entschieden haben, beschert körnig kullernde Girlanden und führt bei Konzerten für mehrere Klaviere infolge des ungemein dichten Tonsatzes mitunter zu akkordischer Verklumpung. Sonst aber dominieren klare Linien und musikalische Vitalität in diesem von gemeinsamer Spielfreude beseelten Doppelalbum.

wmg.

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Wenn Von Spar Queen sind, dann ist Chris Cummings ihr David Bowie. Jedenfalls heißt das fünfte Album des Kölner Quartetts "Under Pressure" (Bureau B/Indigo), es klingt entspannt wie selten, und auf der Hälfte der Stücke singt der kanadische Sänger. Wenn nicht alles täuscht, geht die Reise der einstigen Electro-Punker und Indie-Rocker diesmal in Richtung Reggae - allerdings extrem sophisticated. Das geht mit Dub-Elementen auf dem flauschigen zweiteiligen Auftaktsong "Dream" los und endet längst noch nicht mit "Boyfriends (Dead Or Alive)", wo Vivien Goldman gastiert, die einst bei den Flying Lizards und den noch esoterischeren New Age Steppers für das Reggae-Flair beim Aufbruch in die weiten Felder des britischen Postpunk sorgte. Zwischendurch wird Station beim metronomischen Krautrock-Beat gemacht ("Extend the Song" mit Stereolab-Sängerin Laetitia Sadier am Mikrofon) oder verhangener Dream-Pop ("Better Late" wieder mit Cummings) exekutiert. Und dann haben Von Spar für "Falsetto Giuseppe" auch noch den amerikanischen Sonderling und Lo-Fi-Pionier R. Stevie Moore eingeladen. Das alles klingt ziemlich gut und dürfte in den nächsten Monaten so manche schicke Bar beschallen.

roth

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