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Trackliste
CD 1
1Pelléas et Mélisande (Oper in 5 Akten) (Gesamtaufnahme)
2Voici ce qu'il écrit à son frère Pelléas00:03:08
3Je n'en dis rien00:07:23
4Il fait sombre dans les jardins00:06:59
5Vous ne savez pas où je vous ai menée?00:06:23
6Interlude00:03:19
7Ah! Ah! tout va bien00:11:24
8Interlude00:02:20
9Oui, c'est ici00:04:12
CD 2
1Mes longs cheveux descendent00:11:44
2Interlude00:02:49
3Prenez garde, par ici, par ici00:03:57
4Ah! je reprise enfin!00:03:40
5Interlude00:01:10
6Viens, nous allons nous asseoir ici, Yniold00:10:10
7Où vas-tu? Il faut que te parle ce soir00:02:58
8Maintenant que le père de Pelléas est sauvé00:13:08
9Interlude00:03:54
10Oh! Cette pierre est lourde00:03:55
11C'est le dernièr soir00:14:06
CD 3
1Ce n'est pas cette petite blessure00:08:36
2Mélisande, Mélisande00:04:58
3Qu'avez-vous fait? Vous allez la tuer00:02:54
4Qu' y a-t-il? Qu'est-ce que toutes ces femmes viennent faire ici!00:08:44
5La Mer (Trois esquisses symphoniques)
62. Jeux de vagues00:06:09
73. Dialogue du vent et de la mer00:07:25
8Prélude à l'après midi d'un faune (Vorspiel zu Der Nachmittag eines Faun)00:08:36
9Danse sacrée et danse profane (für Harfe und Streichorchester)00:08:22
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.2023

Die Musik spricht, doch das Geheimnis bleibt

Der Dirigent Iván Fischer ist skeptisch gegenüber dem Regietheater. Jetzt hat er Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" selbst inszeniert. Das Ergebnis erstaunt.

Von Wolfgang Sandner, Budapest

Es muss schon auf das Ende eines erschöpften Jahrhunderts zugehen oder ein noch unbeschriebenes gerade erst begonnen haben, wenn ein einvernehmliches Liebesgeständnis in der Oper - "Je t'aime . . . Je t'aime aussi" - so karg, so ohne allen musikalisch-rhetorischen Aufwand erscheint. Kein übersinnliches Melos, kein raffinierter Instrumentalklang ertönt - eine Oboe d'amore oder ein wehmütig-sonores Cello vielleicht -, wenn Pelléas im vierten Aufzug von Claude Debussys lyrischem Drama dem mystischen Wesen Mélisande seine tief empfundene Zuneigung gesteht: Schweigen im Orchesterwald. "Pelléas et Mélisande", Debussys einziger von vielen musiktheatralischen Versuchen, den er vollendete, macht eindrücklich subtil bewusst, dass die letzten Tage des 19. Jahrhunderts die ersten Tage der Neuen Musik gewesen sind.

Das Werk ist jedoch nicht das, was man ihm andichtete und was seitdem als dekorative Ansammlung von Schäfchenwolken des Impressionismus über dem Gesamtschaffen des großen französischen Komponisten zu schweben scheint. Man hat das Lyrische bei Debussy als absolut gesetzt und das Drama geflissentlich übersehen. Unter der Tonsprache aus Andeutungen brodelt jedoch nicht nur der künstlerische Aufruhr gegen die akademische Konvention. Die Partitur hat das Entsetzliche der menschlichen Natur, das Liebes- und Eifersuchtsdrama bis zu Mord und Totschlag auch in einen extremen Klang zu fassen vermocht, der hinter dem instrumental-vokalen Überschwang eines Wagner oder Richard Strauss nicht zurücksteht. Nur sind diese musikalischen Exzesse eingebunden in ein Geschehen, das sich nicht aus den spärlichen Fakten des Plots erschließt, vielmehr aus der inneren Befindlichkeit der Figuren.

Wer in dieser Oper ganz genau wissen will, was mit der ebenso geheimnisvoll auftauchenden wie verlöschenden Mélisande früher einmal passiert sein muss, wen es wirklich interessiert, ob Pelléas und Mélisande sich tatsächlich liebend vereinigt haben oder doch nur einen Kuss austauschten, wer kriminalistisch nachforschen möchte, warum Golaud zum Brudermord an Pelléas fähig war - wer all das als Voraussetzung für eine emotionale Identifikation mit dem Geschehen und seinen Protagonisten benötigt, wird keinen Zugang zu diesem Werk finden. Freilich hat es der musikalische Psychologe Debussy mit der Adaption von Maurice Maeterlincks symbolistischem Drama seinem Theaterpublikum auch nicht leicht gemacht. Man muss bei ihm tief graben, um ans Unterbewusste zu gelangen, das all das Ungeheuerliche ausgelöst haben mag.

Wie aber gelangt man an diese tief verborgenen Schichten des menschlichen Wesens, vielleicht auch seines Unwesens? Die Antwort fand der Dirigent Iván Fischer, der mehr und mehr auch zum Regisseur seiner Aufführungen wird, in einem Konzept, das sich als ebenso einfach wie wirkungsvoll erweist, und das er jetzt bei der Neuinszenierung von Debussys "Drame lyrique" mit seinem famosen Budapester Festival Orchestra im Béla-Bartók-Konzertsaal des Budapester Müpa verwirklicht hat: Es gibt keine Trennung zwischen einem (hier ohnehin nicht vorhandenen) Orchestergraben und der Bühne. Die Musiker sind Teil der Szene, fügen sich komplett ins Einheitsbühnenbild von Andrea Tocchio, einen spärlich erleuchteten Zauberwald, aus dem der Turm und die Gemächer von Schloss Allemonde wie üppig überwachsene Balustraden emporgefahren werden. All die lauernden, einstweilen an die Kette gelegten, sich zu bösem Gift der Eifersucht entwickelnden und dann wieder die Kapriolen von schüchterner Annäherung, Liebe, emotionalem Verstehen ausleuchtenden Orchesterklänge tönen aus dem wild wuchernden Unterholz, als sei der Wald tatsächlich zu so etwas wie der natürlichen Erscheinung des menschlichen Seelenlebens mutiert.

Die Wirkung ist enorm. Vor allem auch auf die Sängerdarsteller, die sich selbst bei all den musikalischen Aussparungen, die Debussy vorgenommen hat, den zurückhaltenden Pianissimo-Passagen und sprachähnlichen Gesangslinien, dem seltsam mäandernden Orchesterklang mit seinen schier unauflöslichen Akkordverbindungen, nie allein gelassen fühlen müssen. Iván Fischer, im dunklen Tarngewand mittendrin im Geschehen, führt dabei nicht nur das vor allem in den instrumentalen Zwischenspielen bewegliche, den Matrosenchor im ersten Aufzug wie selbstverständlich vokal mitgestaltende Orchester. Auch er agiert, scheint mit seinen Einsätzen den Darstellern gewissermaßen die Hand auf die Schulter zu legen, um sie zu beruhigen oder zu ungeahnten Gefühlsausbrüchen zu animieren. Wenn der Knabe Yniold zu seinen Füßen kauert und mit seinem goldenen Ball spielt, neigt sich Fischer wohlwollend herab wie Großvater Arkel. Pelléas und Mélisande kriechen vor ihm durch das Gestrüpp, als könne das kindliche Spiel mithilfe des Mannes am Pult noch eine Weile vor dem Ausbruch der todbringenden Liebe im Eifersuchtswahn Golauds bewahrt werden.

Ein solches Konzept der unkonventionellen Zusammenfügung von Orchesterklang und Bühnengeschehen, bei dem die Musik buchstäblich Gestalt annimmt und als klingender Zauberwald zum Protagonisten wird, setzt freilich ein jede Klangnuance somnambul erfassendes Orchester, aber auch ein reaktionsschnelles, intelligentes Ensemble von Sängerdarstellern voraus, auf das Iván Fischer in der vor einiger Zeit von ihm ins Leben gerufenen Operngesellschaft bei dieser Koproduktion mit dem Spoleto Festival dei Due Mondi und dem Opernfestival in Vicenza zurückgreifen kann. Der Schweizer Tenor Bernard Richter verfügt über ebenso viel Erfahrung als jugendlich-scheuer Pelléas wie in der Zusammenarbeit mit Iván Fischer. Man merkt es in jeder Szene der vokalen Präsenz und einem differenzierten Rollenverständnis an. In seiner virile Sicherheit ausstrahlenden und zugleich auf alle mysteriösen Gefühlsschwankungen seiner Umgebung reagierenden Persönlichkeit kann selbst die schwerelos lyrische Sopranistin Patricia Petibon als irritierend autistische Mélisande Halt finden.

Man kann Pelléas und Mélisande auch mit dunkler timbrierten Stimmen besetzen. Hier bilden die jugendlich-hellen Titelpartien einen angemessenen Kontrast zu einem Ensemble, in dem es keine schwach besetzten Rollen gibt: mit einem an seinem aus der Zeit gefallenen Beschützerinstinkt wie seiner rasenden Eifersuchtsmanie verzweifelnden Bariton Tassis Christoyannis als Golaud, dem alle menschlichen Katastrophen an seinem Hof mit sonor-aufrichtigem Bass überspielenden Nicolas Testé als König Arkel, Yvonne Naef als gütige Geneviève, die ihre Verzweiflung an den beiden Söhnen Pelléas und Golaud mit standesgemäßem Stolz verbirgt, mit Peter Harvey als Arzt, dessen sonorer Bariton den Lauf des Schicksals auch nicht aufhalten kann, und schließlich einem erstaunlichen intonationssicheren Knabensopran, Oliver Michael, von der Londoner Trinity School als Yniold.

Die bemerkenswert geschlossene Produktion wird am 16. September auch in der Elbphilharmonie zu erleben sein.

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