Hendrix Fans werden begeistert sein! Dieses neue Album People, Hell & Angels enthält 12 bisher unveröffentlichte Studioaufnahmen aus den Jahren 1968 - 70. Trotz des enormen Erfolges mit seiner Jimi Hendrix Experience ruhte er sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern begann `68 sich hinter den Kulissen schon mit neuen Sounds und musikalischen Stilrichtungen weiter zu entwickeln. Zusammen mit alten Freunden experimentierte er mit für ihn neuartigen Instrumenten und Stilrichtungen.
Verschiedene Besetzungen brachten neue Tracks hervor, die für Hendrix sehr untypische Elemente enthielten, wie etwa den Einsatz von Bläsern, Keyboards, Percussion und man höre und staune - sogar einer zweiten Gitarre. Man bekommt einen spannenden Einblick in die Zukunftspläne der Gitarrenlegende. People, Hell & Angels war, als Nachfolger für Electric Ladyland geplant, definitiv der erste große Schritt in einen bahnbrechenden Stilwechsel. Mit veränderter Rhythmussektion und Instrumentierung war er auf dem Weg, neue, für ihn endlos scheinende musikalische Horizonte zu erschließen. Folgende unveröffentlichte Hendrix-Tracks sind auf People, Hell & Angels zu hören: "Earth Blues", "Somewhere", uvm.
Verschiedene Besetzungen brachten neue Tracks hervor, die für Hendrix sehr untypische Elemente enthielten, wie etwa den Einsatz von Bläsern, Keyboards, Percussion und man höre und staune - sogar einer zweiten Gitarre. Man bekommt einen spannenden Einblick in die Zukunftspläne der Gitarrenlegende. People, Hell & Angels war, als Nachfolger für Electric Ladyland geplant, definitiv der erste große Schritt in einen bahnbrechenden Stilwechsel. Mit veränderter Rhythmussektion und Instrumentierung war er auf dem Weg, neue, für ihn endlos scheinende musikalische Horizonte zu erschließen. Folgende unveröffentlichte Hendrix-Tracks sind auf People, Hell & Angels zu hören: "Earth Blues", "Somewhere", uvm.
CD | |||
1 | Earth Blues | 00:03:34 | |
2 | Somewhere | 00:04:06 | |
3 | Hear My Train A Comin' | 00:05:42 | |
4 | Bleeding Heart | 00:03:58 | |
5 | Let Me Move You | 00:06:50 | |
6 | Izabella | 00:03:43 | |
7 | Easy Blues | 00:05:57 | |
8 | Crash Landing | 00:04:15 | |
9 | Inside Out | 00:05:04 | |
10 | Hey Gypsy Boy | 00:03:39 | |
11 | Mojo Man | 00:04:07 | |
12 | Villanova Junction Blues | 00:01:48 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2013Glaube + Elektrizität = Jimi Hendrix
Bekenntnisse eines Voodoo-Priesters: Das aus dem Jimi-Hendrix-Nachlass ausgegrabene Album "People, Hell & Angels" zeigt den Gitarristen als Seelenfänger.
Der wild man of pop - auch so ein beliebtes Jimi-Hendrix-Klischee - als Prophet: Am 7. Juli 1969 in der "Dick Cavett Show" auf ABC-TV nutzte der Gitarrist die Gelegenheit, einem Millionenpublikum seine Rock-Religion zu erklären: "Glaube kommt durch Elektrizität zu den Menschen. Deshalb spielen wir so laut. Wir wollen aber nicht nur die Trommelfelle attackieren wie die meisten anderen Gruppen mit ihrem schrillen, harten Sound. Wir planen, mit unserer Klangintensität in die Seele einer Person einzudringen."
Jimi Hendrix kam hier auf das Geheimnis seiner Faszinationskraft zu sprechen. Dieses Sound-Mysterium, das sich beim Hören seiner Platten erst ab einer bestimmten Lautstärke entwickelt, war für viele Besucher seiner Konzerte unmittelbar erlebbar. Kein anderer Rockgitarrist vor oder nach ihm erreichte eine solch schwerelose Einheit von körperlichen Bewegungen und der Dynamik seiner Sounds. In den besten Momenten völlig anstrengungs- und zugleich zügellos in der Gestik seines Spiels, transformierte er seine personale Gestalt in Klanggestalten, die den Zuhörer heimsuchten. Dabei verschmolz seine physische Präsenz oft bis zur Ununterscheidbarkeit mit seinem Ausdrucksmedium Gitarre.
Nur einen Monat nach seiner Verkündigung bei Cavett ging Jimi Hendrix mit seinem gerade formierten und erstmals auf dem Woodstock-Festival vorgestellten Sextett Gypsy Sun & Rainbows ins New Yorker Hit-Factory-Studio, um das Potential der neuen Formation auszureizen. Ihm schwebte in diesen Tagen ein völlig neues Band-Konzept vor: ein loser Verbund von Musikern, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter nach dem Vorbild einer Kooperative, wie sie zum Beispiel der Free-Jazz-Pionier Sun Ra mit seinem Arkestra realisiert hatte. Mit einem solchen Ensemble wollte er seine musikalischen Ideen erproben und experimentell verfeinern, um dem Ideal künstlerischer Vorläufigkeit gerecht zu werden.
Neben Billy Cox am Bass und dem ebenfalls befreundeten Memphis-Gitarristen Larry Lee waren jetzt noch die beiden Perkussionisten Jerry Velez und Juma Sultan mit von der Partie. Der Schlagzeuger Mitch Mitchell erinnerte sich später mit Schrecken an die ziel- und formlosen Proben: Was locker wirken sollte, klang oft schlampig. Und dennoch ging mit dem "Easy Blues" - den Titel muss jeder Gitarrist als blanke Ironie empfinden - ein musikalisches Meisterwerk aus den Sessions des Sextetts hervor. Veröffentlicht wurde dieses lange verschollene Juwel jetzt auf dem Album "People, Hell and Angels", das mit zwölf unveröffentlichten Aufnahmen vornehmlich aus dem Jahr 1969 die anhaltende Aktualität von Hendrix belegt. Mit lässig dahinfließender Jazzphrasierung, einem kehligen Gitarrenton und aberwitzigen Repetitionsfiguren in den höchsten Lagen gelingt ihm hier eines seiner eindringlichsten Instrumentalstücke. Vor allem die traumwandlerische Interaktion mit Lee an der Rhythmusgitarre eröffnet im Werk von Hendrix ganz neue Perspektiven. Nicht zuletzt Mitchell unterstreicht im "Easy Blues" mit seiner subtilen und zugleich hochenergetischen Trommelsprache die These, dass er eigentlich ein verhinderter Jazzschlagzeuger in einer Rockband ist. Neben eher durchschnittlichem Füllmaterial wie "Izabella", dem sehr funkigen "Crash Landing" oder "Inside Out" mit Hendrix an Gitarre und Bass finden sich auf dem neuen Album weitere glitzernde Stücke, die seine stilistische Neuorientierung in jenen Monaten dokumentieren.
Eine Art Soul-Funk, der gleichwohl aus der Gefühlstiefe des Blues schöpfen sollte, wollte Hendrix damals ausprobieren. Ergebnis dieser offensiven Hinwendung zu populären Stil- und Spielformen der Black Music sind die Stücke "Let Me Move You" und "Mojo Man". Ersteres, aufgenommen im März 1969, war bisher in der gesamten Hendrix-Literatur unbekannt und präsentiert neben Orgel, Bass, Schlagzeug und Perkussion den alten Weggefährten von 1963, den Saxophonisten Lonnie Youngblood im Studio. Dessen Tenorsaxophon-Intro klingt wie eine E-Gitarre auf Speed. Mit giftigen Stakkato-Licks und losgelöstem Soul-Gesang provoziert Youngblood seinen Gitarren-Freund zu hypnotischen Höhenflügen. Stellenweise durchmischen sich die Schreie der Stimme und das melodische Kreischen der Gitarre bis zur Ununterscheidbarkeit.
Von ganz anderem Kaliber ist der Rhythm & Blues-Kracher "Mojo Man" - eigentlich eine Aufnahme der Ghetto Fighters um die Brüder Albert und Arthur Allen. Die hatten das Stück bereits seit Monaten im Kasten, als Hendrix in seinem endlich eröffneten Studio Electric Ladyland im August 1970 ihnen den Vorschlag machte, diesem eher braven Song eine neue, unerhörte Wendung zu geben. Allein durch die sprachähnliche Begleitung seiner oft saxophonähnlich klingenden Gitarre schafft Hendrix hier eine Art psychedelischer Transformation. Heraus kommt ein zügellos rockender Hybrid aus Black-Power-Manifest und elektrischem Voodoo.
Endlich ist jetzt auch die Blaupause der wundervollen Ballade "Hey Baby (New Rising Sun)" vom "Rainbow Bridge"-Album zu bewundern. In dem zärtlichen, noch behutsam tastenden "Hey Gypsy Boy" vom März 1969 gibt Hendrix einmal mehr ein Beispiel seines melodischen Ingeniums: Die Intimität der in sich kreiselnden Klangfiguren scheint nicht mehr von dieser Welt zu sein - schlichtweg magisch. Doch der Höhepunkt des neuen Albums dürfte für viele die 1968er-Version von "Somewhere" mit Stephen Stills an der Bassgitarre sein. Ursprünglich für das "Electric Ladyland"-Album vorgesehen, fasziniert die erst kürzlich entdeckte Trio-Aufnahme mit Buddy Miles am Schlagzeug durch Hendrix' überbordende Eloquenz am Wah-Wah-Effektgerät. Spätestens hier wird spürbar, was Jimi Hendrix mit seinem "Glauben durch Elektrizität" gemeint haben könnte: Der Sound mit seinen kalkulierten Ober- und Differenztönen "fasst" den Hörer unmittelbar an, löst im Idealfall mit seinen Schwingungen im Einzelnen ungeahnte Imaginationen aus.
PETER KEMPER
Jimi Hendrix, People, Hell and Angels
Sony Music / Legacy 41898
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bekenntnisse eines Voodoo-Priesters: Das aus dem Jimi-Hendrix-Nachlass ausgegrabene Album "People, Hell & Angels" zeigt den Gitarristen als Seelenfänger.
Der wild man of pop - auch so ein beliebtes Jimi-Hendrix-Klischee - als Prophet: Am 7. Juli 1969 in der "Dick Cavett Show" auf ABC-TV nutzte der Gitarrist die Gelegenheit, einem Millionenpublikum seine Rock-Religion zu erklären: "Glaube kommt durch Elektrizität zu den Menschen. Deshalb spielen wir so laut. Wir wollen aber nicht nur die Trommelfelle attackieren wie die meisten anderen Gruppen mit ihrem schrillen, harten Sound. Wir planen, mit unserer Klangintensität in die Seele einer Person einzudringen."
Jimi Hendrix kam hier auf das Geheimnis seiner Faszinationskraft zu sprechen. Dieses Sound-Mysterium, das sich beim Hören seiner Platten erst ab einer bestimmten Lautstärke entwickelt, war für viele Besucher seiner Konzerte unmittelbar erlebbar. Kein anderer Rockgitarrist vor oder nach ihm erreichte eine solch schwerelose Einheit von körperlichen Bewegungen und der Dynamik seiner Sounds. In den besten Momenten völlig anstrengungs- und zugleich zügellos in der Gestik seines Spiels, transformierte er seine personale Gestalt in Klanggestalten, die den Zuhörer heimsuchten. Dabei verschmolz seine physische Präsenz oft bis zur Ununterscheidbarkeit mit seinem Ausdrucksmedium Gitarre.
Nur einen Monat nach seiner Verkündigung bei Cavett ging Jimi Hendrix mit seinem gerade formierten und erstmals auf dem Woodstock-Festival vorgestellten Sextett Gypsy Sun & Rainbows ins New Yorker Hit-Factory-Studio, um das Potential der neuen Formation auszureizen. Ihm schwebte in diesen Tagen ein völlig neues Band-Konzept vor: ein loser Verbund von Musikern, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter nach dem Vorbild einer Kooperative, wie sie zum Beispiel der Free-Jazz-Pionier Sun Ra mit seinem Arkestra realisiert hatte. Mit einem solchen Ensemble wollte er seine musikalischen Ideen erproben und experimentell verfeinern, um dem Ideal künstlerischer Vorläufigkeit gerecht zu werden.
Neben Billy Cox am Bass und dem ebenfalls befreundeten Memphis-Gitarristen Larry Lee waren jetzt noch die beiden Perkussionisten Jerry Velez und Juma Sultan mit von der Partie. Der Schlagzeuger Mitch Mitchell erinnerte sich später mit Schrecken an die ziel- und formlosen Proben: Was locker wirken sollte, klang oft schlampig. Und dennoch ging mit dem "Easy Blues" - den Titel muss jeder Gitarrist als blanke Ironie empfinden - ein musikalisches Meisterwerk aus den Sessions des Sextetts hervor. Veröffentlicht wurde dieses lange verschollene Juwel jetzt auf dem Album "People, Hell and Angels", das mit zwölf unveröffentlichten Aufnahmen vornehmlich aus dem Jahr 1969 die anhaltende Aktualität von Hendrix belegt. Mit lässig dahinfließender Jazzphrasierung, einem kehligen Gitarrenton und aberwitzigen Repetitionsfiguren in den höchsten Lagen gelingt ihm hier eines seiner eindringlichsten Instrumentalstücke. Vor allem die traumwandlerische Interaktion mit Lee an der Rhythmusgitarre eröffnet im Werk von Hendrix ganz neue Perspektiven. Nicht zuletzt Mitchell unterstreicht im "Easy Blues" mit seiner subtilen und zugleich hochenergetischen Trommelsprache die These, dass er eigentlich ein verhinderter Jazzschlagzeuger in einer Rockband ist. Neben eher durchschnittlichem Füllmaterial wie "Izabella", dem sehr funkigen "Crash Landing" oder "Inside Out" mit Hendrix an Gitarre und Bass finden sich auf dem neuen Album weitere glitzernde Stücke, die seine stilistische Neuorientierung in jenen Monaten dokumentieren.
Eine Art Soul-Funk, der gleichwohl aus der Gefühlstiefe des Blues schöpfen sollte, wollte Hendrix damals ausprobieren. Ergebnis dieser offensiven Hinwendung zu populären Stil- und Spielformen der Black Music sind die Stücke "Let Me Move You" und "Mojo Man". Ersteres, aufgenommen im März 1969, war bisher in der gesamten Hendrix-Literatur unbekannt und präsentiert neben Orgel, Bass, Schlagzeug und Perkussion den alten Weggefährten von 1963, den Saxophonisten Lonnie Youngblood im Studio. Dessen Tenorsaxophon-Intro klingt wie eine E-Gitarre auf Speed. Mit giftigen Stakkato-Licks und losgelöstem Soul-Gesang provoziert Youngblood seinen Gitarren-Freund zu hypnotischen Höhenflügen. Stellenweise durchmischen sich die Schreie der Stimme und das melodische Kreischen der Gitarre bis zur Ununterscheidbarkeit.
Von ganz anderem Kaliber ist der Rhythm & Blues-Kracher "Mojo Man" - eigentlich eine Aufnahme der Ghetto Fighters um die Brüder Albert und Arthur Allen. Die hatten das Stück bereits seit Monaten im Kasten, als Hendrix in seinem endlich eröffneten Studio Electric Ladyland im August 1970 ihnen den Vorschlag machte, diesem eher braven Song eine neue, unerhörte Wendung zu geben. Allein durch die sprachähnliche Begleitung seiner oft saxophonähnlich klingenden Gitarre schafft Hendrix hier eine Art psychedelischer Transformation. Heraus kommt ein zügellos rockender Hybrid aus Black-Power-Manifest und elektrischem Voodoo.
Endlich ist jetzt auch die Blaupause der wundervollen Ballade "Hey Baby (New Rising Sun)" vom "Rainbow Bridge"-Album zu bewundern. In dem zärtlichen, noch behutsam tastenden "Hey Gypsy Boy" vom März 1969 gibt Hendrix einmal mehr ein Beispiel seines melodischen Ingeniums: Die Intimität der in sich kreiselnden Klangfiguren scheint nicht mehr von dieser Welt zu sein - schlichtweg magisch. Doch der Höhepunkt des neuen Albums dürfte für viele die 1968er-Version von "Somewhere" mit Stephen Stills an der Bassgitarre sein. Ursprünglich für das "Electric Ladyland"-Album vorgesehen, fasziniert die erst kürzlich entdeckte Trio-Aufnahme mit Buddy Miles am Schlagzeug durch Hendrix' überbordende Eloquenz am Wah-Wah-Effektgerät. Spätestens hier wird spürbar, was Jimi Hendrix mit seinem "Glauben durch Elektrizität" gemeint haben könnte: Der Sound mit seinen kalkulierten Ober- und Differenztönen "fasst" den Hörer unmittelbar an, löst im Idealfall mit seinen Schwingungen im Einzelnen ungeahnte Imaginationen aus.
PETER KEMPER
Jimi Hendrix, People, Hell and Angels
Sony Music / Legacy 41898
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main