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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2021

Barocker Wettstreit
FRANKFURT Lezhneva und von Otter beim Bachkonzert

Gleich mit den ersten Tönen erzeugt das "Stabat mater" von Giovanni Battista Pergolesi einen Gänsehauteffekt und lässt die Hörer sofort mitempfinden: mit einer Mutter, die ihren schuldlos zum Tode verurteilten Sohn qualvoll sterben sieht. Mit schmerzlich geschärften Dissonanzen und fahlem, gedecktem Klang machen die Streicher der Berliner Barocksolisten ebenso wie Julia Lezhneva und Anne Sofie von Otter im Zwiegesang das Leiden Marias unter dem Kreuz zum Sinnbild für menschliches Leid schlechthin. Hinter diesen Gedanken und der feinen Abstimmung tritt zunächst ganz zurück, dass mit den Sängerinnen zwei in Erscheinung, Körpersprache und Interpretationsansatz völlig verschiedene Weltstars bei den Frankfurter Bachkonzerten in der Alten Oper zueinanderfanden.

In den Arien des nur für die zwei Solostimmen, Streicher und Continuo gesetzten Werks, das Pergolesi wenige Wochen vor seinem frühen Tod 1736 komponierte, fallen die Unterschiede stärker auf: hier die in der Alten Musik überaus erfahrene russische Sopranistin, die mit einer riesigen Stimme im zierlichen Körper kerzengerade Töne produziert und ohne Vibrato dramatische Wirkungen im Sinne barocker Affekte erzielt - dort die hochgewachsene, lockerer wirkende Schwedin, die stilistisch weniger spezialisiert ist und den subjektiven Zugang sucht. Als Mezzosopranistin klingt sie vor allem in der Tiefe der Alt-Partie tonschwächer. Ausdruckstiefe erreichen beide Sängerinnen, aber mit divergierenden Mitteln.

Im zweiten Programmteil drängt sich mit Arien aus Opern von Vivaldi und Händel tatsächlich der Eindruck eines Primadonnen-Wettstreits auf. Dass Lezhneva im Hinblick auf die virtuosen Koloraturen solcher Barockmusik außer Konkurrenz steht, zeigt sich mit der aberwitzigen Arie "Agitata da due venti" aus "La Griselda" von Vivaldi eindrucksvoll: Das macht der 31 Jahre alten Sopranistin in dieser Präzision und Leichtigkeit derzeit keine Kollegin nach. Dass die 35 Jahre ältere Anne Sofie von Otter sich dennoch mit einer wenn auch nicht ganz so rasenden Arie aus Händels "Semele" dem direkten, quasi sportlichen Vergleich stellt, wirkt insofern mutig. Deutlich wird da noch einmal besonders, mit welch einem agilen Körpereinsatz sie sich als Bühnendarstellerin solcher Musik nähert.

In der milden Art ihrer Aufführungspraxis schaffen die Berliner Barocksolisten unter der Leitung ihres Konzertmeisters Willi Zimmermann zwischendurch Atempausen für die Solistinnen: mit einzelnen Sätzen aus Concerti grossi von Händel, Vivaldi und Locatelli, die zeigen, wie diese Komponisten instrumentale Schwierigkeiten ebenso schonungslos auf Singstimmen übertrugen. Die Zugabe ist dann das Duett "O lovely peace" aus Händels Oratorium "Judas Maccabaeus".

GUIDO HOLZE

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