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Pink Friday...Roman Reloaded
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Produktdetails
Trackliste
CD
1Roman Holiday (Album Version (Explicit))00:04:06
2Come On A Cone (Album Version (Explicit))00:03:05
3I Am Your Leader (Album Version (Explicit))00:03:34
4Beez In The Trap (Album Version (Explicit))00:04:28
5HOV Lane (Album Version (Explicit))00:03:13
6Roman Reloaded (Album Version (Explicit))00:03:17
7Champion (Album Version (Explicit))00:04:56
8Right By My Side (Album Version (Explicit))00:04:25
9Sex In The Lounge (Album Version (Explicit))00:03:28
10Starships00:03:54
11Pound The Alarm00:03:27
12Whip It (Album Version (Explicit))00:03:16
13Automatic (Album Version (Explicit))00:03:18
14Beautiful Sinner (Album Version (Explicit))00:03:47
15Marilyn Monroe (Album Version (Explicit))00:03:16
16Young Forever (Album Version (Explicit))00:03:07
17Fire Burns (Album Version (Explicit))00:03:00
18Gun Shot (Album Version (Explicit))00:04:40
19Stupid Hoe (Explicit Version)00:03:17
20Turn Me On00:03:20
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Alter, Ego!
Nicki Minaj und die leidige Frage nach der Frau im Rap

Kanye West, dieser verhaltensauffällige und unglaublich erfolgreiche Hiphop-Künstler aus Amerika, hat einmal über die Rapperin Nicki Minaj gesagt, sie habe das Zeug dazu, nach Eminem der beste Rapper der Welt zu werden, was eine Riesenauszeichnung ist. Das wirklich Tolle aber an dem Rapper-Ranking Kanye Wests ist, dass Nicki Minaj eindeutig kein Rapper, sondern eine Rapperin ist.

Und so hat die Aussage von Kanye West die jahrzehntelang praktizierte Können-Fra uen-so-gut-wie-Männer-rappen-und-wenn-ja-warum-tun-sie-es-nicht?-Theorie für einen Moment lang überflüssig gemacht, einfach so und ohne eine Frage offenzulassen. Für gewöhnlich geht man mit dem Thema nämlich anders um. Nahezu ausnahmslos wurde (und wird) das Frausein der Rapperinnen in jedem Artikel thematisiert: die Rolle der Frau im Hiphop, die Sexualisierung der Frau im Hiphop, die Unterdrückung der Frau im Hiphop etc., und auch dieser Text macht, was er eigentlich nicht will, nämlich die Rolle der Frau im Hiphop thematisieren.

Viel folgerichtiger wäre es ja, als Ausdruck der wirklich vollzogenen Rapperinnen-Emanzipation zu jubilieren: "Wahnsinn, hören Sie sich sofort an, wie gut diese Frau rappen kann" - aber das geht natürlich nicht, wie sieht denn das bitte aus, es fehlt ja nur noch, dass man hinterher ruft: "Wahnsinn, hören Sie sich sofort an, wie gut diese Frau für eine Frau rappen kann." Zum Vergleich: "Wahnsinn, hören Sie sich sofort an, wie gut dieser Mann rappen kann" - da denkt kein Mensch irgendwas Diskriminierendes, da denkt man höchstens: "Aha, da kann also einer wirklich gut rappen."

Wie also kann ein wertfreier, das Geschlecht weder implizit noch explizit thematisierender Satz über das Rappen von Nicki Minaj gelingen? Wie schafft man es der Können-Frauen-so-gut-wie-Männer-rappen-und-wenn-ja-warum-tun-sie-es-nicht ?-Theorie einmal keine Beachtung zu schenken und ausschließlich über den künstlerischen Wert von Nicki Minajs Arbeit zu schreiben?

Also, noch ein Versuch: "Wahnsinn, hören Sie sich sofort an, wie gut diese(r) Mensch und Rapperin rappen kann." Natürlich unmöglich und viel zu kompliziert. Deswegen muss die einzig praktikable Lösung lauten: "Wahnsinn, hören Sie sich sofort an, wie gut der Rapper Nicki Minaj rappen kann" - kein Verdacht, keine Theorie, es kann ab sofort und endlich um Nicki Minaj gehen, um welche es ja schon seit Beginn dieses Textes gehen soll, aber leider eben doch immer noch nicht gehen kann, weil Nicki Minaj eine Frau beziehungsweise Rapperin ist und es nicht korrekt wäre, das einfach zu übergehen, da bekommt man sofort Leserbriefe.

Anhand dieser Versuchsanordnung ist somit also klargeworden, dass die KFsgwMruwjwtsen?-Theorie immer anwesend ist, auch wenn man so tut, als wäre sie abwesend, weil es ungleich weniger weibliche als männliche Rapper gibt und die Männer aus komplizierten Gründen mehr Zeit hatten, die sogenannte Kulturtechnik des Rappens einzuüben, weswegen es tatsächlich weniger gute weibliche als männliche Rapper gibt, und das ist jetzt wirklich nicht sexistisch gemeint. Und genau deswegen ist die Aussage Kanye Wests so erfreulich und neu: Nicki Minaj und Eminem spielen in einer Liga, Geschlecht egal, zack, aus, Ende.

Nun, nach der widerwillig dargelegten KFsgwMruwjwtsen?-Theorie, ist also endlich Zeit für das Verehren von Nicki Minaj, welche, und vielleicht ist das ihr Geheimnis, viele Persönlichkeiten in sich trägt, auch männliche, und die, wie gesagt, wahnsinnig gut rappen kann. Nicki Minaj heißt eigentlich Onika Tanya Maraj und wurde 1982 in Saint James, Trinidad/Tobago geboren, wo sie bei ihrer Großmutter lebte, mit fünf zog sie dann nach New York zu ihrer Mutter und ihrem drogenabhängigen Vater. Die Eltern stritten so viel, dass Nicki Minaj sich in eine Phantasiewelt flüchtete, wo sie begann, verschiedene Charaktere zu erschaffen, mit denen sie sich unterhielt.

Heute macht sie das immer noch und bekommt dafür viel Geld und sogar Doppelplatin. Sie benutzt ihre Stimme wie ein Instrument, sie wechselt den Akzent, die Stimmlage und das Tempo, sie ist mal Frau, mal Mann, mal Barbie, mal Bad Guy. Die Charaktere, wie etwa Nicki (süßes, liebes Mädchen), Roman Zolanski (böser Krawallbruder, manchmal auch Schwester) oder Romans Mutter Martha (sehr anständig, spricht mit Cockney-Akzent) wohnen in ihr, sie streiten und passen aufeinander auf, was ein bisschen wie von einem systemischen Verhaltenstherapeuten beigebracht klingt, aber das ist egal, denn es hört sich kunstfertig und souverän an.

Ebenso meisterhaft, wie Nicki Minaj mit ihren Alter Egos spielt, beherrscht sie ihr öffentliches Bild: eine sich fortwährend verändernde Kunstfigur, die absurde Perücken trägt, deren Mimik und Gestik einem Comic entlehnt zu sein scheinen und die oft kaum wiederzuerkennen ist. Deswegen wird sie häufig als die Lady Gaga des Raps bezeichnet, aber Nicki Minaj ist anders als Lady Gaga nicht androgyn, sondern betont weiblich.

Andere Rapperinnen wie zum Beispiel Queen Latifah, hatten, um als Frauen ernst genommen zu werden, die Strategie entwickelt, ganz einfach wie Männer auszusehen. Nicki Minaj hingegen zeigt ihre Weiblichkeit, wo es geht, ohne Reue, und zwar, weil sie sie beherrscht: Als Dompteurin ihrer Rap-Identitäten und ihrer Erscheinung ist sie kein passives, Porno-Rap nachbrabbelndes Hasi, sondern ein Souverän, der nicht in Abgrenzung zum Männlichen agiert. Dabei wird alles vollkommen wirr und widersprüchlich gemischt: Sie zeigt sich in beinverdrehter Barbie-Pose mit devotem Ich-bin-dein-Sexobjekt-Gesicht, dann wieder kritisiert sie öffentlich die Sexualisierung von Frauen.

In ihren Texten phantasiert sie über lesbischen Sex, gerne erzählt sie, sie sei "gay", Männer mag sie aber auch. Schwule Männer lieben sie dafür, vielleicht lieben sie aber auch, dass sie aussieht wie eine Drag Queen. Jedenfalls hören sie ihre Musik, und insofern hilft Nicki Minaj, den traditionell schwulenfeindlichen Rap für Schwule ein wenig zu öffnen.

Außerdem bringt sie damit etwas auf den Punkt: Identität, in diesem Fall weibliche, ist nicht einfach, sondern vielfältig. Mal ist man Subjekt, dann will man - auch wenn das nicht politisch korrekt ist - Objekt sein; man hat Anteile, die typischerweise als weiblich gelten, aber auch solche, die männlich genannt werden, und das ist insgesamt überhaupt kein Problem und nur insofern ein Widerspruch, als er gemeinhin als einer bezeichnet wird - weswegen es absolut zulässig ist zu sagen: Nicki Minaj ist ein Rapper, die wahnsinnig gut ist.

ANTONIA BAUM

"Pink Friday: Roman Reloaded" ist bei Universal erschienen.

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