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Produktdetails
Trackliste
CD
1The Painter00:04:36
2No Wonder00:05:45
3Falling Off The Face Off The Earth00:03:35
4Far From Home00:03:47
5It's A Dream00:06:31
6Prairie Wind00:07:34
7Here For You00:04:32
8This Old Guitar00:05:32
9He Was The King00:06:08
10When God Made Me00:04:05
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2005

Der Wind weht, wohin er will
Ach, der wieder: Neil Young wandert durchs eigene Zeichensystem

Legt man eine neue Platte von Neil Young auf, erkennt man sofort, daß es sich um Musik von Neil Young handelt. Das ist nicht nur eine Banalität. Auch andere Rockmusiker lassen sich wiedererkennen, sogar, wenn ihre Karriere einen ähnlich großen Zeitraum umspannt wie die des Kaliforniers aus Kanada: inzwischen vierzig Jahre. Andere Musiker erkennt man an ihrer Stimme wieder, der Art, Gitarre zu spielen, womöglich auch daran, wie sie eine einmal gefundene Songstruktur mehr oder weniger einfallsreich variieren. Das alles ist auch bei Neil Young so. Doch bei ihm kommt eine weitere Dimension hinzu: In seinen Songs ist man sofort zu Hause. Es ist nicht allzu übertrieben zu behaupten: Seine Welt ist die Welt des Rock.

Das Coverfoto des Albums "Prairie Wind" zeigt die Weite der Prärie im Mittleren Westen, redneck country. Eine Frau hängt ein Bettuch auf. Das Tuch weht im Wind. Im Hintergrund ist vage eine Hügelkette zu erkennen. Davor stehen zwei Getreidesilos. Man hört die Musik noch vor dem ersten Ton: Neil-Young-Musik. Die übrigen Bilder des CD-Umschlags zeigen Wetterleuchten am Nachthimmel, ein altes Auto vor einem Motel-Schild und eine Gitarre, zerkratzt vom jahrelangen Gebrauch. Es sind Chiffren für Youngs Kosmos, wie er ihn sich entworfen hat: die Mächte der Natur, einfache Geschichten von einfachen Menschen, Lieder. Die ersten Töne, das wie dahingestolperte Riff der akustischen Gitarre, das satte Schmatzen des Schlagzeugs, das Wimmern der Slide-Gitarre, und man erkennt wieder, was man schon immer wußte: Ein Song von Neil Young ist ein Song von Neil Young.

Selten lag es näher, eines der inzwischen reichlich drei Dutzend Alben des bald Sechzigjährigen für pure Selbstparodie zu halten. Schon der erste Song, "The Painter", klingt wie tausendmal gehört, die Melodie, das Arrangement, die näselnde Stimme, der Text. "It's a long road behind me, it's a long road ahead" - das ist die Quintessenz des Refrains. Die Strophen erzählen von einer Malerin und ihren Farben und münden unversehens in die Feststellung, man gerate in Gefahr, sich zu verlieren, wenn man versuche, jedem seiner Träume zu folgen. Botschaften für Bestätigungsnicker, unendlich weise, entsetzlich banal. Und das Schlußstück, sonst auf Youngs Platten oft der stärkste Eindruck, ist ein Gospelsong von geradezu himmelschreiender Naivität: "When God Made Me", eine Symphonie für Klavierschüler, Summchor und Blechblasverein.

"Prairie Wind" schließt nach Youngs Willen eine Trilogie ab, die in der frühen Phase seiner Solokarriere mit dem Album "Harvest" (1972) begann, seinem bis heute größten kommerziellen Erfolg. "Harvest" tönt in der Erinnerung als irrwitziges Kaleidoskop aus Liedern zwischen anrührender Innerlichkeit, trotzigem Aufbegehren und weltenumarmendem Pathos. Zwanzig Jahre später ließ er "Harvest Moon" folgen, das schon im Titel annoncierte Remake; und wie es Wiederaufbereitungen oft eignet: Es kam über eine Art Schattenriß des Originals nicht hinaus. Young, der Selbstironie weitgehend unverdächtig, ließ sich auf dem Cover als Vogelscheuche vor dramatisch leuchtendem Himmel abbilden: Dieser Mann ist sein eigenes Zeichensystem.

Das neue Album entstand dort, wo er "Harvest" aufgenommen hatte, das als ewige Leistung einen neuen Ton in den amerikanischen Country-Rock brachte: in Nashville, seit je Heimat der Lordsiegelbewahrer einer stockkonservativen Variante dieses uramerikanischen Musikstils. Für "Prairie Wind" hat Young dort neuerlich einige der Musiker um sich geschart, die ihn bereits bei den Aufnahmen von "Harvest" und "Harvest Moon" begleiteten. Auch solche Fortschreibungen und Querverweise finden sich immer wieder in Youngs konzentrisch um sich selbst kreisendem Universum. So kann es nicht verwundern, daß die neue Musik klingt wie ein Querschnitt durch einen Ausschnitt aus dem Gesamtwerk. "Prairie Wind" fügt dem Werk keine Facetten hinzu, die zehn Songs sind mit dem ersten Hören Werk geworden, Stützen des Fundaments. Und im Grunde ist es auch längst gleichgültig, ob Young wie hier mit Folk-, Country- und wieder einmal rauhen Rhythm-&-Blues-Mustern spielt. Sein Musizieren tönt seit Ewigkeiten aus einer eigenen Sphäre, unerreichbar für jeden anderen. So klingt nur die Neil-Young-Selbstbestätigungsrockwelt.

ANDREAS OBST

Neil Young, Prairie Wind. Reprise 49593 (Warner)

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