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Der Bruch kam 2019 mit dem Album Putzlicht, mit dem sich Frevert nach fünf Jahren Pause neu erfand, das Korsett des Liedermachers abstreifte. Plötzlich war alles größer und druckvoller, als hätten The War On Drugs seine Schreibklause gestürmt. Pseudopoesie geht noch weiter auch dank des neuen Produzenten Tim Tautorat (Faber, Provinz, Tristan Brusch). Freverts Lieder feuern nicht zum Durchhalten an, spenden keinen Trost, geben keinen Rat. Sie legen sanft den Finger auf die Wunde, da wo Träume verkümmern und Herzen verhärten, schieben dich sachte zur Tür und lassen dich da stehen mit dem…mehr

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Produktbeschreibung
Der Bruch kam 2019 mit dem Album Putzlicht, mit dem sich Frevert nach fünf Jahren Pause neu erfand, das Korsett des Liedermachers abstreifte. Plötzlich war alles größer und druckvoller, als hätten The War On Drugs seine Schreibklause gestürmt. Pseudopoesie geht noch weiter auch dank des neuen Produzenten Tim Tautorat (Faber, Provinz, Tristan Brusch). Freverts Lieder feuern nicht zum Durchhalten an, spenden keinen Trost, geben keinen Rat. Sie legen sanft den Finger auf die Wunde, da wo Träume verkümmern und Herzen verhärten, schieben dich sachte zur Tür und lassen dich da stehen mit dem Schlüssel in der Hand. Das ist große, zuweilen fast schmerzhaft schöne Popmusik, die das Leben und die Menschen ernst nimmt, aus Alltäglichkeiten das Drama unserer Existenz schält und neuerdings immer einen Ausweg bereithält: den radikalen Neuanfang, die Flucht in ein neues Leben, so als Idee. Aufgenommen mit der Live-Besetzung von Putzlicht ist es das erste Mal, dass seine Band zwischen zwei Alben komplett zusammenbleibt. Niels Frevert scheint angekommen zu sein: zwischen den Stühlen, auf der äußeren Umlaufbahn oder einfach nur auf dem Weg zum ewigen Weiter.Tracklisting: 1. Weite Landschaft 2. Fremd In Der Welt 3. Pseudopoesie 4. Rachmaninow 5. Träume Hören Nicht Auf Bei Tagesanbruch 6. Waschbeckenrand 7. Klappern Von Geschirr 8. Tamburin 9. Kristallpalast 10. Ende 17
Trackliste
CD
1Weite Landschaft00:03:42
2Fremd in der Welt00:03:35
3Pseudopoesie00:03:07
4Rachmaninow00:02:36
5Träume hören nicht auf bei Tagesanbruch00:03:28
6Waschbeckenrand00:03:36
7Klappern von Geschirr00:02:18
8Tamburin00:03:07
9Kristallpalast00:02:50
10Ende 1700:04:18
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2023

Vorsicht, Flatterball
Niels Freverts Album "Pseudopoesie"

Für Altfans, die Niels Frevert schon als Sänger der Band Nationalgalerie schätzten oder noch im satten Röhrenverstärker-Rock seines ersten Soloalbums von 1997 schwelgen (Erinnerungsanspieltipp: "Das Letzte deiner Art"), ist sein neuester Sound nicht ganz leicht zugänglich. Alles will in die Fläche jetzt, Ecken und Kanten werden abgeschliffen - das ist symptomatisch für viele Rockmusik- Produktionen heute, man beobachtet es bei elder statesmen wie Bruce Springsteen ebenso wie bei der vom Schrammel- zum Artrock abgebogenen deutschen Gruppe Tocotronic, erst recht aber bei fast allen Jüngeren, die irgendwie noch zum Genre gehören. Sämtliche Instrumente werden durch Filter und Kompressoren geschickt; wo einst klar definierte Schlagzeugklänge waren, etwa krachende Snare, ist jetzt schales Geklicker, das von Drumcomputern fast ununterscheidbar geworden ist - warum dann eigentlich noch echtes Schlagzeug einspielen?

Bei Niels Frevert ist dieses Sounddesign auch deshalb erstaunlich, weil er sich seit dem Album "Du kannst mich an der Ecke rauslassen" (2008) vom Rock ohnehin immer weiter entfernt hatte, stattdessen zu einem Chansonnier erster Klasse geworden war, zuletzt mit dem sehr guten Album "Putzlicht" (F.A.Z. vom 13. Januar 2020).

Aus dem Titelstück seines neuen Albums könnte man nun ohne Weiteres ein Klangsnippet entnehmen, das als Werbemelodie für die nächste Fußball-EM verwendet werde könnte. Aber dann ist da eben auch noch der Titel: "Pseudopoesie". Was möchte der Sänger damit sagen? Aus dem Text erhellt, dass es um in der Umwelt vorgefundene Pseudopoesie geht, etwa solche, die "tätowiert auf einem Innenarm" Platz hat - aber auf einer anderen Ebene ist dieser Text auch selbstreflexiv: Er handelt auf gewitzte Weise von hochkulturellen Vorurteilen gegen Pop-Lyrics. Jeder weiß ja, dass diese manchmal, ihrem Kontext entrissen, recht dürftig wirken können - eingebettet in ein Lied aber überwältigend schön. Das eben lässt sie schillern, macht sie "so flatterhaft wie Flatterband". Oder singt er "Flatterball"? Auch das würde passen, denn immer nehmen Freverts Texte unerwartete Flugkurven. Eben noch setzen sie auf vertraute Metaphern ("blinder Passagier", "sentimentales Souvenir"), dann plötzlich offenbaren sie Bildbrüche: etwa eine "Achterbahnromanze in einem tristen Heile-Welt-Roman".

Der Liedermacher singt auch wieder einmal amüsant von sich selbst: "Kannst Reime suchen, neue finden / Dich drin verschließen und verlieren / Das Alleinsein dir schönreden / Und später lügen in deinen Memoiren." "Pseudopoesie" wird so zu einem Album der Ambivalenzen und des Augenzwinkerns. Der Sound, auf die Spitze getrieben im Synthie-Popsong "Fremd in der Welt" und dem über Electro-Klängen vertonten HamburgGedicht "Ende 17", tritt manchmal in ironische Korrespondenz mit den Texten - handeln sie doch etwa von Leuten, die im Auto noch Kassetten hören. Und dann nicht mal welche mit Popmusik, sondern mit Rachmaninow darauf. Interessant: In welchen Autos, an deren Rückspiegel zwei Würfel baumeln (man denkt an PS-Monster wie in Tarantinos "Death Proof"), erklingen denn Rachmaninow-Klavierkonzerte?

Während man darüber noch nachdenkt, steuert das Album auf seinen überraschenden Höhepunkt zu: Er heißt "Kristallpalast", hat sich das Klanggewand von Klaus Lages "Monopoly" angezogen und wird in diesem gewitzten Retrokostüm sofort zum Ohrwurm. Das Lied beschreibt eine traumhafte Kneipe, in der das lyrische Ich wie eine Art elektrischer Reiter als Entertainer arbeitet, offenbar starkstrombetankt, sieht er doch "immer nur Zwillinge hinter der Bar". Das könnte fast aus einem Hallervorden-Sketch stammen, bekommt dann aber wiederum einen selbstreflexiven und selbstironischen Dreh: "Und ich tanz auf dem Tresen und sing meinen Hit aus den Neunzigern, wenn ihr mich lasst", singt Frevert darin - aber bitte doch, immer gern! Man darf gespannt sein, wie die neuen, teils für den Smartphone-Lautsprecher konzipierten Songs dann live und über einen ordentlichen Verstärker klingen, wenn Frevert in ein paar Tagen endlich wieder auf Tournee geht. JAN WIELE

Niels Frevert:

"Pseudopoesie"

Grönland

CD/LPGRON275

(Rough Trade)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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