Produktdetails
Trackliste
CD
1Quelqu'un m'a dit00:02:46
2Raphael00:02:25
3Tout Le Monde00:03:17
4Noyée00:04:00
5Toi du moi00:03:21
6Ciel dans une chambre00:04:48
7J'en connais00:02:34
8Plus beau de quartier00:03:30
9Chanson triste00:03:31
10Excessive00:03:04
11Amour00:03:06
12Dernière minute00:01:02
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2003

Die Gitarre danach
Das ehemalige Topmodel Carla Bruni stürmt mit ihrem sensationell schönen Debütalbum "Quelqu'un m'a dit" die französischen Charts

Man wäre etwas erstaunt, wenn, sagen wir, Wolfgang Clement mit der Nachricht an die Presse träte, er habe soeben ein schönes Lied für Claudia Schiffer geschrieben, mit dem diese, zur Gitarre singend, demnächst eine Musikerkarriere starten werde. In Frankreich ist man so etwas fast schon gewöhnt: Wer gute Politik macht, darf, soll, muß auch gute Romane schreiben, wer hauptsächlich Romane schreibt wie Michel Houellebecq, kann gerne auch Musik machen, und angesehene Philosophen wie Bernard Henri-Lévy dürfen als verwegenes Philo-Model für "Vanity Fair" posieren, ohne daß das ihrem Ruf schaden würde. Das Renaissanceideal des perfekten Hofmanns, des Cortigiano, der alles: reiten und regieren und dichten und tanzen und malen und singen, können muß, hat sich als gesellschaftliches Leitbild in Frankreich besser in die Moderne hinübergerettet als anderswo, weswegen es von Georges Pompidou über Giscard d'Estaing bis Mitterrand zum guten Ton unter Präsidenten gehörte, auch literarische Abhandlungen, Romane und Gedichte zu verfassen - oder, wie der Wirtschaftsexperte und Spitzenpolitiker Jacques Attali, den Song "Coline" für die Sängerin Barbara zu schreiben. Und in Frankreich ist es auch überhaupt nicht erstaunlich, daß das in Paris aufgewachsene Ex-Model Carla Bruni jetzt eine Karriere als Sängerin beginnt.

Es passiert allerdings nicht häufig, daß Models auch als Sängerinnen einen derartigen Erfolg haben. Naomi Campbells gruseliges Album "Babywoman" landete sehr schnell auf den Ramschtischen, und auch Karen Mulders lauwarme Coverversion des unseligen Diskokrachers "I am what I am" war unter normalen Bedingungen schwer anhörbar.

Bei Carla Bruni ist alles anders: Ihre Musik ist eine Mischung aus Nouvelle Chanson, kühlem Folk und "Catpower" - und fast jedes Lied klingt so, als sei es frühmorgens in einer fast leeren Dachwohnung in der Rue du Bréa nach einer langen Party zwischen umgekippten Weinflaschen und zerknautschten Samtkissen geschrieben worden. Außer ihrer leicht rauhen Stimme und ihrer Gitarre ist nicht viel zu hören - aber beides reicht schon, um das Album zu einer Ausnahmeerscheinung zu machen. Wenn Leonard Cohen eine italienische Tochter hätte, die auf französisch über die Labyrinthe der Liebe und versunkenes Glück singt, dann würde sie vermutlich genau wie Carla Bruni klingen. Ihr Album, das es in Frankreich sofort unter die zehn bestverkauften Neuerscheinungen brachte, lebt vor allem von dem, was bei ihren ehemaligen Berufskolleginnen gnädig überdröhnt oder weggesamplet wird - von ihrer Stimme.

Carla Brunis Stimme, die den völlig aphrodisierten Musikjournalisten Philip Delves Broughton an "Seide, die über Sand gezogen wird" erinnert, ist tatsächlich so erstaunlich, daß man fast die Texte vergißt - Texte, die ein poststrukturalistisches Linguistikseminar über Monate beschäftigen könnten. Bruni ist in ihren Texten eine würdige Nachfolgerin der großen sprachspielerischen Chansonniers, von Charles Aznavour ("For me - formidable") und des Godfathers aller jungen französischen Musiker Serge Gainsbourg ("Annie aime les sucettes, les sucettes à l'anis").

In einem der schönsten Lieder des Albums dekonstruiert Bruni den Namen ihres Lebensgefährten Raphael Enthoven - und heraus kommt eine der schönsten Liebeserklärungen der Nullerjahre: "Em / Quatre consonnes et trois voyelles / C / C'est le prénom de Raphaël / G / Je le murmure à mon oreille / Bm / Et chaque lettre m'émerveille / C'est le tréma qui m'ensorcelle / Dans le prénom de Raphaël." Sie singt vom Blick, der wie Velours ist, von einem Mann wie ein Teufel, von weißen Nächten und den Noten, die nach Honig schmecken im Vornamen ihres Geliebten: "J'aime les notes au goût de miel / Dans le prénom de Raphaël." Es bleibt das Geheimnis der Franzosen, wie sie aus den Winkeln der Sprache und der Metaphern immer wieder großartige surrealistische Liebeserklärungen hervorzaubern, während die deutschen "Ärzte", Verfasser des erfolgreichsten deutschen Liebesliedes des Januars, sich darauf beschränken, der abhanden gekommenen Geliebten die Aufforderung "Bitte / komm zuröööck" hinterherzubölken. Mit Bruni sieht der Januar anders aus: "Pas d'inquiétude, pas de prélude / Pas de promesse à l'éternel / Juste le monde en notre lit / Juste nos vies en arc-en-ciel".

Carla Bruni wurde 1967 in Turin geboren, als Kind einer Pianistin und des Komponisten Alberto Bruni-Tedeschi (ihre Schwester ist die Schauspielerin Valeria Bruni-Tedeschi). Die Familie zog nach Paris, als die Tochter noch sehr jung war. Bruni wuchs in Paris auf, hörte die Rolling Stones, verliebte sich in Mick Jagger, traf statt dessen Louis Bertignac, den Gitarristen der Band Téléphone, mit dem sie heute noch befreundet ist und bei ihrem ersten Album zusammengearbeitet hat. Mit 19 Jahren begann sie ihre Modelkarriere, war auf allen Laufstegen und Hochglanztiteln zu sehen, hatte Affären mit Mick Jagger, Eric Clapton und Vincent Perez und verabschiedete sich rund ein Jahrzehnt später rigoros aus der Branche. Als Model, sagte sie in einem Interview einmal, sei man mit dreißig tot - was nicht daran läge, daß man in diesem Alter nicht mehr gut aussähe: "Mit 35 sehen Frauen in der Regel besser aus als mit 25, aber die Leute langweilt es halt, immer dieselben Gesichter zu sehen."

Für französische Models gibt es dann immer noch einen Weg, nicht in Vergessenheit zu geraten - sie verkörpern die Marianne und landen als Gipsbüste auf dem Regal französischer Dorfbürgermeister, wo sie allerdings auch bald wieder von nachwachsenden Ex-Models vertrieben werden. So erging es Inès de la Fressange, so wird es Laetitia Casta ergehen.

Statt den Weg in die gipserne Ewigkeit anzutreten, fing Carla Bruni an, phantastische Lieder zu schreiben; nur manchmal taucht die Mode noch auf, etwa in "L'amour", einem Lied, das am Ende auch eine versteckte Liebeserklärung an den im vergangenen Jahr aus dem Amt geschiedenen Yves Saint Laurent ist. Die Liebe, singt Bruni, passe nicht zu ihr; der Geschmack des Windes schon oder die süße Haut ihrer Liebhaber, aber nicht die Liebe - denn die sei nicht von Saint Laurent geschneidert und stehe ihr nicht. Einen schöneren Abschied aus der Branche kann man sich nicht wünschen.

NIKLAS MAAK

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