Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 19. November 2021
- Hersteller: I-DI / Warner,
- EAN: 0190296606502
- Artikelnr.: 62420450
CD | |||
1 | Quattro (Worlds drift in) | 00:04:33 | |
2 | The price of love | 00:04:50 | |
3 | Go your way | 00:05:07 | |
4 | Trouble with my lover | 00:04:03 | |
5 | Searching for my love | 00:04:03 | |
6 | Can't let go | 00:03:41 | |
7 | It don't bother me | 00:05:06 | |
8 | You led me to the wrong | 00:04:17 | |
9 | Last kind words blues | 00:04:06 | |
10 | High and lonesome | 00:04:33 | |
11 | Going where the lonely go | 00:04:10 | |
12 | Somebody was watching over me | 00:05:04 | |
13 | My heart would know | 00:02:59 | |
14 | You can't rule me | 00:04:44 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2021Der freie Flugsand der Verständigung
"Raise the Roof", das zweite Duettalbum von Alison Krauss und Robert Plant, vertieft eine mehrdeutige Idee vom gemeinsamen Singen
Auf "Raising Sand" (2007), dem ersten Album, das die Sängerin, Geigerin, Band- und Solo-Künstlerin Alison Krauss mit dem Blues-und-Hard-Rock-Altfelsen Robert Plant (berühmt geworden bei Led Zeppelin) aufgenommen hat, beweist das stärkste Stück "Gone Gone Gone (Done Moved On)", dass drei scheinbar unvereinbare Gemütsfarben, hier: Schmerz, Frechheit und Tapferkeit, eine nie dagewesene dritte ergeben können - Frau Krauss mischt sie zusammen, als wäre das gar nix, hilfreich raschelt Plant dazu mit winzigen Stacheln, die ihm im Mund wachsen, und am Ende hat die trotzige Trennung, um die es in dem Lied geht, einfach ansteckend gute Laune. Von "Raising Sand" wurden mehr als zwei Millionen Einheiten verkauft, das Ding fuhr alle erreichbaren Preise ein. Der jetzt veröffentlichte Nachfolger "Raise the Roof" muss also hohen, von Krauss und Plant selbst gesetzten Maßstäben genügen, das ist halt "The Price of Love".
So heißt auch ein tragisches Lehrgedicht der Everly Brothers, das viel hat durchmachen müssen, unter anderem eine herrliche, in siedendem Öl gebadete Hohnversion von Bryan Ferry (1976) und eine behämmerte Blechfassung von Helen Schneider (1983). Auf "Raise the Roof" rettet Krauss den Song mit links vor seiner gesamten Vergangenheit, dann schwimmt Robert Plant im Refrain als uralter Tintenfisch aus Nacht und Mitgefühl ins Klangbild, muht magische Echos, und man begreift: "Zu zweit singen" bedeutet, gleichzeitig dem oder der Nächsten zuzuhören und sich dabei selbst auch noch klar auszudrücken. Wahnsinn.
Wie Keith Richards, wenn er mit Sheryl Crow "The Worst" singt (leicht zugänglich auf Crows Album "Threads" von 2019), steht Plant auf den meisten Tracks seiner Kollaborationen mit Krauss als Seniorpartner für einen Grundaspekt des Menschseins: Wir können fast alles überleben, aber wir lernen nicht gern was draus (falls es etwas gibt, das Keith Richards und Robert Plant nicht erlebt haben, hat selbst der Teufel Angst davor), und wenn wir sehr viel mehr erlebt als gelernt haben, gelten wir bei unseren Artgenossen als "coole Alte". Wie aber passt eine Stimme wie die von Alison Krauss zu so etwas, gläsern, schutzlos und unverzagt im Kummer, wie sie ist? Der Produzent T Bone Burnett hat's der Zeitschrift "Mojo" verraten: "Alison mag es dunkel. Eine ihrer Theorien sagt, dass Tempo nichts mit Intensität zu tun hat. Sie will die maximale Intensität, sie verlangsamt alles."
Es geht da um den disziplinierten Verzicht auf expressive Schrullen im Dienst der Idee absoluter Integrität des einzelnen Tons. Man hört das fassungslos, wenn Krauss auf "Trouble With My Lover", noch einsamer als bei ihrer Deutung des Brenda-Lee-Klassikers "All Alone Am I" auf ihrer letzten Soloplatte "Windy City" 2017, nur noch vom (ziemlich kleinlauten) Schlagzeug und etwas Bass begleitet, die Worte "when he puts his arms around me" träumt: Das digitale Tonstudio fällt fast in Ohnmacht.
Solche transzendentalen Leistungen stacheln auch Plant an, man teilt sich die Hauptarbeit ja songweise, wie beim Tanz, mal führt sie, mal er: Auf "Searching for my Love" gibt der Alte den versierten Erzähler, dem Krauss nur etwas Extramusik zufächelt, auf "Last Kind Words Blues" klettert sie als Grashüpferin zwischen Zupfinstrumentensaiten herum. Die bravouröse Studioband kommt mal seinem Drang nach Rockerei, dann wieder eher ihrem Country-Wetter entgegen. Am Schluss bekräftigt ein gemeinsamer Schiebemarsch ("Somebody Was Watching Over Me"), dass es bei alldem um Verständigung geht, um eine Windwechselwirtschaft, die ihre Schwebeteilchen, ihre Eiskristalle und ihren Flugsand glitzern lässt, wie's die Sonne gerade erlaubt.
Wohlfühlen werden sich damit alle, die auch froh waren, als Steve Martin im ersten Lockdown ein paar Takte Banjo-Musik ins Netz stellte und das als "Salbe" bezeichnete, übrigens eine Komposition aus einem dem Plant/Krauss-Schaffen durchaus verwandten Gemeinschaftsprojekt Martins mit der Kollegin Edie Brickell. Wer solche Sachen zu psychomedizinischen Zwecken verwendet, ist vielleicht auf der Suche nach dem Rauschgift der Regression: Klingt das nicht alles "wie früher", vor Corona, Lieferkettenknirschen und Inflation, vor der anstrengenden Einsicht auch, dass der symbolische Akt, einen Mann zum Präsidenten der USA zu wählen, der aussieht wie die Leute, die "man" dort seit Jahrhunderten totgeschunden, ausgeschlossen, eingesperrt hat, diese böse Sache nicht zum einmütigen Abschluss bringt?
Dass beim Hören dem erschöpften Gegenwartsmenschen das Herz aufgeht, heißt noch nichts Fieses; die Frage ist, was das Hirn damit macht. Ein ästhetischer Antipode von Alison Krauss auf dem Country-Terrain, Aaron Lewis, verspricht zum Beispiel den von ihm in Stimmung gebrachten Menschen dasselbe wie Donald Trump, nämlich die Rückkehr einer sozialen Harmonie, die es nie gab, wenn sich nur genügend "Normale" verhärten gegen alle, die nicht so sind wie sie. Krauss und Plant kann man aber anders hören als nostalgisch: Der Dialog zwischen, zum Beispiel, Reue und Sehnsucht, den sie inszenieren, könnte ein vielleicht im Künftigen, vielleicht auch überhaupt nie erreichbares Ideal meinen, keine ausgedachte goldene Vergangenheit. Es dämmert schon, aber ob's ein Abend wird oder ein Morgen, steht noch nicht fest. DIETMAR DATH
Robert Plant & Alison Krauss: "Raise the Roof".
Rhino 0190296606502
(Warner)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Raise the Roof", das zweite Duettalbum von Alison Krauss und Robert Plant, vertieft eine mehrdeutige Idee vom gemeinsamen Singen
Auf "Raising Sand" (2007), dem ersten Album, das die Sängerin, Geigerin, Band- und Solo-Künstlerin Alison Krauss mit dem Blues-und-Hard-Rock-Altfelsen Robert Plant (berühmt geworden bei Led Zeppelin) aufgenommen hat, beweist das stärkste Stück "Gone Gone Gone (Done Moved On)", dass drei scheinbar unvereinbare Gemütsfarben, hier: Schmerz, Frechheit und Tapferkeit, eine nie dagewesene dritte ergeben können - Frau Krauss mischt sie zusammen, als wäre das gar nix, hilfreich raschelt Plant dazu mit winzigen Stacheln, die ihm im Mund wachsen, und am Ende hat die trotzige Trennung, um die es in dem Lied geht, einfach ansteckend gute Laune. Von "Raising Sand" wurden mehr als zwei Millionen Einheiten verkauft, das Ding fuhr alle erreichbaren Preise ein. Der jetzt veröffentlichte Nachfolger "Raise the Roof" muss also hohen, von Krauss und Plant selbst gesetzten Maßstäben genügen, das ist halt "The Price of Love".
So heißt auch ein tragisches Lehrgedicht der Everly Brothers, das viel hat durchmachen müssen, unter anderem eine herrliche, in siedendem Öl gebadete Hohnversion von Bryan Ferry (1976) und eine behämmerte Blechfassung von Helen Schneider (1983). Auf "Raise the Roof" rettet Krauss den Song mit links vor seiner gesamten Vergangenheit, dann schwimmt Robert Plant im Refrain als uralter Tintenfisch aus Nacht und Mitgefühl ins Klangbild, muht magische Echos, und man begreift: "Zu zweit singen" bedeutet, gleichzeitig dem oder der Nächsten zuzuhören und sich dabei selbst auch noch klar auszudrücken. Wahnsinn.
Wie Keith Richards, wenn er mit Sheryl Crow "The Worst" singt (leicht zugänglich auf Crows Album "Threads" von 2019), steht Plant auf den meisten Tracks seiner Kollaborationen mit Krauss als Seniorpartner für einen Grundaspekt des Menschseins: Wir können fast alles überleben, aber wir lernen nicht gern was draus (falls es etwas gibt, das Keith Richards und Robert Plant nicht erlebt haben, hat selbst der Teufel Angst davor), und wenn wir sehr viel mehr erlebt als gelernt haben, gelten wir bei unseren Artgenossen als "coole Alte". Wie aber passt eine Stimme wie die von Alison Krauss zu so etwas, gläsern, schutzlos und unverzagt im Kummer, wie sie ist? Der Produzent T Bone Burnett hat's der Zeitschrift "Mojo" verraten: "Alison mag es dunkel. Eine ihrer Theorien sagt, dass Tempo nichts mit Intensität zu tun hat. Sie will die maximale Intensität, sie verlangsamt alles."
Es geht da um den disziplinierten Verzicht auf expressive Schrullen im Dienst der Idee absoluter Integrität des einzelnen Tons. Man hört das fassungslos, wenn Krauss auf "Trouble With My Lover", noch einsamer als bei ihrer Deutung des Brenda-Lee-Klassikers "All Alone Am I" auf ihrer letzten Soloplatte "Windy City" 2017, nur noch vom (ziemlich kleinlauten) Schlagzeug und etwas Bass begleitet, die Worte "when he puts his arms around me" träumt: Das digitale Tonstudio fällt fast in Ohnmacht.
Solche transzendentalen Leistungen stacheln auch Plant an, man teilt sich die Hauptarbeit ja songweise, wie beim Tanz, mal führt sie, mal er: Auf "Searching for my Love" gibt der Alte den versierten Erzähler, dem Krauss nur etwas Extramusik zufächelt, auf "Last Kind Words Blues" klettert sie als Grashüpferin zwischen Zupfinstrumentensaiten herum. Die bravouröse Studioband kommt mal seinem Drang nach Rockerei, dann wieder eher ihrem Country-Wetter entgegen. Am Schluss bekräftigt ein gemeinsamer Schiebemarsch ("Somebody Was Watching Over Me"), dass es bei alldem um Verständigung geht, um eine Windwechselwirtschaft, die ihre Schwebeteilchen, ihre Eiskristalle und ihren Flugsand glitzern lässt, wie's die Sonne gerade erlaubt.
Wohlfühlen werden sich damit alle, die auch froh waren, als Steve Martin im ersten Lockdown ein paar Takte Banjo-Musik ins Netz stellte und das als "Salbe" bezeichnete, übrigens eine Komposition aus einem dem Plant/Krauss-Schaffen durchaus verwandten Gemeinschaftsprojekt Martins mit der Kollegin Edie Brickell. Wer solche Sachen zu psychomedizinischen Zwecken verwendet, ist vielleicht auf der Suche nach dem Rauschgift der Regression: Klingt das nicht alles "wie früher", vor Corona, Lieferkettenknirschen und Inflation, vor der anstrengenden Einsicht auch, dass der symbolische Akt, einen Mann zum Präsidenten der USA zu wählen, der aussieht wie die Leute, die "man" dort seit Jahrhunderten totgeschunden, ausgeschlossen, eingesperrt hat, diese böse Sache nicht zum einmütigen Abschluss bringt?
Dass beim Hören dem erschöpften Gegenwartsmenschen das Herz aufgeht, heißt noch nichts Fieses; die Frage ist, was das Hirn damit macht. Ein ästhetischer Antipode von Alison Krauss auf dem Country-Terrain, Aaron Lewis, verspricht zum Beispiel den von ihm in Stimmung gebrachten Menschen dasselbe wie Donald Trump, nämlich die Rückkehr einer sozialen Harmonie, die es nie gab, wenn sich nur genügend "Normale" verhärten gegen alle, die nicht so sind wie sie. Krauss und Plant kann man aber anders hören als nostalgisch: Der Dialog zwischen, zum Beispiel, Reue und Sehnsucht, den sie inszenieren, könnte ein vielleicht im Künftigen, vielleicht auch überhaupt nie erreichbares Ideal meinen, keine ausgedachte goldene Vergangenheit. Es dämmert schon, aber ob's ein Abend wird oder ein Morgen, steht noch nicht fest. DIETMAR DATH
Robert Plant & Alison Krauss: "Raise the Roof".
Rhino 0190296606502
(Warner)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main