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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2014

Scheppernde Schotten
Die Band Mogwai sucht neue Instrumentalmusik

Mit instrumentaler Musik verbinden sich einige der schauerlichsten Momente im Pop. Vom immer weiter sich ausdehnenden Gitarrensolo des Schweinerocks über den Popanz des Art-Rock-Endlosgegniedels bis hin zu den musikalischen Selbsterfahrungstrips von Oldfield, Jarre oder Clayderman kam selten bis nie etwas Gutes vom Versinken ins Instrument. Durch den Schock des Instrumentalpops hat man als Interessierter begriffen, dass, was den Pop seit je in die Plattheit zu schubsen droht, doch auch seine Rettung ist, seine Anbindung an die Welt: ein Gesang nämlich, ein Text, eine Aussage, in der einigermaßen zwingend das Statement eines menschlichen Geistes stecken müsste. Kein Wunder, dachte man lange, dass Instrumentalmusik jenseits des Tanzbaren ihren Rückzug angetreten hatte und sich allenfalls im Esoterikregal des Drogeriemarktes wiederfand.

Als ihre Zeit gekommen war, haben die Schotten von Mogwai eben darin ihre Chance erkannt. Zwar haben auch sie hin und wieder menschliche Lautäußerungen eingestreut in ihre Klanglandschaften, dann gerne auf Japanisch oder so. Doch war das Instrumental ihr Ding, und im ewigen Kommen und Gehen der Musikmoden bot es ihnen Mitte der neunziger Jahre eine gute Möglichkeit, mal wieder eine Revolution anzuzetteln: Damals konnte man toll verstören, indem man einen Abend lang nicht zum Gesangsmikrofon griff, nur wallend und scheppernd vor sich hin musizierte. Im Extremfall taten Mogwai das auch schon mal mit dem Rücken zum Publikum, mit derselben plakativen Überzeugung, die sie auf T-Shirts drucken ließen, um, nicht ganz unberechtigt, die Kollegen von "Blur" als wirklich schlechte Band zu dissen ("Blur: Are Shite").

Es gab also doch etwas Zupackendes, Klares an den scheppernden Schotten, und das zu wissen tat gut. Neu hinterfragt werden aber mussten Mogwai, seit sie mit Elektronika zu experimentieren begannen, seit ihre Musik sich zu einer Ambient-Sanftheit hin entwickelte, wie sie es nun auf dem ironisch "Rave Tapes" genannten achten Album vorexerzieren. Da waren sie dann wieder, die drei Probleme des Rezensenten: Was will eine Musik, die dediziert ohne Botschaft daherkommt? Wo fängt sie an, zur puren Wellness zu werden? Und, gar: Sollte es ab einem bestimmten Alter vielleicht normal sein, diesen Moment der Entspannung zu suchen in einer Welt, die einem immer bekloppter vorkommt?

Mogwai sind stiller, besinnlicher geworden, schmerzärmer, versöhnter. Aber soll man das nun sein in diesem Heute? Will man der Band wohl, so kann man behaupten, dass sie die Melancholie, die in vieler Popmusik schlummert, extrahiert, verfeinert und erfrischend aufbereitet hat, extra für uns, für Menschen, deren verkorkste Jugend durch Michael Ende und Pink Floyd so richtig endgültig ruiniert wurde, und die sich aber heute, alles überlebt habend, davor hüten würden, die Weltschmerzplatten jener Tage jemals wieder zu hören, derweil die alten Sehnsüchte irgendwo da drinnen immer noch lungern. Will man Mogwai übel, so spürt man ihren instrumentalen Seelenreisen und einigen ihrer Interviewzitate mit leichtem Stirnrunzeln nach. Etwa kann Bandleader Stuart Braithwaite sich euphorisch über die Harmonium-Improvisationen des Esoterikers Georges Gurdjieff auslassen, in denen "etwas Unsagbares" wohne. Da mag man ihm einerseits ja recht geben: Ja, in der Musik sollte eigentlich immer etwas Unsagbares wohnen, sonst wäre sie ja keine.

Was aber ist Mogwai dann doch zugutezuhalten? Ihren "Rave Tapes" wohnt ein Widerstreben inne, in der Musik das Hymnisch-Erlösende in seiner vollumfänglichen Plumpheit zu suchen. Auf ihrer wie stets verführerischen Tauchkapselfahrt hinterfragt sich die Band immer auch wieder wachen Geistes. "Remurdered" wälzt ein bewusst simples Stück Melodieschrott um und um, betrachtet es von allen Seiten, um zu sehen, wie Musik als solche funktioniert - später dann frisst sich ein refrainähnliches Element in den Song, das dem Crack-Intro eines Achtziger-Jahre-Computerspiels entstammen könnte. "Deesh", das ekstatischste Stück der Platte, wird immerhin noch von einem merkwürdig stotterigen Rhythmus gebremst. Und das betörende Abschlussstück "The Lord Is Out Of Control" wird merkwürdig unausgearbeitet gelassen, als hielte man es für unlauter, hier das pure, öde Gold aus dem Erzbrocken zu schmelzen. Mogwai haben den Anstand, die schöne Lüge, derweil sie sie vorbringen, selber nicht so wirklich zu glauben. Möglicherweise ist es das, was diese Band dann doch hörbar macht, ohne dass es dabei allzu großer Scham bedürfte.

KLAUS UNGERER

Mogwai: Rave Tapes.

Rock Action Records 5051083076807 (Rough Trade)

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