Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 20. März 2020
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / World Circuit,
- EAN: 4050538557503
- Artikelnr.: 58555102
- Herstellerkennzeichnung
- Universal Music GmbH
- Mühlenstr. 25
- 10243 Berlin
- productsafety@umusic.com
CD | |||
1 | Robbers, thugs and muggers (O'Galajani) | 00:04:35 | |
2 | Agbada bougou | 00:05:26 | |
3 | Coconut jam | 00:03:31 | |
4 | Never (Lagos never gonna be the same) | 00:03:53 | |
5 | Slow bones | 00:05:49 | |
6 | Jabulani (Rejoice, here comes Tony) | 00:05:41 | |
7 | Obama shuffle strut blues | 00:04:40 | |
8 | We've landed | 00:04:38 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2020Die Väter des Afrobeat bitten zum Tanz
Ein großes Alterswerk: Der Schlagzeuger Tony Allen und der Trompeter Hugh Masekela brillieren auf dem Album "Rejoice".
Etwas Wundersames hat sich in den letzten Jahren in und rund um London ereignet - die Wiederauferstehung des Jazz aus dem Geiste von Afrobeat, Grime und Funk. Bands wie Sons of Kemet, Ezra Collective oder Kokoroko verweben tanzbare Rhythmen, schneidende Bläserriffs, karibischen Folk und pulsierenden Soul. Nicht mehr nur in einschlägigen Clubs, sondern inzwischen auch auf internationalen Festivals boomt das britische Jazz-Revival; Hipster aller Länder vereinigen sich unter diesen Grooves.
Ohne zwei prägende Musiker, die lange vor der Geburt der Protagonisten der Londoner Szene schon berühmt waren, wären die aktuellen Sounds allerdings kaum vorstellbar. Das kann man nun auf einer denkwürdigen Platte nachhören: "Rejoice" heißt sie, und sie stammt von dem südafrikanischen Trompeter Hugh Masekela und dem nigerianischen Schlagzeuger Tony Allen. Es ist das Alterswerk zweier Heroen - der eine, Allen, inzwischen auf die achtzig zugehend, der andere, Masekela, 2018 im Alter von achtundsiebzig Jahren gestorben.
Das Fundament dieses eindrücklichen Albums wurde vor zehn Jahren gelegt. Die beiden Musiker waren seinerzeit für ein paar Tage in London gestrandet, eine Lücke im Termin- und Tourkalender, die sie endlich dazu nutzten, gemeinsam einige Stücke aufzunehmen. Kennengelernt hatten sie sich nämlich bereits in den Siebzigern. Damals war Fela Kuti der Übervater der westafrikanischen Musikszene; ihn verband eine Freundschaft mit Masekela, und Tony Allen wiederum gab in Fela Kutis Band "Africa '70" mit seinem polyrhythmischen Spiel unumstritten den Takt an. Brian Eno bezeichnete den in Lagos geborenen Allen einmal als "den vielleicht größten Schlagzeuger, der je gelebt hat". Fela Kuti gab unumwunden zu, dass ohne Allen Afrobeat, also die Verschmelzung von Highlife, Jazz, westafrikanischen Rhythmen und Funk, niemals erfunden worden wäre.
Hugh Masekela kam aus einer anderen Tradition. Mit dem Pianisten Dollar Brand, der sich irgendwann zu Abdullah Ibrahim umtaufte, und dem Posaunisten Jonas Gwanga hatte er in den später fünfziger Jahren die Jazz Epistles gegründet. Beeinflusst sowohl von afrikanischer und spiritueller Musik wie von amerikanischem Jazz, stellte die nur kurz existierende Band eine unerhörte Revolution dar: "Township Bebop" nannten sie ihren Sound. Die Machthaber wussten den Einfluss der neuen Töne allerdings zu unterbinden: Unter das Versammlungsverbot fielen auch Konzerte. Es gab keine Auftrittsmöglichkeiten, und Masekela ging, unterstützt von Harry Belafonte, in die Vereinigten Staaten. In den folgenden Jahren feierte er große Erfolge; seine Musik war immens einflussreich, und sie blieb notgedrungen immer auch Kampf gegen die Apartheid - so wie jene von Fela Kuti und Tony Allen als fiebrig groovende Opposition gegen die Militärdiktatur verstanden werden musste. Das Politische ist aus der Arbeit von Masekela und Allen übrigens nie verschwunden.
"Rejoice" darf also als Dokument eines späten Gipfeltreffens gelten, oder in den Worten von Tony Allen: als "eine Art südafrikanisch-nigerianischer Swing-Jazz-Eintopf". Allen und Produzent Nick Gold, der in den Neunzigern für das "Buena Vista Social Club"-Album verantwortlich zeichnete, haben sich die vor einer Dekade eingespielten Bänder noch einmal vorgenommen und mit einigen Musikern der jungen Londoner Szene fertiggestellt. Mit dabei sind etwa der Vibraphonist Lewis Wright, der Keyboarder Joe Armon-Jones und der Bassist Tom Herbert. Die Youngster dürfen zwischendurch ein wenig glänzen, mit einer Vibraphoneinlage hier, einem schönen Basslauf da. Im Rampenlicht aber stehen die beiden Altmeister. Das Rohmaterial aus Schlagzeug und Trompete beziehungsweise Flügelhorn ist ganz nach vorn gemischt, und zwischendurch hebt Hugh Masekela immer wieder zu beschwörenden Gesangseinlagen an - etwa in der hymnenhaften Hommage an Kuti: "Lagos never gonna be the same without Fela."
Gleich im ersten Stück "Robbers, Thugs and Muggers" ist Masekelas Stimme ebenfalls zu hören - bevor Tony Allens atemberaubend smoothes, schlurfendes und dabei dynamisches Spiel einsetzt. Man fragt sich, wie ein einziger Mensch diese in sich verschobenen und übereinandergeschichteten Rhythmen zusammendenken und zusammensetzen kann. Unverkennbar sind diese Beats jedenfalls von der ersten Sekunde an - ebenso wie sich der schwebende, zugleich ziemlich pointierte und schneidende, manchmal stakkatohafte Klang von Masekela unter Hunderten Trompetern heraushören lässt. Die leichthändig dahinpulsierenden, swingenden Rhythmen erscheinen als ideale Basis für Masekelas Improvisationen, und man kann sich vorstellen, wie viel Spaß die beiden bei dieser Aufnahme gehabt haben müssen.
Dass sie trotzdem erst jetzt fertig gestellt wurde, verwundert, aber einen Stoiker wie Tony Allen ficht auch so eine Verspätung nicht an. Alles erscheine letztlich zu seiner Zeit, ließ er bei Veröffentlichung des Albums wissen. Und: "Es gibt für alles einen Grund." Grund zur Freude haben jedenfalls wir Hörerinnen und Hörer.
ULRICH RÜDENAUER
Tony Allen und Hugh Masekela: Rejoice
(World Circuit Records / BMG)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein großes Alterswerk: Der Schlagzeuger Tony Allen und der Trompeter Hugh Masekela brillieren auf dem Album "Rejoice".
Etwas Wundersames hat sich in den letzten Jahren in und rund um London ereignet - die Wiederauferstehung des Jazz aus dem Geiste von Afrobeat, Grime und Funk. Bands wie Sons of Kemet, Ezra Collective oder Kokoroko verweben tanzbare Rhythmen, schneidende Bläserriffs, karibischen Folk und pulsierenden Soul. Nicht mehr nur in einschlägigen Clubs, sondern inzwischen auch auf internationalen Festivals boomt das britische Jazz-Revival; Hipster aller Länder vereinigen sich unter diesen Grooves.
Ohne zwei prägende Musiker, die lange vor der Geburt der Protagonisten der Londoner Szene schon berühmt waren, wären die aktuellen Sounds allerdings kaum vorstellbar. Das kann man nun auf einer denkwürdigen Platte nachhören: "Rejoice" heißt sie, und sie stammt von dem südafrikanischen Trompeter Hugh Masekela und dem nigerianischen Schlagzeuger Tony Allen. Es ist das Alterswerk zweier Heroen - der eine, Allen, inzwischen auf die achtzig zugehend, der andere, Masekela, 2018 im Alter von achtundsiebzig Jahren gestorben.
Das Fundament dieses eindrücklichen Albums wurde vor zehn Jahren gelegt. Die beiden Musiker waren seinerzeit für ein paar Tage in London gestrandet, eine Lücke im Termin- und Tourkalender, die sie endlich dazu nutzten, gemeinsam einige Stücke aufzunehmen. Kennengelernt hatten sie sich nämlich bereits in den Siebzigern. Damals war Fela Kuti der Übervater der westafrikanischen Musikszene; ihn verband eine Freundschaft mit Masekela, und Tony Allen wiederum gab in Fela Kutis Band "Africa '70" mit seinem polyrhythmischen Spiel unumstritten den Takt an. Brian Eno bezeichnete den in Lagos geborenen Allen einmal als "den vielleicht größten Schlagzeuger, der je gelebt hat". Fela Kuti gab unumwunden zu, dass ohne Allen Afrobeat, also die Verschmelzung von Highlife, Jazz, westafrikanischen Rhythmen und Funk, niemals erfunden worden wäre.
Hugh Masekela kam aus einer anderen Tradition. Mit dem Pianisten Dollar Brand, der sich irgendwann zu Abdullah Ibrahim umtaufte, und dem Posaunisten Jonas Gwanga hatte er in den später fünfziger Jahren die Jazz Epistles gegründet. Beeinflusst sowohl von afrikanischer und spiritueller Musik wie von amerikanischem Jazz, stellte die nur kurz existierende Band eine unerhörte Revolution dar: "Township Bebop" nannten sie ihren Sound. Die Machthaber wussten den Einfluss der neuen Töne allerdings zu unterbinden: Unter das Versammlungsverbot fielen auch Konzerte. Es gab keine Auftrittsmöglichkeiten, und Masekela ging, unterstützt von Harry Belafonte, in die Vereinigten Staaten. In den folgenden Jahren feierte er große Erfolge; seine Musik war immens einflussreich, und sie blieb notgedrungen immer auch Kampf gegen die Apartheid - so wie jene von Fela Kuti und Tony Allen als fiebrig groovende Opposition gegen die Militärdiktatur verstanden werden musste. Das Politische ist aus der Arbeit von Masekela und Allen übrigens nie verschwunden.
"Rejoice" darf also als Dokument eines späten Gipfeltreffens gelten, oder in den Worten von Tony Allen: als "eine Art südafrikanisch-nigerianischer Swing-Jazz-Eintopf". Allen und Produzent Nick Gold, der in den Neunzigern für das "Buena Vista Social Club"-Album verantwortlich zeichnete, haben sich die vor einer Dekade eingespielten Bänder noch einmal vorgenommen und mit einigen Musikern der jungen Londoner Szene fertiggestellt. Mit dabei sind etwa der Vibraphonist Lewis Wright, der Keyboarder Joe Armon-Jones und der Bassist Tom Herbert. Die Youngster dürfen zwischendurch ein wenig glänzen, mit einer Vibraphoneinlage hier, einem schönen Basslauf da. Im Rampenlicht aber stehen die beiden Altmeister. Das Rohmaterial aus Schlagzeug und Trompete beziehungsweise Flügelhorn ist ganz nach vorn gemischt, und zwischendurch hebt Hugh Masekela immer wieder zu beschwörenden Gesangseinlagen an - etwa in der hymnenhaften Hommage an Kuti: "Lagos never gonna be the same without Fela."
Gleich im ersten Stück "Robbers, Thugs and Muggers" ist Masekelas Stimme ebenfalls zu hören - bevor Tony Allens atemberaubend smoothes, schlurfendes und dabei dynamisches Spiel einsetzt. Man fragt sich, wie ein einziger Mensch diese in sich verschobenen und übereinandergeschichteten Rhythmen zusammendenken und zusammensetzen kann. Unverkennbar sind diese Beats jedenfalls von der ersten Sekunde an - ebenso wie sich der schwebende, zugleich ziemlich pointierte und schneidende, manchmal stakkatohafte Klang von Masekela unter Hunderten Trompetern heraushören lässt. Die leichthändig dahinpulsierenden, swingenden Rhythmen erscheinen als ideale Basis für Masekelas Improvisationen, und man kann sich vorstellen, wie viel Spaß die beiden bei dieser Aufnahme gehabt haben müssen.
Dass sie trotzdem erst jetzt fertig gestellt wurde, verwundert, aber einen Stoiker wie Tony Allen ficht auch so eine Verspätung nicht an. Alles erscheine letztlich zu seiner Zeit, ließ er bei Veröffentlichung des Albums wissen. Und: "Es gibt für alles einen Grund." Grund zur Freude haben jedenfalls wir Hörerinnen und Hörer.
ULRICH RÜDENAUER
Tony Allen und Hugh Masekela: Rejoice
(World Circuit Records / BMG)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main