Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 15. Dezember 2017
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Universal,
- Gesamtlaufzeit: 55 Min.
- EAN: 0843930033157
- Artikelnr.: 50047732
LP 1 | |||
1 | ...Ready For It? | 00:03:28 | |
2 | End Game | 00:04:05 | |
3 | I Did Something Bad | 00:03:58 | |
4 | Don't Blame Me | 00:03:56 | |
5 | Delicate | 00:03:52 | |
6 | Look What You Made Me Do | 00:03:32 | |
7 | So It Goes... | 00:03:48 | |
8 | Gorgeous | 00:03:30 | |
LP 2 | |||
1 | Getaway Car | 00:03:54 | |
2 | King Of My Heart | 00:03:34 | |
3 | Dancing With Our Hands Tied | 00:03:32 | |
4 | Dress | 00:03:50 | |
5 | This Is Why We Can't Have Nice Things | 00:03:27 | |
6 | Call It What You Want | 00:03:24 | |
7 | New Year's Day | 00:03:55 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2017Der Komplex amerikanischer Star
Ist sie für Trump? Oder dagegen? Oder will sie ihre Musik schützen vor Vereinnahmung? Und kann man Taylor Swifts neue Platte "Reputation" auch einfach nur hören?
Am Freitag ist eine neue Platte von Taylor Swift erschienen: "Reputation". Fünfzehn neue Songs, die zeigen, wo der Hitparadenpop im Jahr 2017 steht, wenn man ihn von Leuten produzieren lässt, die sich mit nichts anderem als dieser Frage beschäftigen, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass sie für eine Sängerin mit Geschichte arbeiten.
Taylor Swift ist neben Beyoncé der andere amerikanische Superstar von heute. Die beiden sind seit 2009 und vermutlich bis auf weiteres untrennbar verbunden, weil damals der Rapper Kanye West bei der Verleihung der MTV-Video-Awards auf die Bühne gegangen war, um Taylor Swift das Mikro abzunehmen und dagegen zu protestieren, dass sie den Vorzug vor Beyoncé erhalten hatte. Ein Skandal war das, aber auch nicht so einfach, denn man konnte alle Beteiligten verstehen: Kanye, weil er sich für Beyoncé eingesetzt hatte, und Taylor Swift, die überhaupt nichts dafür konnte, sie hatte sich den Preis ja nicht selbst verliehen. Jetzt stand sie aber da als weißes Gesicht der ewigen Benachteiligung schwarzer Künstler in Amerika.
Man muss diese alte Geschichte immer wieder erzählen, weil der Augenblick damals aus den beiden Sängerinnen Repräsentantinnen gemacht hat, ob sie das wollten oder nicht. Aber während sich Beyoncé im vergangenen Jahr mit ihrem Meisterwerk "Lemonade" an die Spitze des Widerstands gegen die Benachteiligung der Schwarzen in Amerika und gleichzeitig an die Spitze des Autorinnenpops gesetzt hat, während sie weiter ständig sichtbar Partei ergreift, bleibt Taylor Swift ein Rätsel.
Swift hatte sehr jung als Country-Sängerin begonnen, macht jetzt aber durchschnittlich komplexen Pop aus dem Nachtleben der Innenstadt mit großen Bässen und fiesen kleinen Geräuschen - in die dann immer wieder Refrains einbrechen, die so auch in Countrysongs gepasst hätten. Das ist zu Swifts Markenzeichen geworden, auf der neuen Platte passiert es wieder gleich im ersten Song, "Ready for It?": erst dunkle, smarte Clubsounds, dann ein Refrain aus Twang. Taylor Swift, bald achtundzwanzig Jahre alt, hat zwar im Januar 2017 nicht bei der Amtseinführung des weißesten Präsidenten aller Zeiten gesungen, aber doch für die Republikaner im Wahlkampf. Sie äußert sich aber sonst nicht politisch. Was man in den Vereinigten Staaten von Trump, der alle möglichen Schichten repolitisiert hat, allerdings für ein Statement halten kann. Das rechte, weiße Amerika und seine Medien wie "Breitbart News" haben das auch schon getan.
Aber was, wenn Taylor Swift ihre Kunst vor Vereinnahmung schützen will? Oder, schnöder, wenn es ihr darum geht, jene vielen Fans nicht zu verprellen, die ihr aus den Country-Zeiten treu geblieben sind und die traditionell eher nach rechts neigen? Und was, das ist ja auch nicht auszuschließen und sogar legitim, wenn sie denkt, da draußen äußern sich alle schon so deutlich gegen den Präsidenten, da braucht es mich zur Wahrheitsfindung nun echt nicht auch noch?
Alle starren jedenfalls auf Taylor Swift und denken sich ihren Teil. Und wie das mit Projektionsfiguren so ist, kann man unter diesen Umständen eine neue Platte unmöglich einfach nur anhören. Das verbindet Taylor Swift dann wiederum mit Madonna, deren kulturelle Produktion immer schon entziffert und auf ihren Gegenwartsgehalt hin gelesen wurde. Wie diese Produktion dann klingt, wird zu einer banalen, wenn nicht sogar reaktionären Frage. Alles bedeutet immer gleichzeitig noch was anderes.
Mit "Shake It off", dem Superhit ihrer letzten Platte "1989", hatte Taylor Swift versucht, alle Interpretationen tanzend abzuschütteln. Und das war ihr auch gelungen, weil es in der gleichen Liga mit "Call Me Maybe" oder Timberlakes "Can't Stop the Feeling" spielt. Aber Taylor Swift entkommt der Frage nicht, wo sie steht (und vor allem, ganz wichtig, mit wem sie jetzt schon wieder zusammen ist.) Man könnte es für Emanzipation halten, dass sie sich immer weiter aus den Traditionen des Country gelöst hat, um mit aller Kraft und offenbar großem Spaß an der Sache eine Popmusik zu machen, die vor allem von schwarzen Einflüssen lebt. Man könnte das aber auch für einen Fall jener kulturellen Aneignung halten, über die in letzter Zeit in Amerika heftig gestritten worden ist.
"Reputation" ist keine überraschende Platte geworden: Ein Superhit wie "Shake It off" fehlt darauf. Dafür gibt es, je länger sie dauert, ein paar wirklich sehr gute Songs, das sehnsüchtige "Dress" zum Beispiel - oder auch "This Is Why We Can't Have Nice Things", bei dem man merkt, wie viel Taylor Swift in letzter Zeit Lorde gehört haben muss. Deren brüchige Fanfaren ja auch ein Beweis dafür sind, wie sich Hitparadenpop verändert hat, eigensinniger ist er geworden, erzählerischer.
Und weiblicher. Die Dominanz von Stars wie Lorde, Beyoncé und jetzt eben Taylor Swift im Pop hat auch 2017 weiter angehalten. Das verändert die Lage entschieden. Früher hat man sich noch gefragt, ob Taylor Swift überhaupt singen kann. Jetzt fragt man nach ihrer politischen Verantwortung. Und egal, wie die Antwort darauf ausfällt, und selbst wenn Taylor Swift nie antworten sollte: Das ist ein Fortschritt.
TOBIAS RÜTHER
Taylor Swifts "Reputation" ist bei Universal erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ist sie für Trump? Oder dagegen? Oder will sie ihre Musik schützen vor Vereinnahmung? Und kann man Taylor Swifts neue Platte "Reputation" auch einfach nur hören?
Am Freitag ist eine neue Platte von Taylor Swift erschienen: "Reputation". Fünfzehn neue Songs, die zeigen, wo der Hitparadenpop im Jahr 2017 steht, wenn man ihn von Leuten produzieren lässt, die sich mit nichts anderem als dieser Frage beschäftigen, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass sie für eine Sängerin mit Geschichte arbeiten.
Taylor Swift ist neben Beyoncé der andere amerikanische Superstar von heute. Die beiden sind seit 2009 und vermutlich bis auf weiteres untrennbar verbunden, weil damals der Rapper Kanye West bei der Verleihung der MTV-Video-Awards auf die Bühne gegangen war, um Taylor Swift das Mikro abzunehmen und dagegen zu protestieren, dass sie den Vorzug vor Beyoncé erhalten hatte. Ein Skandal war das, aber auch nicht so einfach, denn man konnte alle Beteiligten verstehen: Kanye, weil er sich für Beyoncé eingesetzt hatte, und Taylor Swift, die überhaupt nichts dafür konnte, sie hatte sich den Preis ja nicht selbst verliehen. Jetzt stand sie aber da als weißes Gesicht der ewigen Benachteiligung schwarzer Künstler in Amerika.
Man muss diese alte Geschichte immer wieder erzählen, weil der Augenblick damals aus den beiden Sängerinnen Repräsentantinnen gemacht hat, ob sie das wollten oder nicht. Aber während sich Beyoncé im vergangenen Jahr mit ihrem Meisterwerk "Lemonade" an die Spitze des Widerstands gegen die Benachteiligung der Schwarzen in Amerika und gleichzeitig an die Spitze des Autorinnenpops gesetzt hat, während sie weiter ständig sichtbar Partei ergreift, bleibt Taylor Swift ein Rätsel.
Swift hatte sehr jung als Country-Sängerin begonnen, macht jetzt aber durchschnittlich komplexen Pop aus dem Nachtleben der Innenstadt mit großen Bässen und fiesen kleinen Geräuschen - in die dann immer wieder Refrains einbrechen, die so auch in Countrysongs gepasst hätten. Das ist zu Swifts Markenzeichen geworden, auf der neuen Platte passiert es wieder gleich im ersten Song, "Ready for It?": erst dunkle, smarte Clubsounds, dann ein Refrain aus Twang. Taylor Swift, bald achtundzwanzig Jahre alt, hat zwar im Januar 2017 nicht bei der Amtseinführung des weißesten Präsidenten aller Zeiten gesungen, aber doch für die Republikaner im Wahlkampf. Sie äußert sich aber sonst nicht politisch. Was man in den Vereinigten Staaten von Trump, der alle möglichen Schichten repolitisiert hat, allerdings für ein Statement halten kann. Das rechte, weiße Amerika und seine Medien wie "Breitbart News" haben das auch schon getan.
Aber was, wenn Taylor Swift ihre Kunst vor Vereinnahmung schützen will? Oder, schnöder, wenn es ihr darum geht, jene vielen Fans nicht zu verprellen, die ihr aus den Country-Zeiten treu geblieben sind und die traditionell eher nach rechts neigen? Und was, das ist ja auch nicht auszuschließen und sogar legitim, wenn sie denkt, da draußen äußern sich alle schon so deutlich gegen den Präsidenten, da braucht es mich zur Wahrheitsfindung nun echt nicht auch noch?
Alle starren jedenfalls auf Taylor Swift und denken sich ihren Teil. Und wie das mit Projektionsfiguren so ist, kann man unter diesen Umständen eine neue Platte unmöglich einfach nur anhören. Das verbindet Taylor Swift dann wiederum mit Madonna, deren kulturelle Produktion immer schon entziffert und auf ihren Gegenwartsgehalt hin gelesen wurde. Wie diese Produktion dann klingt, wird zu einer banalen, wenn nicht sogar reaktionären Frage. Alles bedeutet immer gleichzeitig noch was anderes.
Mit "Shake It off", dem Superhit ihrer letzten Platte "1989", hatte Taylor Swift versucht, alle Interpretationen tanzend abzuschütteln. Und das war ihr auch gelungen, weil es in der gleichen Liga mit "Call Me Maybe" oder Timberlakes "Can't Stop the Feeling" spielt. Aber Taylor Swift entkommt der Frage nicht, wo sie steht (und vor allem, ganz wichtig, mit wem sie jetzt schon wieder zusammen ist.) Man könnte es für Emanzipation halten, dass sie sich immer weiter aus den Traditionen des Country gelöst hat, um mit aller Kraft und offenbar großem Spaß an der Sache eine Popmusik zu machen, die vor allem von schwarzen Einflüssen lebt. Man könnte das aber auch für einen Fall jener kulturellen Aneignung halten, über die in letzter Zeit in Amerika heftig gestritten worden ist.
"Reputation" ist keine überraschende Platte geworden: Ein Superhit wie "Shake It off" fehlt darauf. Dafür gibt es, je länger sie dauert, ein paar wirklich sehr gute Songs, das sehnsüchtige "Dress" zum Beispiel - oder auch "This Is Why We Can't Have Nice Things", bei dem man merkt, wie viel Taylor Swift in letzter Zeit Lorde gehört haben muss. Deren brüchige Fanfaren ja auch ein Beweis dafür sind, wie sich Hitparadenpop verändert hat, eigensinniger ist er geworden, erzählerischer.
Und weiblicher. Die Dominanz von Stars wie Lorde, Beyoncé und jetzt eben Taylor Swift im Pop hat auch 2017 weiter angehalten. Das verändert die Lage entschieden. Früher hat man sich noch gefragt, ob Taylor Swift überhaupt singen kann. Jetzt fragt man nach ihrer politischen Verantwortung. Und egal, wie die Antwort darauf ausfällt, und selbst wenn Taylor Swift nie antworten sollte: Das ist ein Fortschritt.
TOBIAS RÜTHER
Taylor Swifts "Reputation" ist bei Universal erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main