»Rudebox« ist ein selbstbewusstes Elektronikalbum, das mindestens ebenso stark von HipHop, Soul, P-Funk, Indie, Baggy, Acid House, frühem 80er Elektrohouse und klassischer Popmusik inspiriert ist wie von zeitgenössischem »Dance«. Der Sound ist schlichtweg unverwechselbar, so frisch wie erfrischend, eben unverkennbar Robbie Williams!
»Ich habe die richtige Richtung eingeschlagen, so ist das. Der Weg, den ich bisher gegangen war, kam zu einem Ende, ich konnte einfach nicht so weitermachen wie bisher. Doch dieses Album hat für mich tausend neue Türen geöffnet. Ich freue mich jetzt richtig darauf, neue Songs zu schreiben, weiter Musik zu machen. Ich finde die neuen Songs großartig. ›Rudebox‹ ist eines meiner Lieblingsstücke.« »Rudebox« ist alles andere als das Ende des Robbie Williams, den wir kannten. Es ist ein Lächeln, ein Kopfnicken in Richtung Zukunft.
»Ich habe die richtige Richtung eingeschlagen, so ist das. Der Weg, den ich bisher gegangen war, kam zu einem Ende, ich konnte einfach nicht so weitermachen wie bisher. Doch dieses Album hat für mich tausend neue Türen geöffnet. Ich freue mich jetzt richtig darauf, neue Songs zu schreiben, weiter Musik zu machen. Ich finde die neuen Songs großartig. ›Rudebox‹ ist eines meiner Lieblingsstücke.« »Rudebox« ist alles andere als das Ende des Robbie Williams, den wir kannten. Es ist ein Lächeln, ein Kopfnicken in Richtung Zukunft.
CD | |||
1 | Rudebox | 00:04:45 | |
2 | Viva life on Mars | 00:04:50 | |
3 | Lovelight | 00:04:02 | |
4 | Bongo bong / Je ne t'aime plus | 00:04:48 | |
5 | She's Madonna | 00:04:16 | |
6 | Keep on | 00:04:18 | |
7 | Good doctor | 00:03:16 | |
8 | The actor | 00:04:06 | |
9 | Never touch that switch | 00:02:46 | |
10 | Louise | 00:04:46 | |
11 | We're the pet shop boys | 00:04:56 | |
12 | Burslem normals | 00:03:50 | |
13 | Kiss me | 00:03:16 | |
14 | The 80's | 00:04:17 | |
15 | The 90's | 00:05:33 | |
16 | Summertime | 00:10:53 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2006Warten auf den Pausengong
Mittelmaß und Wahn: "Rudebox", das neue Album von Robbie Williams, gibt Rätsel auf
Damit erst gar nicht zu viel Spannung aufkommt: Die Schadenfreude, den so unerträglich beliebten Robbie Williams endlich mal scheitern zu sehen, macht am Ende doch keinen Spaß. Obwohl sein neues, insgesamt siebtes Studioalbum "Rudebox" genau die künstlerische Totalkatastrophe ist, auf die seine vielen Feinde und Neider lange gewartet haben.
Aber trotzdem: Irgend etwas stimmt hier nicht. Robbie Williams scheitert zu groß. Er scheitert für die Galerie, auf der ein Millionenpublikum Platz genommen hat. Er zwinkert sein von Großleinwänden bekanntes Zwinkern, während er den Ferrari gegen die Mauer donnert. Und kommt dann - das kann man auf einem Foto im CD-Booklet sogar sehen - auf einem BMX-Rad zurück ins Scheinwerferlicht. Möglicherweise genau so ein Rad wie jenes, von dem er im Lied "The 80s" erzählt, es sei ihm in Teenager-Zeiten aus Mutters Garage geklaut worden.
"Rudebox" hört sich erst mal an wie ein popmusikalisches Pendant zu den gräßlichen Büchern, in denen Frühdreißiger ihre Jugend verklären. So muß es sich anfühlen, wenn man beim Rückflug durch die Zeit im Jahr 1987 in eine Kleinstadt-Diskothek gerät und sich dort auf der Toilette einsperrt. Tanzmusik, wie Leute sie sich vorstellen, die seit zwanzig Jahren nicht mehr tanzen waren. Daß die neue Williams-Elektronik so flach, monoton und verwaschen vor sich hin schwappt wie der "Miami Vice"-Soundtrack - das könnte man noch damit erklären, daß die 80er-Jahre-Musik seit verschiedenen Revivals sowieso zum Werkzeugkasten des zeitgenössischen Pop gehört. Und daß Robbie Williams nie besonders modern klang.
Aber der größte Teil des neuen Albums ist lustloses Puppentheater. Nach Sinatra-Schmelz und Stadionballade hat Williams sich nun auf eine Kulturtechnik kapriziert, die er absolut nicht beherrscht: den Rap-Gesang. Seine Version von "Kiss Me" - dem einzigen Hit, den sein späterer Co-Komponist Stephen Duffy ohne ihn hatte - klingt mehr nach Eighties-Jägermeister-Party als das Original. Und das stammt von 1985. Unter den fünf enthaltenen Cover-Versionen ist auch ein bizarres Lied, das der Elektronikkünstler My Robot Friend aus Versatzstücken von Pet-Shop-Boys-Liedern zusammengesetzt hat. Ernsthaft, Robbie Williams singt "We're the Pet Shop Boys!" und läßt sich dabei von den zwei echten Boys begleiten.
Alles in allem ist "Rudebox" derartig schlecht, daß am Ende nur eine einzige Erklärung bleibt: Der Mann will so schnell wie möglich die lästige Pflicht erfüllen. Als Williams Ende 2002 für die unschlagbare Garantiesumme von 80 Millionen Pfund wieder bei der Plattenfirma EMI unterschrieb, forderte der Vertrag vier Alben von ihm - "Rudebox", in Rekordzeit während der Welttour hingeschludert, nur ein Jahr nach dem sieben Millionen Mal verkauften "Intensive Care" veröffentlicht, ist schon das dritte. Dazu paßt sogar die einzige zitierfähige Neuigkeit, die Robbie Williams im "Spiegel"-Interview äußerte: Er fühle sich von der Musikindustrie vergewaltigt und werde keinen neuen Plattenvertrag unterschreiben, wenn der alte ausgelaufen sei.
Man braucht sich gar nicht erst einzubilden, daß Robbie Williams eine solche Bemerkung herausrutschen würde, wie es seine privaten Körperteile manchmal bei Konzerten tun. Auch wenn es schon tausendfach gesagt wurde: Kein anderer Popstar hat die Rechte und Pflichten des modernen Celebrity-Daseins so konsequent für sich genutzt. Er hat in Liedtexten und Interviews so beharrlich und detailliert von sich selbst erzählt, von klinischen Depressionen, Drogenkapriolen und der Sehnsucht nach Liebe, daß die Leute ihn erst für einen Schauspieler halten mußten und dann - weil er immer noch nicht zu reden aufhörte - vielleicht doch für glaubwürdig.
Die Frage, ob Williams wirklich er selbst ist oder sein eigener böser Zwilling oder nur der Parade-Affe des Showgeschäfts, ist genauso dämlich wie die Platte, um die es hier geht. Und gerade deshalb ist "Rudebox" eine neue, verwirrende und interessante Antwort darauf.
Sein Lieblingsthema, die Qual des Berühmtseins, läßt Williams dieses Mal nämlich komplett aus. Am ehesten erinnert das Stück "Good Doctor" daran, in dem er um Pillen gegen die Traurigkeit bettelt - aber die Musik zitiert derart offensichtlich den ecstasybeflügelten Dance-Pop der späten Achtziger, daß man sich gar nichts anderes vorstellen kann als den Teenager-Robbie, der auf dem besagten Disko-Klo mit dem Dealer feilscht. Lange hieß es ja, die Platte solle "1974" heißen, nach seinem Geburtsjahr. Und tatsächlich ist "Rudebox" - bei näherer Betrachtung aller offenen und versteckten Andeutungen - exakt die Platte, die Robbie Williams ganz sicher gemacht hätte, wenn er mit 14 als kiffender, hiphopbegeisterter Schulhof-Simpel in ein Aufnahmestudio eingebrochen wäre. Die einzige Rückwärtsutopie, die ein 32jähriger Superduper-Star noch haben kann: Musik zu machen, als sei zwischendurch gar nichts passiert.
Das erklärt auch die Melancholie, die eher subtil durch die Lieder klingt und nicht andeutungsweise das Pathos des Achtziger-Erinnerungsgewerbes erreicht. Natürlich ist das eine Geschichte vom verlorenen Paradies, und die behandelt Robbie Williams am Ende ganz explizit im holpernden Rap "The 80s", schickt der Vollständigkeit halber gleich noch "The 90s" hinterher und unterschlägt dabei glatt ein halbes Jahrzehnt: "That was the 90s, 90 to 95". 1995 flog er bei der Jungsgruppe Take That raus. Wenn das heißen soll, daß seine Jugend eigentlich erst damit zu Ende ging, wäre das doch noch ein neuer Aspekt für die Williams-Exegese. Wieder redet er nur über sich. Und wieder sollen wir alle zuhören.
Paradox: "Rudebox" ist die erste richtig schlechte Platte dieses Mannes, aber gleichzeitig so etwas wie sein erstes echtes künstlerisches Statement. Wenn Robbie Williams sich jetzt langsam auf den Weg von ganz oben nach ganz unten macht, könnte das noch höchst amüsant werden.
JOACHIM HENTSCHEL.
"Rudebox" ist bei EMI erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mittelmaß und Wahn: "Rudebox", das neue Album von Robbie Williams, gibt Rätsel auf
Damit erst gar nicht zu viel Spannung aufkommt: Die Schadenfreude, den so unerträglich beliebten Robbie Williams endlich mal scheitern zu sehen, macht am Ende doch keinen Spaß. Obwohl sein neues, insgesamt siebtes Studioalbum "Rudebox" genau die künstlerische Totalkatastrophe ist, auf die seine vielen Feinde und Neider lange gewartet haben.
Aber trotzdem: Irgend etwas stimmt hier nicht. Robbie Williams scheitert zu groß. Er scheitert für die Galerie, auf der ein Millionenpublikum Platz genommen hat. Er zwinkert sein von Großleinwänden bekanntes Zwinkern, während er den Ferrari gegen die Mauer donnert. Und kommt dann - das kann man auf einem Foto im CD-Booklet sogar sehen - auf einem BMX-Rad zurück ins Scheinwerferlicht. Möglicherweise genau so ein Rad wie jenes, von dem er im Lied "The 80s" erzählt, es sei ihm in Teenager-Zeiten aus Mutters Garage geklaut worden.
"Rudebox" hört sich erst mal an wie ein popmusikalisches Pendant zu den gräßlichen Büchern, in denen Frühdreißiger ihre Jugend verklären. So muß es sich anfühlen, wenn man beim Rückflug durch die Zeit im Jahr 1987 in eine Kleinstadt-Diskothek gerät und sich dort auf der Toilette einsperrt. Tanzmusik, wie Leute sie sich vorstellen, die seit zwanzig Jahren nicht mehr tanzen waren. Daß die neue Williams-Elektronik so flach, monoton und verwaschen vor sich hin schwappt wie der "Miami Vice"-Soundtrack - das könnte man noch damit erklären, daß die 80er-Jahre-Musik seit verschiedenen Revivals sowieso zum Werkzeugkasten des zeitgenössischen Pop gehört. Und daß Robbie Williams nie besonders modern klang.
Aber der größte Teil des neuen Albums ist lustloses Puppentheater. Nach Sinatra-Schmelz und Stadionballade hat Williams sich nun auf eine Kulturtechnik kapriziert, die er absolut nicht beherrscht: den Rap-Gesang. Seine Version von "Kiss Me" - dem einzigen Hit, den sein späterer Co-Komponist Stephen Duffy ohne ihn hatte - klingt mehr nach Eighties-Jägermeister-Party als das Original. Und das stammt von 1985. Unter den fünf enthaltenen Cover-Versionen ist auch ein bizarres Lied, das der Elektronikkünstler My Robot Friend aus Versatzstücken von Pet-Shop-Boys-Liedern zusammengesetzt hat. Ernsthaft, Robbie Williams singt "We're the Pet Shop Boys!" und läßt sich dabei von den zwei echten Boys begleiten.
Alles in allem ist "Rudebox" derartig schlecht, daß am Ende nur eine einzige Erklärung bleibt: Der Mann will so schnell wie möglich die lästige Pflicht erfüllen. Als Williams Ende 2002 für die unschlagbare Garantiesumme von 80 Millionen Pfund wieder bei der Plattenfirma EMI unterschrieb, forderte der Vertrag vier Alben von ihm - "Rudebox", in Rekordzeit während der Welttour hingeschludert, nur ein Jahr nach dem sieben Millionen Mal verkauften "Intensive Care" veröffentlicht, ist schon das dritte. Dazu paßt sogar die einzige zitierfähige Neuigkeit, die Robbie Williams im "Spiegel"-Interview äußerte: Er fühle sich von der Musikindustrie vergewaltigt und werde keinen neuen Plattenvertrag unterschreiben, wenn der alte ausgelaufen sei.
Man braucht sich gar nicht erst einzubilden, daß Robbie Williams eine solche Bemerkung herausrutschen würde, wie es seine privaten Körperteile manchmal bei Konzerten tun. Auch wenn es schon tausendfach gesagt wurde: Kein anderer Popstar hat die Rechte und Pflichten des modernen Celebrity-Daseins so konsequent für sich genutzt. Er hat in Liedtexten und Interviews so beharrlich und detailliert von sich selbst erzählt, von klinischen Depressionen, Drogenkapriolen und der Sehnsucht nach Liebe, daß die Leute ihn erst für einen Schauspieler halten mußten und dann - weil er immer noch nicht zu reden aufhörte - vielleicht doch für glaubwürdig.
Die Frage, ob Williams wirklich er selbst ist oder sein eigener böser Zwilling oder nur der Parade-Affe des Showgeschäfts, ist genauso dämlich wie die Platte, um die es hier geht. Und gerade deshalb ist "Rudebox" eine neue, verwirrende und interessante Antwort darauf.
Sein Lieblingsthema, die Qual des Berühmtseins, läßt Williams dieses Mal nämlich komplett aus. Am ehesten erinnert das Stück "Good Doctor" daran, in dem er um Pillen gegen die Traurigkeit bettelt - aber die Musik zitiert derart offensichtlich den ecstasybeflügelten Dance-Pop der späten Achtziger, daß man sich gar nichts anderes vorstellen kann als den Teenager-Robbie, der auf dem besagten Disko-Klo mit dem Dealer feilscht. Lange hieß es ja, die Platte solle "1974" heißen, nach seinem Geburtsjahr. Und tatsächlich ist "Rudebox" - bei näherer Betrachtung aller offenen und versteckten Andeutungen - exakt die Platte, die Robbie Williams ganz sicher gemacht hätte, wenn er mit 14 als kiffender, hiphopbegeisterter Schulhof-Simpel in ein Aufnahmestudio eingebrochen wäre. Die einzige Rückwärtsutopie, die ein 32jähriger Superduper-Star noch haben kann: Musik zu machen, als sei zwischendurch gar nichts passiert.
Das erklärt auch die Melancholie, die eher subtil durch die Lieder klingt und nicht andeutungsweise das Pathos des Achtziger-Erinnerungsgewerbes erreicht. Natürlich ist das eine Geschichte vom verlorenen Paradies, und die behandelt Robbie Williams am Ende ganz explizit im holpernden Rap "The 80s", schickt der Vollständigkeit halber gleich noch "The 90s" hinterher und unterschlägt dabei glatt ein halbes Jahrzehnt: "That was the 90s, 90 to 95". 1995 flog er bei der Jungsgruppe Take That raus. Wenn das heißen soll, daß seine Jugend eigentlich erst damit zu Ende ging, wäre das doch noch ein neuer Aspekt für die Williams-Exegese. Wieder redet er nur über sich. Und wieder sollen wir alle zuhören.
Paradox: "Rudebox" ist die erste richtig schlechte Platte dieses Mannes, aber gleichzeitig so etwas wie sein erstes echtes künstlerisches Statement. Wenn Robbie Williams sich jetzt langsam auf den Weg von ganz oben nach ganz unten macht, könnte das noch höchst amüsant werden.
JOACHIM HENTSCHEL.
"Rudebox" ist bei EMI erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main