12 Mio. verkaufte Tonträger / 8 Mio. Konzertbesucher / 20x Gold und 10x Platin für diverse Alben / 30 Jahre Bandgeschichte!Das Phänomen PUR kann man kaum in Worte fassen. Hartmut Engler schafft es mit seinen Jungs seit mehr als 30 Jahren, unzählige Menschen zu berühren und ihnen etwas zu geben, das sie mitnehmen können und ihnen auch noch lange danach ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und jetzt kann man es kurz und knapp auf den Punkt bringen: PUR sind zurück. Ein Jahr nach ihrer ausverkauften Tour zum 30-jährigen Bandjubiläum (2011) und drei Jahre nach Erscheinen ihres letzten Studioalbums (2009) stehen die fünf Schwaben endlich wieder mit einem neuen Album in den Startlöchern: "Schein und Sein"! PUR sind inzwischen Kult, ihre Konzerte legendär. Sie haben, unter anderem mit ihren acht Nummer-eins-Alben, eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die hierzulande ihresgleichen sucht. Mit ihrem neuen Album werden sie dieser ein weiteres Kapitel voller magischer Momente hinzufügen. - DeluxeEdt.: Digipack inklusive Booklet, 14 Songs + Bonus DVD mit Making of des Albums.
CDDVD | |||
1 | Schein und Sein | 00:03:41 | |
2 | Ich bin Dein Lied | 00:03:32 | |
3 | Stark | 00:03:48 | |
4 | Sacre-Coeur | 00:03:43 | |
5 | Frei | 00:04:14 | |
6 | Der bestmögliche Versuch | 00:03:33 | |
7 | Geht es Dir gut | 00:04:53 | |
8 | Jedes Mal | 00:04:32 | |
9 | Du lügst | 00:03:51 | |
10 | Lucy | 00:03:44 | |
11 | Leonie Tamina | 00:05:10 | |
12 | Hohlraumversiegelung | 00:02:58 | |
13 | Parkbank | 00:03:50 | |
14 | Der Trick dabei | 00:04:22 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2012Aktion Mensch
Eine neue Platte von Pur - und die alte Frage, warum so viele so eine Musik hören wollen
Nein, Pur nicht zu mögen heißt nicht, sich selbst nicht zu mögen. Es gibt noch eine andere Bundesrepublik. Die Band aus Schwaben ist nicht identisch mit dem Land, in dem sie seit Jahren Millionen Platten verkauft. Hier leben nicht nur Menschen, die sich Stofftiere an die Reißverschlüsse ihrer Rucksäcke machen. Und Postkarten mit Diddlmäusen verschicken. Die Bürotassen haben. Und Katzenkalender an der Wand. Die Funktionsjacken tragen und Wanderschuhe, als sei das hier die Tundra und nicht ein Land, wo jeder Privathaftpflicht hat und Strom.
Und es hilft auch nicht, dass jetzt, wo die neue Platte von Pur erschienen ist, sie heißt "Schein und Sein" und ist die vierzehnte in über dreißig Jahren Bandgeschichte, wieder ständig zu lesen ist, dieser Hartmut Engler sei aber doch so ein netter Mensch. Engler ist der Sänger und Texter von Pur, und wenn er wirklich so nett ist, warum geht er dann auf die Öffentlichkeit los mit Zeilen wie "Auch an den allerschönsten Körpern nagt der Weisheitszahn der Zeit"? Oder: "Du blitzt mich an mit deinen Funkelperlenaugen, das tut so gut, da ist so viel für mich drin, das hilft viel besser als jedes Reden, jedes Denken, nur noch Fühlen, nur noch Spüren macht jetzt Sinn."
Und Bietigheim-Bissingen kann man auch nicht gegen Pur ausspielen, das wäre nicht fair, die Fantastischen Vier kommen ja auch aus der Ecke, Großraum Stuttgart. Pur ist auch kein deutscher Sonderweg. In älteren Demokratien der Welt gibt es genauso Bands, die an die Weisheit der Clowns glauben, an die Poesie der Piraten und Dompteure und Drachen, an die höhere Einsicht der Seiltänzer, an das Kind in uns allen - oder eben nicht mehr daran glauben, sondern vielmehr verstanden haben und nutzen, dass es unter Erwachsenen mit Berufen und Privathaftpflicht und Rücken offenbar ein großes Bedürfnis gibt nach zirkushaftem Staunen mit offenem Mund. Nach reflexionsfreiem Bewundern von Erscheinungen, die einem kurz die Gegenwart verwandeln, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen hätte. (Dafür braucht man auch gar nicht unbedingt Bands, in Frankreich hat diese Verzauberungsfunktion vor Jahren zum Beispiel ein Film wie "Die fabelhafte Welt der Amélie" erfüllt.)
"Begegnungen mit Menschen hinterlassen bei Hartmut Engler tiefe Eindrücke", steht im Begleitheft zur neuen CD, die an die Presse verschickt wurde, und man könnte das leicht als Werbeprosa beiseitelegen, wenn diese "Begegnungen" nicht schon so lange auch zum Jargon evangelischer und katholischer Kirchentage gehörten - noch so ein Wort, an dem ein Stofftier baumelt. Es reicht, in dieser Weltsicht, sich einfach nur zu treffen, um etwas zu verändern.
Begegnungen mit Pur und der Presse gehen dagegen meistens nicht gut aus für Pur. Selbst wenn sie gelobt werden, wie das die "Spex" mal gemacht hat, ist das am Ende natürlich ein kostümiertes, paternalistisches Fertigmachen, eine witzige Idee, die sich aus der Überraschung speist, die Band einmal nicht in Grund und Boden zu stampfen - weil es öde wäre, immer das Gleiche und Richtige zu schreiben, dass Platten von Pur nämlich körperlich weh tun. Wenn man die Band aber ernst nimmt, dann muss man ihr vor allem ein schlüssiges Businessmodell bescheinigen, ähnlich dem Millionengeschäft Volksmusik. Wie gut das funktioniert hat bislang, erkennt man zum Beispiel daran, dass andere Bands der letzten dreißig Jahre, die es auch mit Seiltänzer-Pantomimen-Ästhetik versucht haben, eben heute nicht wie Pur die Schalke-Arena ausverkaufen. Wer erinnert sich noch an Clowns und Helden?
"Zu Spitzenzeiten hatte die Unternehmung Pur 900 Angestellte", behauptete Roland Bless vor zwei Jahren, der hat die Band Mitte der Siebziger gegründet, aber 2010 verlassen und sich danach in einer Reihe von Interviews bitter darüber beklagt, dass Engler und der Keyboarder Ingo Reidl die anderen von Pur wie Befehlsempfänger behandelten. Man kennt so was zwar auch von anderen Gruppen, von Kraftwerk zum Beispiel, aber da waren Fragen der Arbeitshierarchie Teil des ästhetischen Konzeptes, Kraftwerk hießen am Anfang ja sogar mal Organisation und achten bis heute darauf. Pur dagegen ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Bietigheim-Bissingen, das Slogans produziert, die sich die Angestellten mittelständischer Unternehmen an die Stoßstangen ihrer Autos und Computer kleben, in ihren kleinen Protestbegegnungen mit dem Alltag und den Chefs, die ihn regieren.
Ständig produzierten Pur im Laufe der letzten Jahrzehnte solche Lieder, immer neue Lieder über die Widersprüche zwischen Innen und Außen, über den Indianer, der eigentlich im Privathaftpflichtversicherer steckt, oder eben jetzt über Schein und Sein, ein Thema, das Engler, natürlich, wie denn sonst, "spannend" findet. Und wenn Pur auch nicht die Bundesrepublik sind, dann sind ihre Texte aber doch Dokumente einer bestimmten Touchy-Feely-Sprache, die in ihr gesprochen wird, "spannend", "ein Stück weit", so was, und darin sind sie vielleicht sogar wirklich authentischer - ein Begriff, der ständig fällt, wenn es um Pur geht, die Fans reden oft so - als jemand wie Herbert Grönemeyer, der ein ähnliches Publikum hat, aber seine Sätze komisch verbiegt.
"Du verdrehst die Wahrheit, bis sie dir in dein Bild passt", singt Hartmut Engler jetzt auf "Du lügst", "so verliert man sein Gesicht und steht bald allein." Das muss man erst mal schaffen: einen Satz aus einer Büroallerweltsunterhaltung, wie sie jeden Tag in der Bundesrepublik irgendwo fünfhundertmal geführt wird, zu einer Hymne zu machen. Wenn Hartmut Engler so etwas heute singt, dann hat es den Status einer Lebensweisheitsverkündigung. Auf der Tour im nächsten Jahr werden ihm diese Zeilen wieder aus tausend Mündern entgegenschallen.
Ironie ist dagegen machtlos. Humor auch. Humor ist bei Pur ein neues Lied wie "Hohlraumversiegelung", das im Refrain genau eine solche fordert, "Schluss mit dem gequatschten Stuss", und da werden sich die Fans sicher alle beömmeln über so einen crazy Ausdruck, wo die das immer herhaben! Und sie werden nicht denken, dass Engler komplett crazy geworden ist, weil er ein Lied über seine Katze Lucy geschrieben hat: "Lucy, wenn ich dich nicht hätt', beste Katze dieser Welt." Der römische Caligula wollte angeblich ein Pferd zum Konsul machen, Pur singen tatsächlich über Hartmut Englers Katze. Das ist Erfolg.
Die großen Fragen der Gegenwart interessieren die Band eher nicht, sondern der Mensch (und seine Haustiere), der Mensch als Sorgenkind und Adressat von Trostbotschaften. Neuere Sounds der Popmusik interessieren die Band auch nicht. Sie fühlt sich immer noch am wohlsten in der Lücke, die Marillion, Styx und die mittleren Genesis hinterlassen haben. Und wenn es Pur dann eines Tages nicht mehr geben sollte, stehen Silbermond schon bereit, diese Lücke zu füllen. Der Trick ist, etwas Popmusik zu nennen und in Popmusik zu kleiden, was eigentlich Schlager ist. Falls es da einen Unterschied gibt, haben Pur den für sich längst aufgelöst.
TOBIAS RÜTHER
"Schein und Sein". Universal
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine neue Platte von Pur - und die alte Frage, warum so viele so eine Musik hören wollen
Nein, Pur nicht zu mögen heißt nicht, sich selbst nicht zu mögen. Es gibt noch eine andere Bundesrepublik. Die Band aus Schwaben ist nicht identisch mit dem Land, in dem sie seit Jahren Millionen Platten verkauft. Hier leben nicht nur Menschen, die sich Stofftiere an die Reißverschlüsse ihrer Rucksäcke machen. Und Postkarten mit Diddlmäusen verschicken. Die Bürotassen haben. Und Katzenkalender an der Wand. Die Funktionsjacken tragen und Wanderschuhe, als sei das hier die Tundra und nicht ein Land, wo jeder Privathaftpflicht hat und Strom.
Und es hilft auch nicht, dass jetzt, wo die neue Platte von Pur erschienen ist, sie heißt "Schein und Sein" und ist die vierzehnte in über dreißig Jahren Bandgeschichte, wieder ständig zu lesen ist, dieser Hartmut Engler sei aber doch so ein netter Mensch. Engler ist der Sänger und Texter von Pur, und wenn er wirklich so nett ist, warum geht er dann auf die Öffentlichkeit los mit Zeilen wie "Auch an den allerschönsten Körpern nagt der Weisheitszahn der Zeit"? Oder: "Du blitzt mich an mit deinen Funkelperlenaugen, das tut so gut, da ist so viel für mich drin, das hilft viel besser als jedes Reden, jedes Denken, nur noch Fühlen, nur noch Spüren macht jetzt Sinn."
Und Bietigheim-Bissingen kann man auch nicht gegen Pur ausspielen, das wäre nicht fair, die Fantastischen Vier kommen ja auch aus der Ecke, Großraum Stuttgart. Pur ist auch kein deutscher Sonderweg. In älteren Demokratien der Welt gibt es genauso Bands, die an die Weisheit der Clowns glauben, an die Poesie der Piraten und Dompteure und Drachen, an die höhere Einsicht der Seiltänzer, an das Kind in uns allen - oder eben nicht mehr daran glauben, sondern vielmehr verstanden haben und nutzen, dass es unter Erwachsenen mit Berufen und Privathaftpflicht und Rücken offenbar ein großes Bedürfnis gibt nach zirkushaftem Staunen mit offenem Mund. Nach reflexionsfreiem Bewundern von Erscheinungen, die einem kurz die Gegenwart verwandeln, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen hätte. (Dafür braucht man auch gar nicht unbedingt Bands, in Frankreich hat diese Verzauberungsfunktion vor Jahren zum Beispiel ein Film wie "Die fabelhafte Welt der Amélie" erfüllt.)
"Begegnungen mit Menschen hinterlassen bei Hartmut Engler tiefe Eindrücke", steht im Begleitheft zur neuen CD, die an die Presse verschickt wurde, und man könnte das leicht als Werbeprosa beiseitelegen, wenn diese "Begegnungen" nicht schon so lange auch zum Jargon evangelischer und katholischer Kirchentage gehörten - noch so ein Wort, an dem ein Stofftier baumelt. Es reicht, in dieser Weltsicht, sich einfach nur zu treffen, um etwas zu verändern.
Begegnungen mit Pur und der Presse gehen dagegen meistens nicht gut aus für Pur. Selbst wenn sie gelobt werden, wie das die "Spex" mal gemacht hat, ist das am Ende natürlich ein kostümiertes, paternalistisches Fertigmachen, eine witzige Idee, die sich aus der Überraschung speist, die Band einmal nicht in Grund und Boden zu stampfen - weil es öde wäre, immer das Gleiche und Richtige zu schreiben, dass Platten von Pur nämlich körperlich weh tun. Wenn man die Band aber ernst nimmt, dann muss man ihr vor allem ein schlüssiges Businessmodell bescheinigen, ähnlich dem Millionengeschäft Volksmusik. Wie gut das funktioniert hat bislang, erkennt man zum Beispiel daran, dass andere Bands der letzten dreißig Jahre, die es auch mit Seiltänzer-Pantomimen-Ästhetik versucht haben, eben heute nicht wie Pur die Schalke-Arena ausverkaufen. Wer erinnert sich noch an Clowns und Helden?
"Zu Spitzenzeiten hatte die Unternehmung Pur 900 Angestellte", behauptete Roland Bless vor zwei Jahren, der hat die Band Mitte der Siebziger gegründet, aber 2010 verlassen und sich danach in einer Reihe von Interviews bitter darüber beklagt, dass Engler und der Keyboarder Ingo Reidl die anderen von Pur wie Befehlsempfänger behandelten. Man kennt so was zwar auch von anderen Gruppen, von Kraftwerk zum Beispiel, aber da waren Fragen der Arbeitshierarchie Teil des ästhetischen Konzeptes, Kraftwerk hießen am Anfang ja sogar mal Organisation und achten bis heute darauf. Pur dagegen ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Bietigheim-Bissingen, das Slogans produziert, die sich die Angestellten mittelständischer Unternehmen an die Stoßstangen ihrer Autos und Computer kleben, in ihren kleinen Protestbegegnungen mit dem Alltag und den Chefs, die ihn regieren.
Ständig produzierten Pur im Laufe der letzten Jahrzehnte solche Lieder, immer neue Lieder über die Widersprüche zwischen Innen und Außen, über den Indianer, der eigentlich im Privathaftpflichtversicherer steckt, oder eben jetzt über Schein und Sein, ein Thema, das Engler, natürlich, wie denn sonst, "spannend" findet. Und wenn Pur auch nicht die Bundesrepublik sind, dann sind ihre Texte aber doch Dokumente einer bestimmten Touchy-Feely-Sprache, die in ihr gesprochen wird, "spannend", "ein Stück weit", so was, und darin sind sie vielleicht sogar wirklich authentischer - ein Begriff, der ständig fällt, wenn es um Pur geht, die Fans reden oft so - als jemand wie Herbert Grönemeyer, der ein ähnliches Publikum hat, aber seine Sätze komisch verbiegt.
"Du verdrehst die Wahrheit, bis sie dir in dein Bild passt", singt Hartmut Engler jetzt auf "Du lügst", "so verliert man sein Gesicht und steht bald allein." Das muss man erst mal schaffen: einen Satz aus einer Büroallerweltsunterhaltung, wie sie jeden Tag in der Bundesrepublik irgendwo fünfhundertmal geführt wird, zu einer Hymne zu machen. Wenn Hartmut Engler so etwas heute singt, dann hat es den Status einer Lebensweisheitsverkündigung. Auf der Tour im nächsten Jahr werden ihm diese Zeilen wieder aus tausend Mündern entgegenschallen.
Ironie ist dagegen machtlos. Humor auch. Humor ist bei Pur ein neues Lied wie "Hohlraumversiegelung", das im Refrain genau eine solche fordert, "Schluss mit dem gequatschten Stuss", und da werden sich die Fans sicher alle beömmeln über so einen crazy Ausdruck, wo die das immer herhaben! Und sie werden nicht denken, dass Engler komplett crazy geworden ist, weil er ein Lied über seine Katze Lucy geschrieben hat: "Lucy, wenn ich dich nicht hätt', beste Katze dieser Welt." Der römische Caligula wollte angeblich ein Pferd zum Konsul machen, Pur singen tatsächlich über Hartmut Englers Katze. Das ist Erfolg.
Die großen Fragen der Gegenwart interessieren die Band eher nicht, sondern der Mensch (und seine Haustiere), der Mensch als Sorgenkind und Adressat von Trostbotschaften. Neuere Sounds der Popmusik interessieren die Band auch nicht. Sie fühlt sich immer noch am wohlsten in der Lücke, die Marillion, Styx und die mittleren Genesis hinterlassen haben. Und wenn es Pur dann eines Tages nicht mehr geben sollte, stehen Silbermond schon bereit, diese Lücke zu füllen. Der Trick ist, etwas Popmusik zu nennen und in Popmusik zu kleiden, was eigentlich Schlager ist. Falls es da einen Unterschied gibt, haben Pur den für sich längst aufgelöst.
TOBIAS RÜTHER
"Schein und Sein". Universal
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main