Produktdetails
Trackliste
CD
1Blue Blood Blues00:03:22
2Hustle And Cuss00:03:45
3The Difference Between Us00:03:37
4I'm Mad00:03:16
5Die By The Drop00:03:29
6I Can't Hear You00:03:35
7Gasoline00:02:44
8No Horse00:02:49
9Looking At The Invisible Man00:02:42
10Jawbreaker00:02:58
11Old Mary00:02:52
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2010

Riffs von der Haxe
The Dead Weather schlachten zu Hause

Zu den Mythen der Rockmusik gehört es, dass etwa alle zehn Jahre eine Rückkehr zu den Wurzeln stattfindet. Immer, wenn es artifiziell und selbstzufrieden wird, kommen so ein paar Dreschflegel mit ihren Gitarren und stellen die Uhr zurück. So war es auch vor zehn Jahren, als ein junger Mann und seine vermeintliche Schwester gemeinsam drauflosdroschen: eine Gitarre und ein bisschen Schlagzeug - die Torso-Band als frisch-freches Reduktionsprogramm. Die White Stripes beglückten Publikum und Fachpresse - Kritiker lieben ja Minimalismus (immer modern, immer Bauhaus!) und verabscheuen das "Muckertum". Seitdem wird Jack White von manchen als eine Art Messias der Rockmusik verehrt.

Und er hat eine Art heilige Dreifaltigkeit entwickelt. Auf die Zweitband The Raconteurs (Pop-Rock-orientiert) folgte vor einem Jahr die dritte Formation The Dead Weather mit dem fulminanten Debütalbum "Horehound". Während die White Stripes den hinsiechenden Rock mit den Stammzellen des Blues heilen wollten, geht hier das Programm andersrum: den Blues wieder mit hartem Rock auf die Beine stellen. Auf den ersten Blick wirken Dead Weather wie eine gestylte Supergroup mit weißen Gretsch-Gitarren. Jack White schüttelt die Locken am Schlagzeug, Jack Lawrence von den Raconteurs gibt den Bassisten als großbebrillten Nerd, Dean Fertita von den Queens of the Stone Age sieht einfach sehr gut aus und ist zuständig für Krachgitarre und Keyboards, Alison Mosshart von The Kills kann bestimmt auf einem Besen reiten und singt sich im Duett mit White die Kehle aus dem Hals.

Man bewegt sich im Wilden Westen des Blues. Da knirscht der Wüstenstaub, fegen scharfe Winde um den Saloon, rosten Autowracks im gleißenden Licht und wiehert das Pony diabolisch. "I had a Pony / her name was Lucifer", heißt es in Bob Dylans Song, der in einer bestechenden Krawallversion auf "Horehound" zu hören war. Es war eine Platte, die vor allem durch ihre luziferisch-erotische Atmosphäre überzeugte. Wie in das mit schwellender Orgel drohende "So Far From Your Weapon" das hochaggressive "Treat Me Like Your Mother" hineinbretterte - das hatte Klasse. Beim zweiten Album "Sea of Cowards" sollte nun offensichtlich mehr Druck und Tempo gemacht werden. Der Blues bleibt dabei weitgehend auf der Strecke. Stattdessen wird eher ein Garagenrock gespielt, der in keine Garage passt.

Die Band hat am Soundbild gearbeitet, saucool und verrucht soll es klingen. Man will zurück zur Wut und Aggression, die diese Musik einmal ausstrahlte, bevor sie zum generationsübergreifenden Entertainment wurde. Mosshart und White schreien, als wäre der Geist von Janis Joplin je zur Hälfte in sie gefahren. Die Gitarrenarbeit bietet Riffs nicht vom Filetstück, sondern von der Haxe. Hier wird noch hausgeschlachtet. Dazu Hammond-Orgel und Moog-Sounds der frühen Siebziger - da klangen die Keyboards noch nicht nach Plastik, sondern kamen schwer und wuchtig daher.

Das Material ist beschränkt, aber es wird mit größtmöglicher Energie rausgehauen. "Gasoline", der beste Song des Albums, ist das Musterbeispiel für dieses Kompressionsverfahren. Die Strophe dauert mal gerade zwölf Sekunden, dann lässt Mosshart das Zicken-Shouting hinter sich und geht mit der Schärfe einer Luftschutzsirene in den Refrain: "I don't want a sweetheart / I want a machine / When you're so close to me / I can smell the gasoliiiiine". Die Band pumpt wie ein Maschinenpark, die Orgel hat den Schüttelkrampf, dazu ein Gitarrensolo, das wie besessen auf ein paar Tönen herumzerrt. Es folgt das lässig hingehauene "No Horse" - Stumpfrock à la carte. Nein, das ist keine Musik für "Sweethearts". Man zelebriert die Southern-Gothic-Atmosphäre von Wahn und ungesunden Trieben. Mitunter wirkt der Wille zum Bösen aber ziemlich manieriert.

Das Album ist gerade mal fünfunddreißig Minuten lang. Weniger ist mehr? Nicht, wenn von elf Songs vier allenfalls zweitklassig sind. Der zunächst kräftig losstampfenden Single "Die by the Drop" fehlt der zündende Einfall. "Jawbreaker" ist ein aufgebrezelter, letztlich aber doch sehr einfältiger Rock-'n'-Roll-Dreher alter Schule, der besser im Proberaum geblieben wäre. "Blue Blood Blues", "Hussle and Cuss" und "I Can't Hear You" sind schöne Studien in schmutzigem Funkblues. Es groovt erstklassig und hochenergetisch vor sich hin. Nur fehlt auf dieser Grundlage ein anständiger musikalischer Brotaufstrich: Ein Refrain, der sich gekonnt hochschraubt wie in "Gasoline", ein interessanter melodischer Dreh oder ein Solo, das auf dem rhythmischen Teppich ein paar Salti schlägt.

"Sea Of Cowards" bietet mehr Sound als Song. Aber während viele Supergruppen Verwertungsgesellschaften des Ruhms sind, die am zweiten Album scheitern, haben Dead Weather die Hürde nach kurzem Anlauf unangestrengt übersprungen. Die Band lebt; und man darf gespannt sein auf die Küste, die jenseits des Meers der Feiglinge liegt.

WOLFGANG SCHNEIDER

The Dead Weather, Sea Of Cowards. Third Man Records 3077334 (Warner)

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