Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 28. September 2007
- Hersteller: Warner Music Group Germany Hol / Parlophone Label Group (PLG),
- EAN: 5099950862023
- Artikelnr.: 23069583
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Carry On Up The Morning | ||
2 | Delivery | ||
3 | You talk | ||
4 | UnBiloTitled | ||
5 | Side Of The Road | ||
6 | Crumb Begging Baghead | ||
7 | Unstookie Titled | ||
8 | French Dog Blues | ||
9 | There she goes | ||
10 | Baddie's Boogie | ||
11 | Deft left hand | ||
12 | Lost Art Of Murder |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2007Als ich mein Handy im Paradies verlor
Mit dem neuen Album seiner Band "Babyshambles" beschämt Pete Doherty seine Kritiker
Für einen Junkie ganz schön flink, dieser Doherty! Eigentlich hatte man sich doch seine Meinung über den unzureichend durchbluteten Rauschrocker gebildet und ihn irgendwo zwischen trauriger Nervensäge, mediengeilem Medienopfer und dionysischem Klischeehuber wegzusortieren versucht, da macht er einem mit der neuen "Babyshambles"-Platte einen breiten Strich durchs Bild. Seltsam, aber wahr: Der Drogie war wieder schneller.
Es wäre ja auch zu einfach gewesen: Gerne hätte man Doherty - der sich gegenwärtig mal wieder in der Entzugsklinik befindet - als Beweis dafür genommen, dass Rauschgift und Selbstmitleid auf Dauer der Musik nicht guttun. Und mediale Prostitution erst recht nicht. Aber so einfach ist es leider nicht. Wer der üblichen Pop-Fertigkeit überdrüssig geworden war, hatte mit dem Menetekel Doherty jedem Drogen-Romantizismus endgültig abschwören wollen. Und dann erscheint das neue "Babyshambles"-Album, und man wundert sich, dass der Typ, mit dem man sich eigentlich doch nie wieder beschäftigen wollte (weil es doch jeder andere und er selbst permanent lautstark taten), schon wieder so anrührende Gitarrenmusik macht, dass man glatt bereit ist, sich wieder für anrührende Gitarrenmusik zu begeistern.
"Shotter's Nation", das zweite "Babyshambles"-Album, ist deutlich sortierter als der Vorgänger. Klang "Down In Albion" noch exakt so, wie man sich die wechselnden Schlafstätten Dohertys vorstellte (wohlgemerkt die in jenen Nächten, an denen Kate Moss nicht fürs Hotel gezahlt hatte), so mutet die neue Platte an, als sei jemand zum Aufräumen vorbeigekommen und habe Doherty gezeigt, wie leicht es doch eigentlich ist, ein bisschen Ordnung in die Bude zu kriegen. Dieser Jemand ist kein Geringerer als die Produzenten-Legende Stephen Street, jener Mann also, der erfolgsentscheidend die Räuberleiter hielt, als (in den Achtzigern) "The Smiths" und (in den Neunzigern) "Blur" nach den süßen Britpop-Trauben griffen.
Hatte der ehemalige "Clash"-Mann Mick Jones zuvor als Aufnahmeleiter darauf gesetzt, einfach nur Dohertys wechselnde Launen zu dokumentieren, in dem er auf "Record" drückte, ist Street hörbar in einen Dialog mit der Band getreten. Zwar klingt "Shotter's Nation" immer noch nach abgekauten Fingernägeln, fortgeschrittener Bleichgesichtigkeit und vor Euphorie aufgeschlagenen Knien, aber das fast schmerzhaft Kaputte des Vorgängers wurde zum Glück hörerfreundlich fortverarztet. "Shotter's Nation" ist tatsächlich Pop, nicht einfach nur ein vernebelter Junkie-Traum davon.
Eins sollte man sich dennoch abschminken: den sinnlosen Versuch, den Musiker Doherty von dem öffentlichen Bild, dem tabloid-Typen, dem öffentlichkeitsgeilen Sensibilisten zu trennen und sich nur um den Künstler zu kümmern. Die Platte hat kaum begonnen, da hustet er einem in "Carry On Up the Morning" schon ungefragt poetische Selbsterklärungen um die Ohren: "Now in the morning where does all the pain go? / Same place the fame goes / Straight to your head / And it's not easy / Getting it out your head / And it's not easy / Getting them out your bed". Humor hat er zum Glück ja auch noch.
Fast alle Songs sind famos. Wie Brandlöcher in einem teuren geliehenen Hemd wirken sie, durch die man auf die nackte geschundene Haut sehen kann. "Delivery", die Single, ist ein offensichtlicher Hit mit deutlichen Kinks-Anleihen: "Grab a drink and go down town / where all the mods and the skins will get together and pray it's 1969 forever", heißt es in dem Stück, bevor im Refrain eine dieser typischen gravitätisch flatternden Doherty-Alkoholfahnen gehisst wird. Die eskapistische Hymne ist eins von mehreren Stücken, die Doherty bereits vor Monaten als Demos umsonst ins Netz gestellt hatte, wobei die nun vorliegenden Versionen ungleich strahlender klingen.
Es fällt fast schwer, die Höhepunkte auszumachen, so verschwenderisch schrubbt die Band die Hits herunter. "Shotter's Nation" ist eins jener Alben, bei dem die Favoriten täglich wechseln. Heute ragen das sich kieksend um Ecken drückende "You Talk" und das para-psychedelische "Crumb Beggin Baghead" heraus. Am Schluss setzt es mit "The Lost Art of Murder" dann die Ballade für die Ewigkeit, ganz so, wie es sich für ein großes Album gehört.
Doherty spielt also nach den Regeln. Brit-Folk-Legende Bert Jantsch assistiert hier etwas unerwartet, allerdings spielt er nur die begleitende Gitarre. Doherty zeigt hier wieder sein Talent als Lyriker: "And what a nice day for a murder / You call yourself a killer but the only thing that you're killing is your time / There's nothing absurder / A bird is just a burden / To your heart, your soul, your body, spirit and mind".
Es geht um Unerledigtes und Vergangenes im Paradies: "I lost my phone in paradise" singt Doherty. Dylan kommt einem in den Sinn, der auf seiner letzten Platte im großen "Spirit on the Water" sang, dass er nicht ins Paradies zurückkehren könne, weil er dort jemanden umgebracht habe. Doherty wiederum hat im Paradies sein Handy (vermutlich mit allen wichtigen Nummern) verloren. Typisch.
ERIC PFEIL.
Babyshambles, Shotter's Nation. Regal/Parlophone/Emi 5086202
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit dem neuen Album seiner Band "Babyshambles" beschämt Pete Doherty seine Kritiker
Für einen Junkie ganz schön flink, dieser Doherty! Eigentlich hatte man sich doch seine Meinung über den unzureichend durchbluteten Rauschrocker gebildet und ihn irgendwo zwischen trauriger Nervensäge, mediengeilem Medienopfer und dionysischem Klischeehuber wegzusortieren versucht, da macht er einem mit der neuen "Babyshambles"-Platte einen breiten Strich durchs Bild. Seltsam, aber wahr: Der Drogie war wieder schneller.
Es wäre ja auch zu einfach gewesen: Gerne hätte man Doherty - der sich gegenwärtig mal wieder in der Entzugsklinik befindet - als Beweis dafür genommen, dass Rauschgift und Selbstmitleid auf Dauer der Musik nicht guttun. Und mediale Prostitution erst recht nicht. Aber so einfach ist es leider nicht. Wer der üblichen Pop-Fertigkeit überdrüssig geworden war, hatte mit dem Menetekel Doherty jedem Drogen-Romantizismus endgültig abschwören wollen. Und dann erscheint das neue "Babyshambles"-Album, und man wundert sich, dass der Typ, mit dem man sich eigentlich doch nie wieder beschäftigen wollte (weil es doch jeder andere und er selbst permanent lautstark taten), schon wieder so anrührende Gitarrenmusik macht, dass man glatt bereit ist, sich wieder für anrührende Gitarrenmusik zu begeistern.
"Shotter's Nation", das zweite "Babyshambles"-Album, ist deutlich sortierter als der Vorgänger. Klang "Down In Albion" noch exakt so, wie man sich die wechselnden Schlafstätten Dohertys vorstellte (wohlgemerkt die in jenen Nächten, an denen Kate Moss nicht fürs Hotel gezahlt hatte), so mutet die neue Platte an, als sei jemand zum Aufräumen vorbeigekommen und habe Doherty gezeigt, wie leicht es doch eigentlich ist, ein bisschen Ordnung in die Bude zu kriegen. Dieser Jemand ist kein Geringerer als die Produzenten-Legende Stephen Street, jener Mann also, der erfolgsentscheidend die Räuberleiter hielt, als (in den Achtzigern) "The Smiths" und (in den Neunzigern) "Blur" nach den süßen Britpop-Trauben griffen.
Hatte der ehemalige "Clash"-Mann Mick Jones zuvor als Aufnahmeleiter darauf gesetzt, einfach nur Dohertys wechselnde Launen zu dokumentieren, in dem er auf "Record" drückte, ist Street hörbar in einen Dialog mit der Band getreten. Zwar klingt "Shotter's Nation" immer noch nach abgekauten Fingernägeln, fortgeschrittener Bleichgesichtigkeit und vor Euphorie aufgeschlagenen Knien, aber das fast schmerzhaft Kaputte des Vorgängers wurde zum Glück hörerfreundlich fortverarztet. "Shotter's Nation" ist tatsächlich Pop, nicht einfach nur ein vernebelter Junkie-Traum davon.
Eins sollte man sich dennoch abschminken: den sinnlosen Versuch, den Musiker Doherty von dem öffentlichen Bild, dem tabloid-Typen, dem öffentlichkeitsgeilen Sensibilisten zu trennen und sich nur um den Künstler zu kümmern. Die Platte hat kaum begonnen, da hustet er einem in "Carry On Up the Morning" schon ungefragt poetische Selbsterklärungen um die Ohren: "Now in the morning where does all the pain go? / Same place the fame goes / Straight to your head / And it's not easy / Getting it out your head / And it's not easy / Getting them out your bed". Humor hat er zum Glück ja auch noch.
Fast alle Songs sind famos. Wie Brandlöcher in einem teuren geliehenen Hemd wirken sie, durch die man auf die nackte geschundene Haut sehen kann. "Delivery", die Single, ist ein offensichtlicher Hit mit deutlichen Kinks-Anleihen: "Grab a drink and go down town / where all the mods and the skins will get together and pray it's 1969 forever", heißt es in dem Stück, bevor im Refrain eine dieser typischen gravitätisch flatternden Doherty-Alkoholfahnen gehisst wird. Die eskapistische Hymne ist eins von mehreren Stücken, die Doherty bereits vor Monaten als Demos umsonst ins Netz gestellt hatte, wobei die nun vorliegenden Versionen ungleich strahlender klingen.
Es fällt fast schwer, die Höhepunkte auszumachen, so verschwenderisch schrubbt die Band die Hits herunter. "Shotter's Nation" ist eins jener Alben, bei dem die Favoriten täglich wechseln. Heute ragen das sich kieksend um Ecken drückende "You Talk" und das para-psychedelische "Crumb Beggin Baghead" heraus. Am Schluss setzt es mit "The Lost Art of Murder" dann die Ballade für die Ewigkeit, ganz so, wie es sich für ein großes Album gehört.
Doherty spielt also nach den Regeln. Brit-Folk-Legende Bert Jantsch assistiert hier etwas unerwartet, allerdings spielt er nur die begleitende Gitarre. Doherty zeigt hier wieder sein Talent als Lyriker: "And what a nice day for a murder / You call yourself a killer but the only thing that you're killing is your time / There's nothing absurder / A bird is just a burden / To your heart, your soul, your body, spirit and mind".
Es geht um Unerledigtes und Vergangenes im Paradies: "I lost my phone in paradise" singt Doherty. Dylan kommt einem in den Sinn, der auf seiner letzten Platte im großen "Spirit on the Water" sang, dass er nicht ins Paradies zurückkehren könne, weil er dort jemanden umgebracht habe. Doherty wiederum hat im Paradies sein Handy (vermutlich mit allen wichtigen Nummern) verloren. Typisch.
ERIC PFEIL.
Babyshambles, Shotter's Nation. Regal/Parlophone/Emi 5086202
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main