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Stefano Battaglia und sein Trio führen hier fort, was sie mit ihrem vielgelobten Album The River of Anyder 2011 begonnen hatten mit einem Reigen aus zehn Battaglia-Eigenkompositionen, die alle inspiriert sind von den Beschreibungen mythischer Orte in der Kunst und Literatur, in Werken von Alfred Kubin, Jonathan Swift oder Italo Calvino. Songways finde eine neue, harmonische Balance aus archaischen Gesängen und Tänzen, rein tonalen, liedhaften Stücken und abstrakten Texturen, und spiegelt so die natürliche Entwicklung des Trios wider, bei der das Schlagzeug nun größeren Bewegungsspielraum hat,…mehr

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Produktbeschreibung
Stefano Battaglia und sein Trio führen hier fort, was sie mit ihrem vielgelobten Album The River of Anyder 2011 begonnen hatten mit einem Reigen aus zehn Battaglia-Eigenkompositionen, die alle inspiriert sind von den Beschreibungen mythischer Orte in der Kunst und Literatur, in Werken von Alfred Kubin, Jonathan Swift oder Italo Calvino. Songways finde eine neue, harmonische Balance aus archaischen Gesängen und Tänzen, rein tonalen, liedhaften Stücken und abstrakten Texturen, und spiegelt so die natürliche Entwicklung des Trios wider, bei der das Schlagzeug nun größeren Bewegungsspielraum hat, sagt der Pianist aus Mailand über das Konzept des neuen, von Manfred Eicher im April 2012 in Lugano produzierten Albums (Battaglias insgesamt bisher fünftem für ECM).
Trackliste
CD
1Euphonia Elegy00:12:11
2Ismaro00:05:09
3Vondervotteimittis00:07:23
4Armonia00:13:50
5Mildendo Wide Song00:06:10
6Monte Analogo00:06:52
7Abdias00:03:41
8Songways00:08:43
9Perla00:05:17
10Babel Hymn00:08:52
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2013

Diese Dreifaltigkeit hat noch Zukunft im Jazz

Bobo Stenson, Brad Mehldau und Stefano Battaglia machen das Klaviertrio mit neuen Alben zu einem großen Abenteuerspielplatz.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Jazz-Klaviertrio zu einem der wenigen Genres heutigen Musizierens gewandelt, in denen verschiedenste Traditionen in einen lebendigen Dialog eintreten können. Einer nie zuvor gekannten Fülle an Stilen und Formen steht das Klaviertrio als dreifaltiger Elementarklangkörper gegenüber, der die klangliche Spannbreite und historische Prägekraft besitzt, den Reichtum des musikalischen Erbes in sich aufzunehmen.

Bobo Stenson hat gewichtigen Anteil an dieser Entwicklung. Sein Klavierspiel ist durch alle Phasen des neueren Jazz hindurch gereift und hat sich von der Dominanz der Blasinstrumente emanzipiert. Zunächst Sideman für in Stockholm gastierende amerikanische Jazzgrößen, wirkte er in den Siebzigern an Meilensteinen des frühen Garbarek-Quartetts mit und prägte in den Achtzigern die Bands des Saxofonisten Charles Lloyd und des Trompeters Tomasz Stanko. Erst mit dem Klangkaleidoskop seiner Trioaufnahme "Serenity" wird Stenson selbst zum Protagonisten des Jazz. Die Fülle an Musiken, die das Trio seither assimiliert hat, umfasst skandinavische Traditionals, Kompositionen der Moderne und des Post-Bop-Jazz, aber auch Lieder, die politisch und in der lateinamerikanischen Folklore verwurzelt sein dürfen. Auf "Indicum" wird diese Programmatik nun um die Dimension freier Gruppenimprovisationen erweitert.

Jon Fält verwendet ein minimalistisches Drum-Set, legt allerlei Spielzeug auf einen kleinen Teppich um sich herum und trommelt gern auch mit den Händen, wenn er nicht am Ride-Becken sägt. Sein Stil ist eine wunderliche Mischung aus Paul Motian und Ringo Starr. Die spleenigen Grooves, die der junge Norweger auf "Indigo" oder dem Boléro "Indikon" beisteuert, die Eleganz seiner Besenarbeit, insbesondere aber der stets aus innerer Notwendigkeit hervorgehende Nuancenreichtum seines Spiels schließen sich mit dem in allen Lagen singenden Kontrabass von Anders Jormin zu einem elastischen Klanggewebe zusammen. Die so in jeder Sekunde dynamisch ausdifferenziert artikulierte Klangfarbenfreude verdeutlicht aufs schönste, wohin sich das Klaviertrio entwickelt hat.

Neben zwei Stücken Jormins entfalten vor allem das demütig tänzelnde "La Peregrinación" des Argentiniers Ariel Ramírez und das Kunstlied "Tit er jeg glad" des dänischen Spätromantikers Carl Nielsen jene Gelöstheit, die das Album im Ganzen prägt. Da wirkt es fast selbstverständlich, dass Wolf Biermanns klassenkämpferische "Ermutigung" ("Du, lass dich nicht erschrecken, / in dieser Schreckenszeit. / Das wollen sie doch bezwecken, dass wir die Waffen strecken, / schon vor dem großen Streit") in ein Bekenntnis zu Vergebung und Versöhnung umgedeutet wird.

Während das Bobo Stenson Trio ein Ensemble von wahren Klangraumbildnern ist, scheint sich der Sound des Brad Mehldau Trios aus permanenten Kollisionen zwischen den Spielern zu entwickeln. Die Formation ist so verzahnt und virtuos in ihren Grooves, dass man kaum realisiert, dass "Ode" und "Where Do You Start" die ersten Veröffentlichungen sind seit dem Album "Live" von 2008. Nach dieser Summe seines bisherigen Schaffens hatte sich Mehldau folgerichtig anderem zugewandt, Suiten und Liederzyklen entstanden.

Doch es war das Album "Songs", mit dem Mehldau 1998 das Jazz-Klaviertrio zu einer Besetzung machte, in der sich das Zusammenspiel - jenseits der zu eng gewordenen Kanons des Jazz - in ganz andere Bahnen lenken ließ; wenn man nämlich den Mut besaß, Pop-Juwelen von Nick Drake oder Radiohead als gehaltvolle Drehbücher für improvisierte Musik zu begreifen. Zudem gelang es Mehldau, seine exquisiten Kompositionen samt ihrer an Brahms geschulten Harmonik in federnden Jazz zu integrieren.

Die langen Entwicklungsverläufe, die in der klassischen Sonatensatzform, in ihrer Idiomatik aber tief in Jazz und Blues verwurzelt waren, vermisst man hier. Auf beiden Alben überzeugen hingegen Mehldaus Entwürfe prägnanter, rhythmusdominierter Motive, die keine Durchführung erlauben, sondern von Verdichtungen und harmonischen Akzentuierungen leben. Die Rolle, die dabei Jeff Ballard am Schlagzeug und Larry Grenadier am Bass erfüllen, ist traditionell. Bei den mit Jazz-Stilen spielenden Stücken wie dem verqueren "Bee Blues" oder dem frenetisch swingenden "Stan the Man" ist dies den Pastiches überaus zuträglich. Stücke mit narrativem Gestus wie Drakes "Time Has Told me" jedoch, bei denen das Trio vormals brillierte, enttäuschen. Selten gelingt es, thematische Entwicklungen mit der Stringenz von einst zu artikulieren, so dass auch Mehldaus irrwitzige Kaskaden von Läufen und Gegenläufen zwar die Hitze, nur selten aber die spirituelle Wucht eines Solos von McCoy Tyner entfalten.

Es gibt Ausnahmen: Das titelgebende Meta-Stück "Ode" gehört zum Feinsten, was Mehldau geschrieben hat, und schließt mit lakonischer Reife ebenjene erotischen Tiefen auf, an die dieser einst mit romantischer Inbrunst rührte: sanft tuckernd nimmt uns eine scheinbar kindliche Melodie Takt für Takt alles aus der Hand, was wir lieben, legt es lächelnd beiseite und tröstet uns zuletzt metaphysisch kichernd: "Die Liebe höret nimmer auf!"

Stefano Battaglias Musik kennt eine andere Lösung für existentielle Fundamentalprobleme: Erkenntnis des Allerwirklichsten. Der als junger Konzertpianist umjubelte Mailänder kultiviert eine Art Gnostizismus, der seit dem bahnbrechenden Album "The River of Anyder" (2011) das Klaviertrio als rituelle Praktik entdeckt hat. Noch kein Trio hat mit solch einer ästhetischen Entschlossenheit alle musikalischen Mittel in den Dienst der Idee gestellt, stets auch die Schönheit des Klangkörpers selbst zum Thema zu machen. Auf auskomponierten Grundlagen, die durch Cluster, Leitmotive und rhythmische Gesten miteinander verschränkt sind, versenkt sich das repetitive Rubato-Spiel des Trios nun auch auf "Songways" in eine Welt der Interferenzen und Obertöne. Battaglias ziseliertes Spiel scheint dabei mit west-östlichen Archaismen immer wieder imaginäre Orte aufzusuchen.

Auf die literarischen Angebote, die Battaglia in und mit seinen Titeln macht, wenn er uns von Homers "Ismaro" zu Edgar Allan Poes überpünktlichen Schildbürgern in der Erzählung "Vondervotteimittis" führt, sollte man sich einlassen: weil Lektüre und Klangerfahrung sich wechselseitig schärfen und weil man so viel tiefer in die poetischen Quellen eintaucht, aus denen sich Battaglias wundersames Schaffen speist.

ALESSANDRO TOPA

Bobo Stenson Trio, Indicum.

ECM 2233 (Universal)

Brad Mehldau Trio, Ode.

Nonesuch 529689 (Warner)

Brad Mehldau Trio, Where Do You Start.

Nonesuch 532029 (Warner)

Stefano Battaglia Trio, Songways.

ECM 2286 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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