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Produktdetails
Trackliste
CD + DVD Video 1
1Green00:03:03
2The attic00:02:15
3Kling I klang00:03:14
4Sleep of the serene00:02:00
5By the waters00:03:29
6That dangerous age00:02:30
7Study in blue00:06:37
8Dragonfly00:03:41
9When your gardens overgrown00:03:11
10Around the lake00:02:11
11Twilight00:00:20
12Drifters00:03:07
13Paperchase00:05:01
14Be happy children00:02:45
15Starlite00:03:41
16Devotion00:04:01
CD + DVD Video 2
1Green
2Dragonfly
3Sleep of the serene
4Be happy children
5Drifters
6Dragonfly
7Paperchase
8Track by track-Interview mit Paul Weller
9Exklusives Interview mit Paul Weller
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2012

Wenn dein Garten über sich hinauswächst

Die Stunde des wahren Paul-Weller-Fans schlägt in der bitteren Stunde der Niederlage. Ganz so schlimm ist das neue Album natürlich nicht. Man ist immer noch gut aufgehoben bei dem Engländer.

Vin Nils Minkmar

Wie kommt man als Popstar durch das mittlere Alter? Und wie verhält sich ein Fan, wenn das Objekt seiner Verehrung nicht irgendwann schweigt oder abtritt, sondern immer weiter macht, ohne Anzeichen von Ermüdung? Wenn der, dessen Songs man mit sechzehn und siebzehn Jahren kennenlernte, von dem man auch unzählige Statements und Interviews studiert hat, dessen Modefimmel man intensiver zur Kenntnis nahm, als gesund gewesen wäre, wenn das Idol also irgendwann fünfzig wird und Familienvater und trotz eines rockigen Lebensstils weder zur einstürzenden Ikone der Verruchtheit in der Kapelle des heiligen Keith Richards taugt, noch den Beruf gewechselt hat, hin zum Afrikahelfer oder Politprediger, beispielsweise?

Das sind die Fragen, auf die uns jedes neue Album von Paul Weller zurückwirft. Es sind Fragen nach dem, was vergänglich und was beständig ist in der Popmusik - und im Leben. Das genau ist auch ein Leitmotiv seines Werkes schon seit den verführerisch melodiösen Klängen von "My Ever Changing Moods": Das Schaukeln der Dinge ist, wie bei Montaigne, das zentrale Thema in den Songs von Paul Weller. Man weiß also nie, was man bekommt.

In dieser Phase seines Schaffens freuen wir uns vor allem über geniale Wiederaufnahmen und Neuinterpretationen seiner alten Stücke. Weil er schon früh so intensiv gestartet ist, verfügt er über einen ganzen musikalischen Kosmos, den er immer wieder besuchen und neu beschreiben kann. Am besten geschieht das alleine, weil er im Minimalismus am überzeugendsten ist, der kommt seinem leicht zwangsneurotischen Perfektionsdrang einfach entgegen. Aber schöner ist es zu mehreren, also erduldeten wir in den letzten Jahren Werke, die ihr Heil in einer akustischen Fülle, in Konzepten und Stilmixen suchen, es sind seltsame Wege. Und was tut der Fan? Er studiert sie, Minute für Minute. Denn der wahre Fan erweist sich nicht dann, wenn es Hits und Meisterwerke zu feiern gilt, das hat Nick Hornby am Exempel des Fußballfans treffend beschreiben. Der wahre Fan ist in der Niederlage ganz bei sich, denn beim Sieg jubeln irgendwie alle, in der bitteren Stunde der verregneten Niederlage hat man die Mannschaft für sich allein.

Dieses Album von Paul Weller markiert einen vergleichbaren Moment: Gewiss kein Meisterwerk, wird "Sonik Kicks" sich womöglich als ein Element des Übergangs zu einer völlig neuen Ära studieren lassen, dereinst im Rückblick. Fans haben immer etwas nordkoreanisches im Denken: Ein Flop ist bloß die dialektische Entsprechung zum Hit, ein als Fluch verkleideter Segen, wie die Inder sagen.

Was ist das für ein Album? Es versammelt vertraute Motive, man ist ganz aufgehoben im geschätzten englischen Gegenwartskosmos. Wir finden gleich zweimal Songs, die von den magischen Grenzbereichen zwischen Festland und Wasser, den Sümpfen und Mooren inspiriert sind, ein wichtiger poetischer Ort bei Weller, der auch im gesetzteren Alter das Naturerstaunen eines die Nachmittage verträumenden Teenagers aufbringen kann. "Study in Blue" ist ein Liebeslied mit klassischen Motiven: Das liebende Paar beobachtet mit voranschreitenden Stunden, wie die Welt sich blau färbt, einschließlich einer einst weißen Hauskatze.

Wir haben rundweg klassische Motive, einschließlich des bei Weller fast schon obligatorischen Lieds an seine Kinder, das auch hier wieder zu den besseren Stücken zählt. Es ist ein Trostlied an die zu Hause verbliebenen Kinder eines tourenden Musikers, mit dem der sich natürlich selbst tröstet. Die Intention, die Metaphern, der beschriebene Kosmos, alles geht, für Fans, in Ordnung, aber die Musik verunglückt. Es sind Sondierungen in komische Klangräume, wie die Regisseurs-Brüder Coen sie zur Untermalung des Auftritts eines komischen deutschen Musikstudenten aus den siebziger Jahren verwenden könnten, so mit Socken in den Sandalen und überdimensionierten Kopfhörern am Tonbandgerät. Es ist zu ernst und zu verspielt, jeweils unpassend, und manchmal auch schlicht ideenarm.

Ausnahme ist das melodiöse und stilistisch komplexe "When Your Garden's Overgrown", das man als Kandidat einer Wellerschen Renovierung beim nächsten Livealbum erwarten dürfte. Befreit von der anstrengenden Ambition, eine Soundlokomotive schaffen zu müssen, werden manche dieser Stücke auf der Bühne aufscheinen wie der Tautropfen in der Morgensonne, um es einmal südenglisch auszudrücken.

Das Publikum an der Suche so teilhaben zu lassen, nicht nachzulassen in der Arbeit an der Kunst und in der Interpretation des Lebens: So macht man es, wenn man in unseren Zeiten nach wahrer Größe strebt.

Paul Weller,

Sonik Kicks

Cooperative/Island Records 97056 (Universal)

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