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Produktdetails
Trackliste
CD
1On this day00:04:50
2A life that tip-toes00:06:32
3Slipping through00:04:13
4Under trees00:05:16
5Wade into the water00:06:42
6Broken wing00:03:58
7Movement of mass00:04:26
8Nobody hears it but you00:04:23
9This old place00:03:04
10Hillside ballad00:04:33
11When you're smiling00:03:33
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2021

Das Leben kommt auf Zehenspitzen

Joe Chambers ist einer der weniger besungenen Helden der klassischen Jazz-Ära der sechziger Jahre. Auf "Samba De Maracuta" (Blue Note/Universal) hält der Schlagzeuger Rückschau, mit vielen der Komponisten der Stücke hat er damals selbst zusammengespielt, etwa in der Band des Saxophonisten Wayne Shorter, dessen "Rio" er hier neu interpretiert, oder in der des Vibraphonisten Bobby Hutcherson, dessen Klassiker "Visions" er eine zündende Auffrischung verpasst. Chambers ist auch selbst ein ausgezeichneter Vibraphonist, der auf "Samba De Maracuta" per Overdub oft mit sich selbst im Duett spielt. Neben den elektrisierenden Neufassungen diverser Jazzklassiker und Wiederentdeckungen eigener Stücke ist der Clou des Albums der Song "New York State Of Mind Rain", in dem Chambers Nas' HipHop-Klassiker "New York State Of Mind" mit seiner eigenen Komposition "Mind Rain" verquirlt und mit einer Gasteinlage des Rappers MC Parrain abschmeckt. Das hätte man dem lässigen Veteranen, der auf die achtzig zugeht, gar nicht unbedingt zugetraut.

roth

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Als Jesus starb, verfinsterte sich die Sonne. "And the sun darkened" heißt die Aufnahme zur Passionszeit des A-cappella-Ensembles New York Polyphony (BIS). Die vier Sänger führen in großartiger Einigkeit vor, wie farbig und dynamisch Musik aus drei Jahrhunderten klingt, die das Leiden, das Kreuz, die Bitte um Erlösung zum Thema hat. Das Programm kombiniert magisch polyphone Renaissance-Motetten von Loyset Compère und Adrian Willaert mit einer klagenden Vertonung des 55. Psalms des britisch-norwegischen Komponisten Andrew Smith (Jahrgang 1970), der auch schon mit "Gothic Voices" zusammengearbeitet hat. Das gleichsam objektive Latein der alten Kompositionen bekommt hier persönliche Ausdruckskraft; der wiederholte Ruf "Exaudi" wirkt wie körperliches Vor- und Zurückwiegen. Eine neue Farbe bringt die estnische Version des 22. Psalms von Cyrillus Kreek (1889 bis 1962). Das muttersprachliche, sanft dissonierende "Mu Jumal!" (Mein Gott!) in dem Sterbeausruf Jesu greift unmittelbar ans Herz.

art

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Wer am Sonntag immer noch "Sunday Morning" von Velvet Underground auflegt, hat jetzt endlich eine Alternative. Die "Sunday Songs" (NXN/Naxos) des Norwegers Jonas Sjøvaag sind allesamt in einer ähnlichen pastoralen Stimmung gehalten. Der Mann ist eigentlich Schlagzeuger und Mitglied des Eple Trios, die Kollegen Andreas Ulvo am Klavier und Sigurd Hole am Bass sind auf seinem Soloalbum ebenfalls an Bord. Doch hier singt er, und seine eigentümlich belegte Stimme nimmt einen sofort gefangen. Die zehn Stücke - eine Cover-Version von "When You're Smiling" macht die Sammlung komplett - hat Sjøvaag bei einem Aufenthalt in Florenz geschrieben, doch von südlicher Sonne ist wenig zu spüren. Die stark vom Klavier geprägten Lieder haben eher etwas Gedämpftes und Nebulöses, "Under Trees" etwa fängt die Stimmung ein, wenn das Tageslicht durch dichte Blätter gefiltert wird. Ab und zu setzen ein Saxophon, eine Geige oder eine Trompete Akzente, doch "A Life That Tip-Toes" ist Programm: Musik auf Zehenspitzen.

roth

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Der Atem stockt. Zwischen den Worten schlägt das Herz. Ungeheuerlich die Bitte: "Lass mich den Tod Christi tragen, lass mich mit ihm leiden und über seine Wunden nachsinnen." In wenigen Zeilen aus dem Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi legt die Mezzosopranistin Lucile Richardot mit ihrer tenoral gefärbten Wunderstimme den Weg zurück von drückender Angst zu zitternder Lust - man hört sie im überschießenden Filigran ihrer Kadenzen - beim Einrücken in die Nachfolge Christi. Wenn sie mit der Sopranistin Giulia Semenzato, deren körperreich-dramatisches Timbre Richardot standhält, die Erwartung des eigenen Todes besingt, werden einem die Knie weich. Diese Einspielung mehrerer Passionswerke von Pergolesi, Angelo Ragazzi und Joan Rossell durch das Ensemble Resonanz mit Riccardo Minasi (Harmonia Mundi) lebt von atmender Dynamik und erregenden Kontrasten, wie ein Bild von Caravaggio vom fleischlichen Naturalismus und jähem Helldunkel lebt. Da wird Mitleid zur Körpererfahrung.

jbm.

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