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Produktdetails
Trackliste
CD
1Spreading hope like dope (Intro)00:01:46
2Hip hop @ funk U00:04:10
3Mirrors tell lies00:05:10
4JB-still the man00:04:30
5Freedumb (When-love-becomes-a-threat)00:04:05
6After these messages00:04:53
7Kool whip00:04:13
8The real deal00:03:54
9Don't take my funk00:05:24
10If looks could kill00:04:06
11Minds under construction00:06:37
12Siento bombo00:04:02
13The jazz greats (A tribute to jazz)00:03:57
14Garry Shider tribute00:03:29
15Stars have no names (they just shine)00:05:10
16Chocolate caramel angel00:06:57
17Yummy, I got the munchies00:07:02
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Ganze einfach abnicken

Jetzt alle schön festhalten: Zwei Großmeister des Funk legen neue Alben vor. Snoop Dogg und Bootsy Collins machen den Verhältnissen Beine.

Spüren Sie's auch? Diesen Drang, mit dem Kopf zu nicken, rauf und runter, rauf und runter? Man kann gar nicht mehr aufhören! Es muss an dem Beat liegen, diesem federnden, pumpenden Gemisch aus Schlagzeug, Gitarre und Bass, mit Betonung auf dem ersten und dritten Takt. Das ist nicht mehr Vierviertel-Schunkelei, sondern Swing, aber von der aufmüpfigen, obszönen Art. Als hätte Count Basie einen Tanzstil für Godzilla erfunden. Als hätte der Duke sein Schlagzeug mit King Kong besetzt. Sie müssen sich also nicht schämen, im Gegenteil. Man kann sich nicht wehren gegen diesen Rhythmus. Und somit gehören Sie offiziell zur Familie der Ergriffenen und Bewegten, sind ein Jünger der einzigen Gemeinde, deren Credo man in einem Satz zusammenfassen kann: "Ehre die Eins!" So verkündete es James Brown, der Pate des afroamerikanischen Pop. Immer auf die Eins, mit militärischer Strenge und gnadenloser Präzision, und heraus kommt das genaue Gegenteil: ein unzähmbares Biest namens Funk.

Bootsy Collins spielte ab Ende der Sechziger Bass für James Brown, auf der legendären Nummer "Sex Machine" ist er zu hören. Auch wenn hier die Gitarre mit ihrem schnoddrig weggeschrubbten Motiv den Ton angibt, kommt der Song ohne den treibenden Bass nicht aus. Er ist mit dem Schlagzeug der Herzschlag dieser Gründungshymne eines neuen musikalischen Bewusstseins.

Rund zwanzig Jahre später werden sich die jungen Popwilden der amerikanischen Westküste an diese Lektion erinnern und den Funk für sich neu buchstabieren. Das Wort schreibt sich nun mit G am Anfang: G für Gangsta. G-Funk, das ist die präzise Lässigkeit von James Brown, gekreuzt mit dem rhetorischen Furor des Hip-Hop. Die Beats sind härter, die Streicher und Bläser durch Synthesizer ersetzt, aber letztlich ist es dasselbe Prinzip: ein Hochamt der Eins. Auch diese Musik hat einen Paten: Dr. Dre, ein Produzent aus Compton, dem härtesten Elendsviertel von Los Angeles. Dieser Mann verpflichtet 1994 einen 1,90 Meter langen Schlaks namens Calvin Broadus als Rapper für den Song "Let Me Ride". Das Stück wird eine Hymne des Westküsten-Hip-Hop und die Ouvertüre für die Karriere von Broadus, der seinen Namen verliert, dafür aber eine Identität gewinnt: Er wird zu Snoop Dogg.

Das Karussell der Popmoden hat sich bis heute rasant weiter gedreht, aber die Gesetze des Funk gelten nach wie vor. Deshalb kann man die beiden Alben von Snoop Dogg und Bootsy Collins zusammen hören. Am besten, man spielt sie auf den iPod und lässt einen Mix ablaufen, dann hat man ein akustisches Zeitpanorama dieses phantastischen, entfesselten Sounds. Und man stellt fest, wie viel der Rapper dem Funkveteranen verdankt und umgekehrt. Jeder taucht auf der Platte des andern auf, das genial blasierte Näseln von Snoop Dogg veredelt einen Song auf "Tha Funk Capital Of The World", und der Blubberbass von Collins rumort kräftig in einem Stück des Rappers. Sie kennen sich schon länger, 2009 nahmen sie das Partystück "Undacova Funk" auf, im dazugehörigen Video rauschen sie feixend im Cabriolet durch Gangsterfilmkulissen. Wenn man die beiden so herumalbern sieht, wird deutlich, was sie noch verbindet, neben der Verpflichtung zum Groove: die Ironie.

Als Bootsy Collins Mitte der Siebziger zum Kapellmeister des neuen Funk aufstieg, wurde Pop mit Gelächter unterlegt. Die Musik war ein Bastard aus Rock und Soul, die Inszenierung ein Zirkus aus popkulturellen Referenzen. Man trat in Science-Fiction-Kostümen auf, spekulierte in Songs über die eigene Abstammung von Aliens und schuf einen Kosmos, in dem die afrikanische Diasporaerfahrung ebenso aufgehoben war wie die Träume des Showbiz, von "Saturday Night Fever" bis "Star Trek". Dazu kultivierte Collins seinen berüchtigten, kehlig jammernden Singsang, in dem alles Mögliche zusammenkommt: Rummelplatzhysterie, Gospel-Inbrunst, Soul-Nonchalance. Und er hörte nicht auf, die Eins zu feiern, in der Variation des immer gleichen Stilprinzips: schwer rollendes Schlagzeug, symphonisches Brausen von Gitarren und Synthesizern, wuchtiger Bass. Das bekommt man auch auf dem aktuellen Album serviert, dazu zahlreiche Gäste, darunter Reverend Al Sharpton und Ethikprofessor Cornel West. Sie schwärmen von den guten alten Zeiten, als James Brown die Mühlen des Pop in Gang hielt und Martin Luther King das Kraftwerk der politischen Befreiung. "Funk Capitol" ist tatsächlich eine historische Platte, aber ihre Lektionen lassen sich auf dem Dancefloor in Kinetik übersetzen: Agitation heißt hier immer auch Fußarbeit.

Snoop Dogg tritt mit "Doggumentary" ebenfalls in die Phase seiner Historisierung ein, deshalb zeigt das Cover einen majestätischen Sessel. Der einstige Gangsta-Rapper hat seinen Platz gefunden, das Rezept wird nicht mehr geändert. Es bleibt, wie es ist: funky, mit der etablierten Mischung aus swingenden Beats, knapper Orchestrierung und dazwischen immer mal wieder eine schmachtende Soulstimme als Sample.

Auch dieser Künstler hat sich vom rigiden Eifer des Ziehvaters befreit: Während Dr. Dre seit Jahren an einem Album werkelt, turnt Snoop über die Bühnen der Welt. Mal verpuppt er sich als Gauner der Prohibitionszeit, mal als Discoking der Travolta-Ära. In all diesen Verkleidungsformen macht er deutlich, dass die Apotheosen der Männlichkeit, wie sie Stars wie 50 Cent nicht müde werden aufzuführen, lächerlich geworden sind.

Der kapitalistische Held, der seinen muskelbepackten Körper in den Bentley hievt, um ein Rudel Pin-up-Girls bei Laune zu halten, ist eine zynische Idee. In prekären Zeiten hilft Ironie hingegen, das Falsche mit inszenierter Falschheit zu parieren. Nicht durch die rosa Brille muss man die Verhältnisse sehen, sondern durch die besternte. "Wenn ich meine Sternbrille absetze, kann ich nichts mehr erkennen", hat Bootsy Collins gesagt. Das kann man nur abnicken. Aber immer schön auf der Eins.

DANIEL HAAS

Snoop Dogg,

Doggumentary

Priority Records/ Capitol 7952 (EMI)

Bootsy Collins,

Tha Funk Capital Of The World

Mascot Records 4900679 (Rough Trade)

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