Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 20. Oktober 2006
- Hersteller: Warner Music Group Germany Hol / Reprise Records,
- EAN: 0093624442721
- Artikelnr.: 20912180
- Herstellerkennzeichnung
- Warner Music
- Warner Music Group Germany Holding GmbH
- Alter Wandrahm 14
- 20457 Hamburg
- anfrage@warnermusic.com
CD | |||
1 | The End (Album Version) | 00:00:01 | |
2 | Dead! (Album Version) | 00:00:01 | |
3 | This Is How I Disappear (Album Version) | 00:00:01 | |
4 | The Sharpest Lives (Album Version) | 00:00:01 | |
5 | Welcome To The Black Parade (Album Version) | 00:05:11 | |
6 | I Don't Love You (Album Version) | 00:00:01 | |
7 | House Of Wolves (Album Version) | 00:00:01 | |
8 | Cancer (Album Version) | 00:00:01 | |
9 | Mama (Album Version) | 00:00:01 | |
10 | Sleep (Album Version) | 00:00:01 | |
11 | Teenagers (Album Version) | 00:00:01 | |
12 | Disenchanted (Album Version) | 00:00:01 | |
13 | Famous Last Words (Album Version) | 00:00:01 | |
14 | Blood (Hidden Track) | 00:00:01 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2006Laßt uns tot und munter sein
Neue dunkle Welle: Die Emo-Rocker von "My Chemical Romance" aus New Jersey gründen sich neu als Totentanztruppe
Nachdem ihr letztes Album Platinstatus erreichte, haben sich "My Chemical Romance" neu erfunden: Mit "The Black Parade" gelingt ihnen ein Konzeptalbum, das existentiellen Ernst mit rockistischer Erbschaftsverwaltung verbindet.
"Death is not the end" - so sang jedenfalls der altersweise Bob Dylan (und ihm nach, gemeinsam mit PJ Harvey und Kylie Minogue, der Dunkelkammerherr Nick Cave zum Abschluß seiner epochalen "Murder Ballads" von 1996). Auf der neuen, der dritten Platte der todesverfallenen "My Chemical Romance" aus New Jersey ist nach dem letzten Stück, das "Famous Last Words" heißt, noch nicht endgültig Schluß. Der gute alte hidden track ist auch im düstersten Pop das kleine Hintertürchen für Jenseitshoffnung. Bei "My Chemical Romance" folgt als karnevaleske Zugabe eine volksliedhafte Beschwörung der Unmengen Blut, die der Sänger an Ärzte und Krankenschwestern als Zoll zu entrichten hat: "Give them blood, blood, gallons of the stuff / Give them all that they can drink and it will never be enough" - der Lebenssaft geht niemals aus; solange noch Blut fließt, wird selbst im Operationssaal trotzig weitergelebt.
Zuvor wird gestorben, was das Schlagzeug hält, dreizehn Lieder lang. "My Chemical Romance", die düster-glamouröse Emo/Punk-Rockband aus New Jersey, der Bilderwelt und Orchestrierung nach eine kühne Kreuzung aus "Queen" und "The Cure", haben sich für ihr neues Werk noch einmal ganz neu erfunden, obwohl ihnen mit dem Vorgängeralbum "Three Cheers for Sweet Revenge" 2004 der kommerzielle Durchbruch gelungen war (fast anderthalb Millionen verkaufter Exemplare) und jede andere Band wohl den gleichen schwarzen Lederstiefel weitergespielt hätte. "The Black Parade" ist dabei weniger ein Albumtitel als ein neues Alias, unter dem die Band um das Brüderpaar Gerard und Michael Way (Gesang beziehungsweise Baß) die schwarzgepinselte Weltsicht ihrer Songs zum Gesamtkunstwerk verbinden kann.
Konzeptalben sind ja etwas aus der Mode gekommen: "The Black Parade" aber ist allen Trends zum Trotz genau dies: ein Konzeptalbum über einen an Krebs sterbenden jungen Mann, dem "Patienten", dem die ärztliche Kunst, ob mit oder ohne Aderlaß, nicht mehr helfen kann. Dabei posiert die Band auf dem CD-Cover und im Booklet als Totentanzkapelle, die eine von der Chemotherapie gezeichnete Kunstfigur unter großem Tam-Tam ins Jenseits oder in welche Pophölle auch immer geleitet. Gerard Way, der sich nach eigenen Worten mit method acting auf die Verkörperung des Sterbenden eingestellt (und dafür seine schwarze Indie-Mähne gegen eine platinblondgefärbte todesengelhafte Kurzhaarfrisur eingetauscht) hat, tritt als eine Mischung aus sterbeglöckchenklingelndem Dirigent und Pestprediger auf; als Sänger schlüpft er in die leichenblasse Haut des auf sein verfehltes Leben zurückblickenden Kranken.
Wie soll das funktionieren? "My Chemical Romance" sind aller Exzentrizität zum Trotz eine Mainstream-Rockband, musikalisch bisher irgendwo zwischen "Jimmy Eat World", "Placebo" und "Green Day" angesiedelt - Rob Cavallo, der Produzent des letzten "Green Day"-Verkaufsschlagers "American Idiot", hat auch "Black Parade" einen transparenten Powerrock-Klang verpaßt. Intensivstation als Stadionrock, eingängiges Eingehen - kann das gutgehen?
Es kann, weil "My Chemical Romance" ohne Scheu vor den großen Vorbildern den Glam- und Bombast-Rock der Siebziger mit seiner Posenhaftigkeit und Theatralik beleihen. Brian-May-Gitarren, der Camp eines Freddie Mercury, David Bowies überdrehte Künstlichkeit, das Pathos der späten "Pink Floyd" (ja, wirklich, das von "The Wall"), aber auch der ausgestellte Weltschmerz eines Robert Smith ("The Cure") - all das verbinden sie zu einer imponierenden Inszenierung, in der der Einsatz rockistischer Klischees den Ernst des Themas nicht etwa aufhebt, sondern unterstreicht: Es geht nicht um Kunstmusik, die der existentiellen Dimension der Texte auf irgendeine Weise angemessen wäre. Angesichts des Todes wird jede Originalität zur Phrase. So greift Way, der einmal Comiczeichner werden wollte, auf den Vorrat an Zeichen und Codes zurück, den die Popkultur in ihrer vielleicht erfolgreichsten Zeit, den Siebzigern, entwickelt hat.
Überdies lassen die Texte genug Spielraum, um die in ihnen allgegenwärtige Krankheit doch als Metapher zu lesen: für soziale wie private Krisen aller Art. Way hatte selbst lange mit Drogenproblemen zu kämpfen; der 11. September war für die Band der Anstoß, Musik zu machen und der grassierenden Desillusionierung Energie abzugewinnen. Schubumkehr heißt so etwas wohl. Mit ihrer schwarzen Romantik sind sie ironischerweise zu Idolen und Hoffnungsträgern von Millionen junger Rockhörer geworden: Das ekstatische, rockopernhafte "Mama, we all go to hell" dürfte bald zur Hymne einer Generation taugen.
"The Black Parade" ist auf diese Weise das überragende Monument einer endemisch gewordenen Jugendkultur, die Terror, Krieg, Angst und Tod schon als unabänderliche Fakten angenommen hat, ähnlich wie in den Achtzigern, als der Atomtod schon als Gewißheit galt. "Teenagers", ein dreist-umwerfender Rumpelrocker, bringt das ironisch auf Sloganformat: "They say / Teenagers scare the living shit out of me / They could care less / As long as someone'll bleed / So darken your clothes / Or strike a violent pose". Mit "The Black Parade" ist "My Chemical Romance" ein Befreiungsschlag gelungen, eines der besten Hardrockalben der letzten Jahre, vielleicht das beste seit "Green Days" "American Idiot". Dieser Tod ist erst der Anfang.
RICHARD KÄMMERLINGS
My Chemical Romance, The Black Parade, Reprise/Warner 9362-44427
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Neue dunkle Welle: Die Emo-Rocker von "My Chemical Romance" aus New Jersey gründen sich neu als Totentanztruppe
Nachdem ihr letztes Album Platinstatus erreichte, haben sich "My Chemical Romance" neu erfunden: Mit "The Black Parade" gelingt ihnen ein Konzeptalbum, das existentiellen Ernst mit rockistischer Erbschaftsverwaltung verbindet.
"Death is not the end" - so sang jedenfalls der altersweise Bob Dylan (und ihm nach, gemeinsam mit PJ Harvey und Kylie Minogue, der Dunkelkammerherr Nick Cave zum Abschluß seiner epochalen "Murder Ballads" von 1996). Auf der neuen, der dritten Platte der todesverfallenen "My Chemical Romance" aus New Jersey ist nach dem letzten Stück, das "Famous Last Words" heißt, noch nicht endgültig Schluß. Der gute alte hidden track ist auch im düstersten Pop das kleine Hintertürchen für Jenseitshoffnung. Bei "My Chemical Romance" folgt als karnevaleske Zugabe eine volksliedhafte Beschwörung der Unmengen Blut, die der Sänger an Ärzte und Krankenschwestern als Zoll zu entrichten hat: "Give them blood, blood, gallons of the stuff / Give them all that they can drink and it will never be enough" - der Lebenssaft geht niemals aus; solange noch Blut fließt, wird selbst im Operationssaal trotzig weitergelebt.
Zuvor wird gestorben, was das Schlagzeug hält, dreizehn Lieder lang. "My Chemical Romance", die düster-glamouröse Emo/Punk-Rockband aus New Jersey, der Bilderwelt und Orchestrierung nach eine kühne Kreuzung aus "Queen" und "The Cure", haben sich für ihr neues Werk noch einmal ganz neu erfunden, obwohl ihnen mit dem Vorgängeralbum "Three Cheers for Sweet Revenge" 2004 der kommerzielle Durchbruch gelungen war (fast anderthalb Millionen verkaufter Exemplare) und jede andere Band wohl den gleichen schwarzen Lederstiefel weitergespielt hätte. "The Black Parade" ist dabei weniger ein Albumtitel als ein neues Alias, unter dem die Band um das Brüderpaar Gerard und Michael Way (Gesang beziehungsweise Baß) die schwarzgepinselte Weltsicht ihrer Songs zum Gesamtkunstwerk verbinden kann.
Konzeptalben sind ja etwas aus der Mode gekommen: "The Black Parade" aber ist allen Trends zum Trotz genau dies: ein Konzeptalbum über einen an Krebs sterbenden jungen Mann, dem "Patienten", dem die ärztliche Kunst, ob mit oder ohne Aderlaß, nicht mehr helfen kann. Dabei posiert die Band auf dem CD-Cover und im Booklet als Totentanzkapelle, die eine von der Chemotherapie gezeichnete Kunstfigur unter großem Tam-Tam ins Jenseits oder in welche Pophölle auch immer geleitet. Gerard Way, der sich nach eigenen Worten mit method acting auf die Verkörperung des Sterbenden eingestellt (und dafür seine schwarze Indie-Mähne gegen eine platinblondgefärbte todesengelhafte Kurzhaarfrisur eingetauscht) hat, tritt als eine Mischung aus sterbeglöckchenklingelndem Dirigent und Pestprediger auf; als Sänger schlüpft er in die leichenblasse Haut des auf sein verfehltes Leben zurückblickenden Kranken.
Wie soll das funktionieren? "My Chemical Romance" sind aller Exzentrizität zum Trotz eine Mainstream-Rockband, musikalisch bisher irgendwo zwischen "Jimmy Eat World", "Placebo" und "Green Day" angesiedelt - Rob Cavallo, der Produzent des letzten "Green Day"-Verkaufsschlagers "American Idiot", hat auch "Black Parade" einen transparenten Powerrock-Klang verpaßt. Intensivstation als Stadionrock, eingängiges Eingehen - kann das gutgehen?
Es kann, weil "My Chemical Romance" ohne Scheu vor den großen Vorbildern den Glam- und Bombast-Rock der Siebziger mit seiner Posenhaftigkeit und Theatralik beleihen. Brian-May-Gitarren, der Camp eines Freddie Mercury, David Bowies überdrehte Künstlichkeit, das Pathos der späten "Pink Floyd" (ja, wirklich, das von "The Wall"), aber auch der ausgestellte Weltschmerz eines Robert Smith ("The Cure") - all das verbinden sie zu einer imponierenden Inszenierung, in der der Einsatz rockistischer Klischees den Ernst des Themas nicht etwa aufhebt, sondern unterstreicht: Es geht nicht um Kunstmusik, die der existentiellen Dimension der Texte auf irgendeine Weise angemessen wäre. Angesichts des Todes wird jede Originalität zur Phrase. So greift Way, der einmal Comiczeichner werden wollte, auf den Vorrat an Zeichen und Codes zurück, den die Popkultur in ihrer vielleicht erfolgreichsten Zeit, den Siebzigern, entwickelt hat.
Überdies lassen die Texte genug Spielraum, um die in ihnen allgegenwärtige Krankheit doch als Metapher zu lesen: für soziale wie private Krisen aller Art. Way hatte selbst lange mit Drogenproblemen zu kämpfen; der 11. September war für die Band der Anstoß, Musik zu machen und der grassierenden Desillusionierung Energie abzugewinnen. Schubumkehr heißt so etwas wohl. Mit ihrer schwarzen Romantik sind sie ironischerweise zu Idolen und Hoffnungsträgern von Millionen junger Rockhörer geworden: Das ekstatische, rockopernhafte "Mama, we all go to hell" dürfte bald zur Hymne einer Generation taugen.
"The Black Parade" ist auf diese Weise das überragende Monument einer endemisch gewordenen Jugendkultur, die Terror, Krieg, Angst und Tod schon als unabänderliche Fakten angenommen hat, ähnlich wie in den Achtzigern, als der Atomtod schon als Gewißheit galt. "Teenagers", ein dreist-umwerfender Rumpelrocker, bringt das ironisch auf Sloganformat: "They say / Teenagers scare the living shit out of me / They could care less / As long as someone'll bleed / So darken your clothes / Or strike a violent pose". Mit "The Black Parade" ist "My Chemical Romance" ein Befreiungsschlag gelungen, eines der besten Hardrockalben der letzten Jahre, vielleicht das beste seit "Green Days" "American Idiot". Dieser Tod ist erst der Anfang.
RICHARD KÄMMERLINGS
My Chemical Romance, The Black Parade, Reprise/Warner 9362-44427
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main