Auf den Wow-Effekt von „No Home Record“ kann Kim Gordon mit ihrem neuen Album nicht mehr bauen. Eher gibt sie uns mit „The Collective“ und seinen von Lärm umhüllten, materialistischen Protz-Beats Erwartbares. Man könnte noch weiter herumnörgeln und ihr unterstellen, den Pop-Zeitgeist um ein paar
Jahre verfehlt zu haben, weil Trap mittlerweile vielleicht auch ein bisschen out ist. Viel lieber…mehrAuf den Wow-Effekt von „No Home Record“ kann Kim Gordon mit ihrem neuen Album nicht mehr bauen. Eher gibt sie uns mit „The Collective“ und seinen von Lärm umhüllten, materialistischen Protz-Beats Erwartbares. Man könnte noch weiter herumnörgeln und ihr unterstellen, den Pop-Zeitgeist um ein paar Jahre verfehlt zu haben, weil Trap mittlerweile vielleicht auch ein bisschen out ist. Viel lieber sollte man sie dafür feiern, dass ihre Musik nicht jene Nostalgie-Veranstaltung sein will, wie die ihres Ex-Mannes.
Das Stirnrunzeln, welches auf ihrem Soloeinstand noch Songs wie „Sketch Artist“ zum Vorschein brachten, bleibt diesmal aus. Im coolen „Bye Bye“ cruist Gordon mit heruntergekurbelter Autoscheibe durch die Gegend und verabschiedet sich von so ziemlich Allem, was uns unsere Überflussgesellschaft zum Leben bereithält. Die Message hinter den Lyrics bleibt zwar eher wage, dafür klingt der Song umso cooler. Und wenn Gordon mit ihren mittlerweile 70 Jahren definitiv an etwas nicht eingebüßt hat, dann an ihrer Coolness. Und ebenso an ihrem Sinn für Humor. In Zeiten von Diskursen über toxische Männlichkeit darf es wohl erst recht auf einem Album des Ex-Sonic Youth-Aushängeschildes nicht an Songs über dieses Thema fehlen. Mit zynischen Zeilen wie „Dropped out of college, don't have a degree. And I can't get a date. It's not my fault!“ zieht sie in „I`m A Man“ über ihr Gegenüber her. Und wenn es nicht wieder Justin Raison wäre, der auf „The Collective“ größtenteils die Beats schmiedet, könnte man auch die Noise-Rapper von Dälek hinter einem Song wie diesen oder hinter Albträumen wie „Psychedelic Orgasm“ vermuten, bei den Schürfwunden, die man hier davon zu tragen droht.
„The Collective“ bietet keine hoffnungsvolle Perspektive in ungemütlichen Zeiten. Viel mehr ist das Album ein ängstlicher Blick in den hässlichen Abgrund unserer Gegenwart. Dementsprechend klingt dann genauso auch die Kapitalismuskritik in „Dream Dollar“: brutales Bassgewitter und eine raschelnde Drummachine in feinster Suicide-Manier. „It`s Dark Inside“ torkelt etwas zu ziellos über die Dreineinhalb-Minuten-Grenze und ist vielleicht auch deswegen der einzige schwächere Song. Nichtsdestotrotz lotet Gordon auf ihrer zweiten Platte noch mehr die grenzen zwischen Lärm und Pop aus. Und sie behauptet sich als endgültig als ernstzunehmende Solokünstlerin. Über ihre alte Band braucht man spätestens jetzt getrost nicht mehr sprechen.