Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 12. November 2010
- Hersteller: 375 Media GmbH / ICI D'AILLEURS / CARGO,
- EAN: 3700398706078
- Artikelnr.: 32080281
- Herstellerkennzeichnung
- 375 Media GmbH
- Schlachthofstraße 36A
- 21079 Hamburg
- https://375media.com
CD | |||
1 | Anhedonia | ||
2 | Standard Deviation | ||
3 | Pareidolia | ||
4 | Closure | ||
5 | If You Treat Us All Like Terrorists We Will Become Terrorists |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2011Waidwunde Hirsche
Schön nervig: The Third Eye Foundation
Düster. Und zwar sehr. Auch die Musik. Zunächst aber vor allem das Cover: Ein kapitaler Hirsch (Zehnender) hat sich in einem gierig tentakelnden Geäst verfangen, das sich das Tier mit spitzen, bohrenden Zweigen einzuverleiben scheint. Fast wirkt es wie eine Metamorphose, bei der das Wild in den Baum übergeht. Gemalt hat die Szenerie der Künstler Uncle Vania, zieren tut es "The Dark", das neue Album von The Third Eye Foundation; und viel besser als mit ihm lässt sich die Atmosphäre der Musik, die Matt Elliott unter seinem lange stiefmütterlich behandelten Pseudonym jüngst veröffentlicht hat, kaum beschreiben. Es ist ein ambitioniertes Werk geworden, das so anstrengend, so allen Klang-Konventionen entrückt ist, dass das Anhören zum größeren Kampf wird.
Von "The Dark" geht ein gewaltiger Sog aus, eine beinahe physisch zu spürende Gravitation, die den Zuhörer in die zähe Melange aus Elektro-Beats, Orchester, allerlei Flächenwerk und Falsettgesängen hineinzieht - nur, um ihn dort allein zu lassen. Nichts an den fünf Songs, die meistens so geschmeidig ineinander übergehen, dass sie beinahe zu einem einzigen verschmelzen, bietet Halt oder Orientierung. Klassische Einteilungen in Refrain und Strophe fehlen völlig, selbst einzelne Melodie-Motive lassen sich nur mit großer Mühe und Konzentration freilegen. Stattdessen: ein recht wild wucherndes Stil-Geflecht aus Dub-Step und Drum'n'Bass, um das seltsam fremdartige Soundcollagen aus verhalltenStreichern, bösartig tiefen Bässen und viel Synthesizer-Geschwirr wabern. Allenthalben sind die Klangelemente digital ins Fratzenartige verfremdet. Beklemmend ist das, phasenweise sogar verstörend. Minutenlang kreist die Musik immer wieder um dieselben Harmonien, dieselben Basslinien, dieselben elektronischen Geräusche; alles findet nur in unendlich langsamen, unendlich kleinen Schritten einen Weg durch Songs, die bedingt sinnfällige Namen wie "Anhedonia", "Standard Deviation" oder "Closure" tragen. Wer schließlich fast vierzig Minuten hypnotischen Strudelns hinter sich gebracht hat, der erlebt, wie sich die ganze angestaute Energie in einer vierminütigen Urgewalt aus Stakkato-Kontrabässen und brutalen Schlagzeug-Loops entlädt - Titel: "If You Treat Us All Like Terrorists We Will Become Terrorists". Boom!
Alles in allem ist "The Dark" also ein Frontalangriff. Ein Album wie ein endgültiger Gegner, das als Gesamtkunstwerk dazu zwingt, Stellung zu beziehen. Alles ist erlaubt, nur keine Gleichgültigkeit. Es ist in seinem hohen Anspruch an den Zuhörer auch eine wunderbare Unverschämtheit, möglicherweise sogar eine Zumutung und in jedem Fall unfassbar anstrengend, aufreibend und in nahezu allen Lebenslagen einfach nur: nervig. Es ist ein Soundtrack für den Todeskampf waidwunder Hirsche. Aber eben auch ein Album, das mit irritierender Kraft Seele und Gemüt attackiert, und den wenigen, die es mit Muße durchhören können, viel Schönheit offenbart.
JAKOB BIAZZA
Third Eye Foundation
The Dark
Ici d'Ailleurs 4993229 (Cargo Records)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schön nervig: The Third Eye Foundation
Düster. Und zwar sehr. Auch die Musik. Zunächst aber vor allem das Cover: Ein kapitaler Hirsch (Zehnender) hat sich in einem gierig tentakelnden Geäst verfangen, das sich das Tier mit spitzen, bohrenden Zweigen einzuverleiben scheint. Fast wirkt es wie eine Metamorphose, bei der das Wild in den Baum übergeht. Gemalt hat die Szenerie der Künstler Uncle Vania, zieren tut es "The Dark", das neue Album von The Third Eye Foundation; und viel besser als mit ihm lässt sich die Atmosphäre der Musik, die Matt Elliott unter seinem lange stiefmütterlich behandelten Pseudonym jüngst veröffentlicht hat, kaum beschreiben. Es ist ein ambitioniertes Werk geworden, das so anstrengend, so allen Klang-Konventionen entrückt ist, dass das Anhören zum größeren Kampf wird.
Von "The Dark" geht ein gewaltiger Sog aus, eine beinahe physisch zu spürende Gravitation, die den Zuhörer in die zähe Melange aus Elektro-Beats, Orchester, allerlei Flächenwerk und Falsettgesängen hineinzieht - nur, um ihn dort allein zu lassen. Nichts an den fünf Songs, die meistens so geschmeidig ineinander übergehen, dass sie beinahe zu einem einzigen verschmelzen, bietet Halt oder Orientierung. Klassische Einteilungen in Refrain und Strophe fehlen völlig, selbst einzelne Melodie-Motive lassen sich nur mit großer Mühe und Konzentration freilegen. Stattdessen: ein recht wild wucherndes Stil-Geflecht aus Dub-Step und Drum'n'Bass, um das seltsam fremdartige Soundcollagen aus verhalltenStreichern, bösartig tiefen Bässen und viel Synthesizer-Geschwirr wabern. Allenthalben sind die Klangelemente digital ins Fratzenartige verfremdet. Beklemmend ist das, phasenweise sogar verstörend. Minutenlang kreist die Musik immer wieder um dieselben Harmonien, dieselben Basslinien, dieselben elektronischen Geräusche; alles findet nur in unendlich langsamen, unendlich kleinen Schritten einen Weg durch Songs, die bedingt sinnfällige Namen wie "Anhedonia", "Standard Deviation" oder "Closure" tragen. Wer schließlich fast vierzig Minuten hypnotischen Strudelns hinter sich gebracht hat, der erlebt, wie sich die ganze angestaute Energie in einer vierminütigen Urgewalt aus Stakkato-Kontrabässen und brutalen Schlagzeug-Loops entlädt - Titel: "If You Treat Us All Like Terrorists We Will Become Terrorists". Boom!
Alles in allem ist "The Dark" also ein Frontalangriff. Ein Album wie ein endgültiger Gegner, das als Gesamtkunstwerk dazu zwingt, Stellung zu beziehen. Alles ist erlaubt, nur keine Gleichgültigkeit. Es ist in seinem hohen Anspruch an den Zuhörer auch eine wunderbare Unverschämtheit, möglicherweise sogar eine Zumutung und in jedem Fall unfassbar anstrengend, aufreibend und in nahezu allen Lebenslagen einfach nur: nervig. Es ist ein Soundtrack für den Todeskampf waidwunder Hirsche. Aber eben auch ein Album, das mit irritierender Kraft Seele und Gemüt attackiert, und den wenigen, die es mit Muße durchhören können, viel Schönheit offenbart.
JAKOB BIAZZA
Third Eye Foundation
The Dark
Ici d'Ailleurs 4993229 (Cargo Records)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main