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Produktdetails
Trackliste
LP 1
1Isfahan00:05:03
2Caravan00:06:01
3Cotton tail
4Mood indigo00:04:04
5Rockin' rhythm00:03:28
LP 2
1I ain't got nothing but the blues / Do nothin' 'til you hear from me00:05:14
2I got it bad (And that ain't good)00:04:48
3Perdido / Satin doll00:04:49
4The mooche / Black and tan fantasy00:05:26
5It don't mean a thing (If it ain't got that swing)00:05:11
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Logik der Maschinen

Der Duke hatte genaue Vorstellungen, wie man seine Musik spielen sollte. Joe Jackson nimmt sich bei seinen Ellington-Interpretation erstaunliche Freiheiten. Aber es funktioniert.

Streicher? Auf keinen Fall! Was um Himmels willen kann man noch mit Streichern machen, was nicht seit Hunderten von Jahren ausgezeichnet gemacht worden ist? Nein, nein, wir wollen nur Ellington-Musik machen." Dieses Bekenntnis des Duke gegenüber dem "Downbeat"-Magazin aus dem Jahr 1951 kam einem Interpretationsverbot für nachfolgende Generationen gleich: Ellingtons Kompositionen, die ihren dunklen Zauber vor allem aus den Harmonien eines opulenten Bläsersatzes schöpfen, sollten gefälligst nicht durch Saiteninstrumente verunstaltet werden!

Jetzt hat Joe Jackson vorsätzlich dagegen verstoßen. Der achtundfünfzigjährige englische Pianist beruft sich dabei auf ein anderes Credo von Ellington: "Jazz kann durch Regeln und Definitionen nicht eingeengt werden, Jazz ist vor allem die völlige Freiheit, sich selbst auszudrücken." Und davon macht der oft als "musikalischer Streber" verunglimpfte Jackson auf seinem neuen Album "The Duke" ausgiebig Gebrauch. Er mischt hier fünfzehn Ellington-Originale in verschiedenen Medleys zu zehn Stücken. Wie sein Vorbild entpuppt er sich dabei selbstbewusst als Trickster und Charmeur. Die harmonischen Verschränkungen von Saxophonen, Trompeten, Posaunen - im klassischen Ellington-Orchester waren es meistens dreizehn Bläser an der Zahl - werden zugunsten melodischer Verwirrspiele von Gitarren, Keyboards und Drumcomputern geopfert.

Neben Virtuosen wie dem Gitarristen Steve Vai oder dem Bassisten Christian McBride sorgt Regina Carter mit ihrer Violine für unerhörte voicings, jene von Ellington perfektionierten Verschmelzungen unterschiedlicher Instrumentalfarben. Allein ein einsames Sousaphon erinnert in "Rockin' in Rhythm" noch an die Kraft des menschlichen Atems. Ansonsten dominiert die Logik der Maschinen. In "Isfahan" aus Ellingtons später "Far East Suite" kommen die Streicher aus der Steckdose, bevor Vai mit ungewohnt jazziger Phrasierung die betörende Melodie aufgreift. Die persische Sängerin Sussan Deyhim schafft in "Caravan" mühelos den von Ellington so ersehnten Brückenschlag zwischen Ost und West - eine geniale Wahl für diesen oft zu Tode gespielten Evergreen.

Ellington übersetzte Stimmungen und Atmosphären in pastellfarbene Klanggestalten: Von "Black, Brown And Beige" bis zu "Mood Indigo". Schwarz war bei ihm immer ein komplexes Mitternachtsblau. Der Farbreichtum seiner Musik verlieh ihr eine ungeheure Plastizität und macht den Duke zum bis heute größten Tonmaler des Jazz. Auch Joe Jackson kennt sich in musikalischer Farbenlehre aus: Seine "Mood Indigo"-Malerei mischt Akkordeonstimmen mit gestrichenem Kontrabass, Harmonika-Harmonien und den perlenden Gitarrenläufen von Vinnie Zummo. Ahmir Khalib Thompson, besser bekannt unter dem Pseudonym Questlove und Mitbegründer der Hip-Hop-Gruppe The Roots, hat seine Trommelstöcke gleich bei fünf Titeln im Spiel. Am bezwingendsten schlägt er sie in "Rockin' in Rhythm": Der Klassiker aus dem Jahr 1931 klingt hier, als ob eine futuristische New-Orleans-Brass-Band den Titel ohne jedes Blech spielte. Joe Jacksons explizite Patchwork-Ästhetik kann, mit Sampling- und Programming-Finessen klinisch perfekt inszeniert, mit ihrem Furor der Künstlichkeit den Kompositionen nichts anhaben; sie gewinnt ihnen vielmehr ganz neue Soundfinessen ab, überzieht sie mit einem zeitgemäßen elektronischen Glanz und macht deutlich, dass die Qualität eines Stücks erst in seiner schier grenzenlosen Belastbarkeit offenkundig wird. In all den Verfremdungen scheint noch der Charme des Vertrauten auf, hinter allen Dekonstruktionen lugt die unzerstörbare Schönheit des Originals hervor. Schon mit Alben wie "Beat Crazy" und "Jumpin' Jive" hatte sich Joe Jackson Anfang der Achtziger zu seiner unverbrüchlichen Jazz- und Blues-Liebe bekannt. Spätestens mit dem Erfolg von "Night And Day" aus dem Jahr 1982 überzeugte er dann alle, die an seinen Swing-Qualitäten gezweifelt hatten.

Auf dem neuen Album macht er die Probe aufs Exempel: Ellingtons "It Don't Mean A Thing (If It Ain't Got That Swing"), Glaubensbekenntnis einer ganzen Stilepoche, gerät Jackson mit stimmlicher Unterstützung von Iggy Pop und vier Beat-Programmierern zu einem unwiderstehlichen Dancefloor-Hit. Und "I ain't Got Nothin' but the Blues" demonstriert leichtfüßig, wie nah sich James Brown und Duke Ellington sein können. Zur Höchstform aber läuft der Arrangeur Jackson beim Medley "The Mooche / Black And Tan Fantasy" auf: Beide Stücke stammen aus Ellingtons berühmter "Jungle Sound"-Periode, wo heulende Klarinetten, schmutzige Wah-Wah-Klagen von Trompeten, jaulende Saxophonsounds und pochende Tom-Tom-Rhythmen eine brodelnde, feucht dampfende Dschungel-Atmosphäre erzeugten. Jackson ist auch hier nichts heilig: Vordergründiges Pathos kippt in Komik um, Geisterhaftigkeit entpuppt sich als schelmisches Augenzwinkern. Und wieder einmal: Vorsicht Streicher! Weil ihm einige Ellington-Texte in ihrer Sentimentalität heute peinlich vorkamen, bat Jackson eine Sängerin wie die Brasilianerin Lilian Vieira nebenbei, die Zeilen zu "Perdido" doch gleich in ihrer eigenen Sprache neu zu schreiben.

Britische, afroamerikanische, italo-amerikanische, iranische, brasilianische, holländische und deutsche Musikerinnen und Musiker arbeiten sich hier bei aller Radikalität nie respektlos an Ellington-Evergreens ab und räumen gleichzeitig mit einem weitverbreiteten Missverständnis auf: Vielen Fans ist der Duke primär als Swing-Bandleader und populärer Stückeschreiber bekannt. Dass Ellingtons Leistung aber vor allem in seiner ungebremsten Experimentierlust mit Klängen bestand, wird oft übersehen.

Joe Jackson erinnert daran, wenn auch mit hypertropher Geste. Nicht selten als Ehrgeizling geschmäht, demonstriert er auf seinem neuen Album Ernsthaftigkeit und historische Klugheit - Eigenschaften, die ihn in der zeitgenössischen Pop-Szene schon fast verdächtig machen.

PETER KEMPER

Joe Jackson,

The Duke

Ear Music 0207911 (Edel)

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