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Produktdetails
Trackliste
CD
1If it rains00:03:47
2Demon days00:03:40
3Pandanus00:03:58
4Did she overtake you00:03:24
5The evangelist00:04:29
6Let your light in, babe00:04:43
7A place to hide away00:02:35
8Don't touch anything00:04:10
9It ain't easy00:03:28
10From ghost town00:05:41
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2008

Ihm war er mehr, war Nord und Süd

Wie man einen Freund zu Grabe trägt: Robert Forster hat nach dem Tod von Grant McLennan der Krise einen Klassiker abgetrotzt; auf seinem Soloalbum trauert er, ohne wehleidig zu werden.

Der australische Songschreiber Robert Forster hat immer eine Geschichte zu erzählen. Der Mann mit der einnehmenden Aura eines schnöseligen Englischprofessors war stets ein Meister des verknappten, aber detailverliebten storytelling. Es ist freilich unmöglich, Forsters eigene Geschichte derzeit anders zu erzählen als die einer Freundschaft und eines Todesfalls: Die GoBetweens, jene distinguierteste aller Achtziger-Gitarrenpopbands, die nach einer mehrjährigen Pause in den späten Neunzigern wieder zusammenkam, befanden sich vor zwei Jahren auf dem Zenit. Forster und sein enger Freund Grant McLennan, die stets zu gleichen Teilen Songs beisteuerten, hatten einen kreativen Höhenflug, und endlich wurde ihnen auch die verdiente kommerzielle Anerkennung zuteil. Da geschah das Unfassbare: Im Alter von achtundvierzig Jahren verstarb Grant McLennan völlig unerwartet im Mai 2006 an Herzversagen. Ohne den Studienfreund, dessen Lieder neben Forsters kantigen Momentaufnahmen oft wie mit Honig gemalte Surrealismen wirkten, war der berühmte "striped sunlight sound" der Band nicht mehr herzustellen. Forster löste sofort die Band auf, schrieb einen Nachruf auf den Freund ("A True Hipster") und widmete sich künftig für ein australisches Monatsmagazin einer eher übelbeleumundeten Tätigkeit: Er wurde Musikkritiker. Mit neuen Songs von Robert Forster, so schien es, war so schnell nicht mehr zu rechnen.

Nun, knapp zwei Jahre nach McLennans Tod, liegt Forsters neues Album "The Evangelist" vor - eine Platte, wie sie in dieser Würde und Eleganz nur vom bekennenden Dandy Robert Forster stammen kann. Natürlich geht es hier um nicht weniger als um Leben und Tod, insofern ist dies ganz klar eine Platte in der Tradition von Dylans 1997er-Meisterwerk "Time Out Of Mind". Doch nicht genug damit, dass Themen wie Verlust und Abschied durch diese Platte wehen; der Verlorene selbst ist omnipräsent: Drei von zehn Songs basieren auf den letzten Songfragmenten des Verstorbenen. Vor allem "It Ain't Easy" berührt in seiner Simplizität ungemein. Forster zeichnet hier in wenigen Worten ein anrührendes, doch unsentimentales Bild des spleenigen McLennan: "A sly grin, that played to win, we will not see his kind again anymore." Dazu hören wir eine dieser typisch simplen McLennan-Melodien. Es ist fast, als hätten die beiden GoBetweens, die fast nie zusammen an einem Stück komponierten, ihre Kunst über die Grenzen des Todes hinausgetragen. Und doch ist dies ganz und gar Forsters Platte.

Man muss ein großer, souveräner Autor sein, will man bei einem derart heiklen Thema nicht in Standardprobleme des Singer/Songwriter-Gewerbes verfallen - vor allem Bekenntnissucht und Weinerlichkeit. Forster, ebenso an Dylan wie an Raymond Carver geschult, ist ein Virtuose der hyperrealistischen Vereinfachung. Schon immer überhöhte er das Beiläufige und ließ scheinbar Wesentliches aus. Auf diese Weise schafft er es, seinen Freund präzise abzubilden, ohne zu schwafeln, und er kann trauern, ohne sentimental zu werden. Man höre zu diesem Zweck nur die zerschmetternde abschließende Ballade "From Ghost Town": Forster selbst spielt das etwas unsicher tastende Piano, während seine immer leicht schiefe Stimme brüchig dazu singt: "There are places, he could have stayed. But he had to go, because he loved the rain." Man muss sich angesichts solcher Worte stets vergegenwärtigen: McLennan ist ja nicht freiwillig aus dem Leben geschieden; aber hinter der Fassade des mild lächelnden Schöngeistes verbarg sich ein depressiver, abgründiger Charakter voller Unsicherheiten. Das wusste man vorher so nicht, aber Forsters Lied macht dies auf beklemmende Art deutlich.

Bei aller Trauer ist "The Evangelist" keine düstere Platte. Man kann und wird sie auch einfach als zeitlose Liedersammlung hören, die durch ihren gelassenen Ton mehr von Neuanfang und Glück erzählt, als man angesichts der Entstehungsgeschichte annehmen sollte. Es ist ein kurzes Album mit präzisen, behutsamen Songs, die alle die Meisterschaft ihres Autors demonstrieren. Wie er etwa im schimmernden "Did She Overtake You" in nur acht Zeilen eine Besessenheitsstudie abliefert, ist sensationell. Im Titelsong wiederum demonstriert er, wie man als Songwriter mit den Mitteln der Lyrik eine Kurzgeschichte erzählt. Wieder sind seine Worte so simpel wie beiläufig, aber der weiße Golf Diesel der besungenen Frau wird freilich erwähnt - und immer, wenn die Worte aufhören, übernimmt die Musik die Erzählung und schließt die Lücken. Ähnlich verfährt "Let Your Light In, Babe", das eine hinterlassene sanfte McLennan-Melodie mit einer stolpernden, sprunghaften Forster-Erzählung verbindet.

Ganz so situationsabbildend und idiosynkratisch wie früher textet Robert Forster auf "The Evangelist" nicht mehr. Das liegt sicherlich auch daran, dass er sich nach McLennans Tod einige schreiberische Weichheiten seines Freundes angeeignet hat. Robert Forster hat der Krise einen Klassiker abgetrotzt. Besser wird es selten im Singer/Songwriter-Genre.

ERIC PFEIL

Robert Forster, The Evangelist. Tuition 13844 (Alive)

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