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Trackliste
CD
1Moments To Remember00:03:34
2It's All In The Game00:02:53
3Unchained Melody00:03:45
4Venus00:02:25
5It's Not For Me To Say00:03:22
6Love Is A Many Splendored Thing00:02:41
7Rags To Riches00:03:20
8Sincerely / Teach Me Tonight00:03:18
9Are You Lonesome Tonight?00:02:57
10Young At Heart00:03:34
11All I Have To Do Is Dream00:02:48
12What A Difference A Day Made00:03:03
13Beyond The Sea00:04:06
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2006

Wer zuletzt rockt, rockt am besten
Neil Diamond, Leo Sayer und Barry Manilow waren im Studio und haben Platten aufgenommen, mit denen sie neue Erfolge feiern

Tief im Herzen war Roy Black ein Rocker. Bei ihm zu Hause hingen Bilder von Brian Jones, Jim Morrison und Jimi Hendrix an der Wand. Auf der Bühne aber mußte er "Ganz in Weiß" singen, wieder und wieder, bis zum frühen Tod im Jahr 1991. Diese Tragik hat seinen Nachruhm entscheidend verändert: Roy Black war ja gar kein Schnulzensänger, hieß es plötzlich, höhere Wesen haben ihn nur dazu gezwungen! Das machte ihn etwas akzeptabler. Weil er den Mist ja selbst gehaßt hat. Was stimmte, aber zugleich billig war, weil es ignorierte, daß Roy Black mit seinen Schlagern Millionen von Menschen glücklich gemacht hat. Ob diese Millionen sich wohl die Generalüberholung ihres Idols als Rocker gewünscht hätten?

Für Roy Black aber gab es dazu nie die Chance. Paul Kuhn durfte einen Relaunch wagen, als vor einigen Jahren plötzlich wegen Robbie Williams Big-Band-Swing populär wurde. Und auch der fingerschnipsende Entertainer James Last, der mit den Hamburger Rappern Fettes Brot ein Lied aufnahm. Roy Blacks letztes Album aber produzierte ausgerechnet Dieter Bohlen. Und nicht Rick Rubin, der den wahren schwarzen König, den "Man in Black" Johnny Cash nämlich, vom verkannten Rebellen in eine Ikone der amerikanischen Popmusik verwandelt hatte, preisgekrönt und von allen bewundert.

Fahrstuhl nach Vegas

Natürlich ist Roy Black nicht Johnny Cash, was für eine absurde Vorstellung. Eher schon ist er eine Figur wie Neil Diamond, der mit Hits wie "Sweet Caroline", "I'm a Believer" und vor allem mit dem seichteren "Song Sung Blue" die Kaffeekränzchen und Las Vegas eroberte. Diamond allerdings hatte schon vor einiger Zeit aus eigener Kraft begonnen, sich vom Etikett des Weichspülers zu befreien, vollendet hat das jetzt eben jener Rick Rubin: "12 Songs" heißt das gemeinsame Album, alle jubeln erwartungsgemäß, es ist auch wirklich gut, aber bei einigen dürfte das triumphale Gefühl überwiegen, den geschmacksarmen Fans von "Song Sung Blue" bewiesen zu haben, welchem grandiosen Irrtum sie aufgesessen sind, all die Jahre.

Darum geht es Rick Rubin natürlich nicht. Die Verteilungskämpfe im Pop, die Style Wars darüber, wer wem diktieren darf, was gerade oben ist und was unten, interessieren ihn nicht. Rubins Gespür ist erstaunlich, sein Herz vermutlich riesengroß, immerhin hatten in den letzten 25 Jahren die Beastie Boys, Shakira und die Speed-Metal-Band Slayer Platz darin. Und jetzt eben Neil Diamond, dessen "12 Songs" mit tief tönenden Klaviernoten und trocken angeschlagener Akustikgitarre das fortsetzen, was Johnny Cash nicht mehr fortsetzen konnte: zeitloses Liedgut, eben "American Recordings", wie Rubins Plattenserie mit Cash hieß.

Für die "12 Songs" hatte Rubin Neil Diamond bekniet, sich endlich wieder selbst auf der Gitarre zu begleiten. Deshalb klingen Stücke wie "Hell Yeah" oder "Face Me" so anrührend echt: weil Diamond sich nicht mehr wie in Las Vegas in die Brust werfen konnte, er mußte ja die Gitarre halten. Rubin dagegen führt mit dieser Platte einmal mehr seinen äußerst subtilen Produzentensound vor, der so wiedererkennbar ist, wie es in den Sechzigern der Sound von Motown war oder die Bildwelt der großen Hollywood-Studios in den vierziger Jahren.

Auch Barry Manilow ist eine Marke: Er klingt einfach immer nach Fahrstuhlmusik. Nach dem Fahrstuhl zum Schafott, jedenfalls wünscht man sich das, wenn man "The Greatest Songs of the Fifties" hört: seelenlos vorgetragene, eigentlich wunderschöne Klassiker wie "Are You Lonesome Tonight?" oder "What a Diff'rence a Day Made". Manilow vertraut nicht auf das Geheimnis dieser Lieder, sondern auf ihre dekorative Wirkung. Doch kaum war das Album auf dem Markt, da landete es auf dem ersten Platz der amerikanischen Billboard-Charts. Das letzte Mal war Manilow das im Jahr 1977 mit einem Live-Album gelungen.

Kälte an der Copacabana

Im gleichen Jahr brachte ein anderer Sänger, der Engländer Leo Sayer, ein Album namens "Thunder in My Heart" heraus. Das Titelstück war 1977 nicht ganz so erfolgreich wie der Hit "When I Need You", dafür führt es aktuell die britische Hitparade an - allerdings im Remix des Amerikaners DJ Meck. Der hatte das Lied in einem Second-Hand-Plattenladen in Los Angeles entdeckt und Sayer gebeten, es neu auflegen zu dürfen: Und jetzt ist Leo Sayer mit "Thunder in My Heart Again" in den Charts, 57 Jahre alt und ohne die Afro-Frisur, die in den Siebzigern sein Erkennungszeichen war.

Barry Manilow dagegen sieht auf dem Cover seines Nostalgie-Albums aus wie ein geglätteter kleiner Bruder von Siegfried und Roy, in Türkis und einen Lichtkranz gebettet wie in den weichen Sound des Orchesters, das ihn begleitet. Da ist nichts mehr von der Frivolität seines "Copacabana"-Hits zu spüren, und auch wenn er im Booklet noch so beteuert, welch Privileg es sei, diese "selten gesungenen goldenen Standards" zu singen: Hier ist ein Reaktionär am Werk und das kälteste Kalkül.

Ihm war so, sagte Barry Manilow kürzlich, als habe in letzter Zeit niemand verdiente Oldies wie "Beyond the Sea" gesungen. Außer Robbie Williams natürlich, aber von dem hat Manilow vermutlich noch nie gehört oder aber nur von dessen Verkaufszahlen. Im amerikanischen Fernsehen bewirbt Manilow seine "Greatest Songs of the Fifties" jedenfalls mit Bestellnummer. Die Zielgruppe, die beim Bügeln zum Telefon greift, hat er inzwischen allerdings bei weitem überschritten.

Das Comeback von Leo Sayer war ebenfalls unvermeidlich, aber kaum so berechnend eingefädelt: Weil schon seit einiger Zeit das kommerzielle Pathos der späten siebziger Jahre neu entdeckt wird und man jetzt in den Clubs Studio-Supergruppen wie Toto hören kann. Leo Sayer, der sich zum Clown schminken ließ und als Saint-Exupérys "kleiner Prinz" seine Plattencover schmückte, erfüllt diesen Bedarf an leerem Gefühlsüberschwang genau: Obendrein folgt "Thunder in My Heart Again" der Formel, die Eric Prydz, ein schwedischer DJ, vor zwei Jahren gefunden hat, als er Stevie Winwood "Call on Me" singen ließ und das mit stumpfer Clubmusik unterlegte. Im Video tanzten damals halbnackte Frauen Aerobic, bei Leo Sayer und DJ Meck tragen sie lange, wallende Hosen. Aber es geht ja auch nicht um die gestählten achtziger Jahre, sondern um die verwehten siebziger.

Und den verwehten Siebzigern nähert sich bald auch Neil Diamond. Er ist jetzt 65 Jahre alt, aber unter all den Neubelebten wie Sayer oder Winwood der einzige mit Zukunft, der einzige, der über die Moden hinauswächst, über diesen verführerischen Impuls im Pop, jemanden, der gar nicht geht, plötzlich zu verteidigen und zu lieben. Er ist nicht Roy Black, er ist keiner, an dem man seine Eitelkeit stillt. "I loved it all, and I'm not too proud", singt Neil Diamond auf "Hell Yeah". Wer so denkt, der hat auch keine peinlichen Lieblingslieder.

TOBIAS RÜTHER

Neil Diamonds "12 Songs" und Mecks "Thunder in My Heart Again" mit Leo Sayer sind bei Sony BMG erschienen. Barry Manilows "The Greatest Songs of the Fifties", auch bei Sony BMG, erscheint am 10. März.

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