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Produktdetails
Trackliste
CD
1The Village Green Preservation Society00:02:53
2Do You Remember Walter00:02:27
3Picture book00:02:36
4Johnny Thunder00:02:31
5Last Of The Steam-Powered Trains00:04:11
6Big sky00:02:51
7Sitting by the riverside00:02:24
8Animal Farm00:03:01
9Village green00:02:11
10Starstruck00:02:27
11Phenomenal Cat00:02:39
12All Of My Friends Were There00:02:25
13Wicked Annabella00:02:43
14Monica00:02:20
15People Take Pictures Of Each Other00:02:22
16The Village Green Preservation Society (Stereo Album)00:02:49
17Do You Remember Walter (Stereo Album)00:02:25
18Picture Book (Stereo Album)00:02:37
19Johnny Thunder (Stereo Album)00:02:31
20Monica (Stereo Album)00:02:16
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2004

So klingt Erdbeermarmelade
Nicht wie all die anderen: Ein frühes Meisterwerk der "Kinks"

Der Blick zurück ist der Rockmusik wesensfremd. Ihr Dasein ist hier und jetzt. Ein krachendes Gitarrenriff, das treibende Schlagzeug und darüber ein paar heftig herausgestoßene Worte: fertig ist der Rocksong. Die besten haben ihre Wucht bis heute bewahrt. Die allerbesten beweisen sogar, daß die Lebenshaltung eines Moments perfekt in drei Minuten Musik Platz hat. Und ganz gleichgültig ist, wie viele Jahre seitdem vergangen sind: Die Stimmung von einst ist unmittelbar wieder da, wenn das Stück neuerlich erklingt.

Ray Davies gelangen in der ersten Hälfte der sechziger Jahre innerhalb weniger Monate mehrere emblematische Rocksongs: "You Really Got Me", "All Day and All of the Night", "Till the End of the Day". Seine Band "The Kinks" lärmte damals vielleicht am unbekümmertsten unter den jungen Rockgruppen aus England. Aber Ray Davies war es auch, der als erster vom Produktionslaufband sprang. Während die Plattenfirma immer neue Single-Hits von ihm forderte, die damals nicht unbedingt für die Ewigkeit klingen sollten, sondern lieber für die Kasse des Augenblicks, begann er sich für Fragen hinter den eiligen Bewegungen des Gegenwärtigen zu interessieren: für das Woher und Wohin. So entstanden um die Jahreswende 1967/68 die Songs für ein Konzeptalbum, das "The Kinks Are The Village Green Preservation Society" heißen sollte - eine Rückschau des damals gerade Dreiundzwanzigjährigen auf die eigene Kindheit und die Zeit davor in englischen Vorstadtidyllen mit kupiertem Rasen und Sonntagsschule.

Es schien sich gut zu fügen, daß Ray Davies' jüngerer Bruder Dave, Leadgitarrist der "Kinks", zur selben Zeit als Solist erfolgreich wurde, mit etwas mehr als ein wenig Unterstützung der Bandkumpels. Den Song "Death of a Clown" hatte Ray geschrieben und die Gruppe eingespielt, doch veröffentlicht wurde er im Alleingang von Dave Davies. Dahinter stand der Plan, die Karriere der "Kinks" gleichsam aufzuspalten. Dave Davies würde mit dem ursprünglichen Gruppenentwurf den enthusiastischen Brachialrumpelrock der frühen Jahre weiterführen, Ray derweil für die neuen, erwachsenen "Kinks" anspruchsvollere Konzepte entwickeln. Zu dieser Aufteilung der Kräfte kam es dann doch nicht. Bis zu ihrem sang- und klanglosen Verschwinden um die Mitte der Neunziger blieben die "Kinks" die Band von Ray Davies.

Das Material zu der "Village Green"-Platte fügte sich zusammen in zähen Schöpfungsprozessen, immer wieder unterbrochen durch das Tagesgeschäft einer in den Charts erfolgreichen Band und offenbar auch gegen den Widerstand der Plattenfirma. Doch Ray Davies stand als Hitautor zu jener Zeit so hoch im Ansehen der Rockverwertungsmaschinerie, daß man ihn gewähren ließ. Es gelang ihm sogar, das Preßverfahren der ersten Fassung von "The Village Green" anhalten zu lassen, um das Album noch einmal zu überarbeiten und um weitere Songs zu ergänzen. Schließlich erschien die Platte im November 1968, zwei Monate später als geplant.

"The Kinks Are The Village Green Preservation Society" wurde ein Flop, die Platte geriet unbeachtet in Vergessenheit. Doch diese Umstände sind es, die das Werk in einer Art rockeigenem Umkehrschluß inzwischen als Klassiker erscheinen lassen. Materialbeschwert, ergänzt um Bonustracks und einen ausführlichen, ja geschwätzigen, dabei erstaunlich nichtssagenden Begleithefttext, kommt die "Special Deluxe Edition" nun daher, und es kann keine Rede davon sein, daß die Aufbereitung dem ursprünglichen Reigen dienlich wäre. Im Gegenteil: Das Zukunftsweisende aus der Begrenztheit frühesten Rockdröhnens lag schon immer in diesen Liedern selbst, die musikalisch neue Wege in die Vergangenheit gingen, vom elektrifizierten Drei-Akkorde-Donnern in die verschwimmenden Klangwelten englischer Music-Hall-Unterhaltung und Seebadsymphonik, mit Rockinstrumentarium, dudelnden Kirmesorgeln und Salonorchester pfiffig aufbereitet. Die Rückwärtsbewegung im Musikalischen vollzog Ray Davies in seiner Lyrik konsequent mit. Menschen fotografieren einander, um sich später vergewissern zu können, daß sie existierten. So heißt es im letzten Song des Zyklus, er enthält die Quintessenz des gesamten Unternehmens.

Fast ausschließlich geht es in den fünfzehn Liedern um Zurückliegendes und darum, wie die Vergangenheit zum Spiegel der Gegenwart wird. Zwischen all dem verspielten musikalischen Zitatenzierat und den lyrischen Ranken ist die Botschaft durchaus zu vernehmen. Seinerzeit jedoch hörte man nur kindliche Melodien und Texte, die von Erdbeermarmelade, Faßbier und Küssen unter alten Eichen handelten. Ob "The Kinks Are The Village Green Preservation Society" der verkannte Soundtrack einer Epoche war oder skurriler Eskapismus aus dem lauten, atemlosen Rockalltag, ist heute nicht mehr zu entscheiden. Sicher allerdings ist, daß dieses Album zum ersten Meisterstück von Ray Davies als überragendem Erzähler wurde.

ANDREAS OBST

Kinks, The Kinks Are The Village Green Preservation Society (Special Deluxe Edition). 3 CDs, Sanctuary SMETD102 (BMG)

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