Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 25. Februar 2013
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / BMG Rights Mgmt GmbH,
- EAN: 0825646514489
- Artikelnr.: 36954832
LP 1 | |||
1 | The right thing right | ||
2 | I Want The Heartbeat | ||
3 | European me | ||
4 | Upstarts | ||
5 | Lockdown | ||
6 | The messenger | ||
7 | |||
8 | |||
9 | |||
10 | |||
11 | |||
12 | |||
LP 2 | |||
1 | Generate! Generate! | ||
2 | Say demesne | ||
3 | Sun and moon | ||
4 | The crack up | ||
5 | New town velocity | ||
6 | Word starts attack |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2013Der Feinbäcker
Johnny Marrs Gitarre müsste etwas lauter sein
Man muss nicht alles verstehen. Zum Beispiel, warum die kurzlebige Achtziger-Jahre-Band The Smiths in England bis heute als musikalisches Jahrhundertereignis gilt. Noch vor den Beatles wurden sie von einem maßgeblichen britischen Musikmagazin zum "Most Influential Artist Ever" gekürt. Und das Album "The Queen Is Dead" wurde in Ranglisten mehrmals als "Best Album Ever Made" gewertet.
Es muss wohl an den ironischen Texten Morrisseys und seinem jodlig-knödligen Crooner-Gesang liegen, an dem dandyhaft-weltschmerzlichen Auftreten des Sängers, das manche auf der Insel von Oscar Wilde träumen lässt. Denn die Smith-Musik selbst plätschert bei aller handwerklichen Gediegenheit bloß so gefällig dahin. Songs wie "Frankly, Mr. Shankly", "I Know It's Over" oder "Never Had No One Ever" (alle von "The Queen Is Dead") haben die musikalische Substanz von Durchschnittsschlagern. Stilbildend waren allerdings die feinen Texturen des Gitarrenspiels von Johnny Marr, die viele Lieder hintergründig prägen und mit denen sich der Musiker entschieden von den breitbeinigen Rock-Posen abhob, wie sie damals noch üblich waren. Marr spielte kaum Soli, er brachte melancholische Dezenz und den Twang des Rockabilly in den Postpunk ein und eröffnete mit seinem charakteristischen Rickenbacker-Sound eine kleine gitarristische Feinbäckerei, in der die Kunst der songdienlichen Licks, Pickings und Melodielinien gepflegt wurde. Marr ist der Virtuose, der lieber im Hintergrund bleibt. Ein sehr guter zweiter Mann.
Die Smiths hat Johnny Marr 1987 verlassen und damit zum Kollaps gebracht - angeblich, weil ihm langweilig wurde. Seitdem hat er diverse Band- und Soloprojekte verfolgt, und das beste Werk, an dem er in seiner dreißigjährigen Karriere beteiligt war, ist das bislang letzte Album der amerikanischen Band Modest Mouse, "We Were Dead Before The Ship Even Sank" (2007), das in den Vereinigten Staaten Platz eins der Billboard-Charts erreichte. Die ruppig-kratzbürstigen Songs von Isaac Brock verfeinerte Marr mit seiner Saitenkunst und fügte sich dabei unaufdringlich, wenn auch keineswegs mäuschenstill in die Gruppendynamik von Modest Mouse ein, um die Band bald darauf auch schon wieder zu verlassen.
Ein solcher Mitspieler im besten Sinn hat es schwer als Frontmann. Das bestätigt sich, wenn man nun Johnny Marrs Soloalbum "The Messenger" hört. Sofort spürt man die Ambition, und sofort wird auch deutlich, dass die Lieder, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur gute B-Ware sind. Dem glatten, etwas konturlosen Gesang Marrs kann auch die moderne Studiotechnik kein Charisma verpassen. Vielleicht hätte er sich an Jeff Beck orientieren und Gastsänger(innen) engagieren sollen. Jeff Becks Gitarre kann mit ihren vokalen Qualitäten den Sänger im Übrigen leicht ersetzen. Diese Lösung des Gitarristen-Dilemmas bleibt Marr verschlossen, solange sein Spiel nicht stärker in den Vordergrund drängt.
Noch so viele schöne Gitarrenspuren, bisweilen fast orchestral übereinandergelegt, ergeben noch keine großen Songs. Unter ihrem artifiziellen Überbau besitzen die meisten Stücke ein konventionelles Britpop-Chassis. Das fügt sich nicht immer überzeugend zusammen, sorgt aber doch für Appeal und Süffigkeit, erst recht, wenn dazu ein Funkbass die Treiberfunktion übernimmt, wie im Titelstück "The Messenger". Andererseits droht Belanglosigkeit: Diese gutgelaunte Dancefloor-Zackigkeit, die vor zehn Jahren Bands wie die Arctic Monkeys oder Franz Ferdinand in den britischen Gitarrenrock einführten, ist ausdrucksschwach und wirkt heute bereits angestaubt.
Trotzdem ist dies ein Album, das man Hörern von Gitarrenmusik guten Gewissens empfehlen kann. In Johnny Marrs Feinbäckerei gibt es immer etwas Leckeres zu bewundern und abzuschmecken: ein sahniges Intro, ein fluffiges Arpeggio, eine zimtduftende Melodie, garnierende Gitarrenschlängel und interessante Effekte. Es sind Momente, in denen man aufhorcht: Wie hat er das nun wieder gemacht? Sehr schön, wenn in "Upstarts" plötzlich ein zerrendes Modest-Mouse-Lick hereinstürmt; "New Town Velocity" ist ein entspannter Smiths-Gedächtnis-Moment, und mit "Lockdown" gibt es immerhin einen Song, der abgeht wie Schmidts Katze. Hier endlich singt und lodert Marrs Instrument. Vielleicht wäre das ja eine Devise für diesen herausragenden Musiker, dem der "New Musical Express" vor einigen Wochen - britisches Understatement sieht anders aus - den Godlike Genius Award verliehen hat: mehr Vordergrund wagen!
WOLFGANG SCHNEIDER
Johnny Marr:
The Messenger
Rykodisc 1965669 (Warner Music)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Johnny Marrs Gitarre müsste etwas lauter sein
Man muss nicht alles verstehen. Zum Beispiel, warum die kurzlebige Achtziger-Jahre-Band The Smiths in England bis heute als musikalisches Jahrhundertereignis gilt. Noch vor den Beatles wurden sie von einem maßgeblichen britischen Musikmagazin zum "Most Influential Artist Ever" gekürt. Und das Album "The Queen Is Dead" wurde in Ranglisten mehrmals als "Best Album Ever Made" gewertet.
Es muss wohl an den ironischen Texten Morrisseys und seinem jodlig-knödligen Crooner-Gesang liegen, an dem dandyhaft-weltschmerzlichen Auftreten des Sängers, das manche auf der Insel von Oscar Wilde träumen lässt. Denn die Smith-Musik selbst plätschert bei aller handwerklichen Gediegenheit bloß so gefällig dahin. Songs wie "Frankly, Mr. Shankly", "I Know It's Over" oder "Never Had No One Ever" (alle von "The Queen Is Dead") haben die musikalische Substanz von Durchschnittsschlagern. Stilbildend waren allerdings die feinen Texturen des Gitarrenspiels von Johnny Marr, die viele Lieder hintergründig prägen und mit denen sich der Musiker entschieden von den breitbeinigen Rock-Posen abhob, wie sie damals noch üblich waren. Marr spielte kaum Soli, er brachte melancholische Dezenz und den Twang des Rockabilly in den Postpunk ein und eröffnete mit seinem charakteristischen Rickenbacker-Sound eine kleine gitarristische Feinbäckerei, in der die Kunst der songdienlichen Licks, Pickings und Melodielinien gepflegt wurde. Marr ist der Virtuose, der lieber im Hintergrund bleibt. Ein sehr guter zweiter Mann.
Die Smiths hat Johnny Marr 1987 verlassen und damit zum Kollaps gebracht - angeblich, weil ihm langweilig wurde. Seitdem hat er diverse Band- und Soloprojekte verfolgt, und das beste Werk, an dem er in seiner dreißigjährigen Karriere beteiligt war, ist das bislang letzte Album der amerikanischen Band Modest Mouse, "We Were Dead Before The Ship Even Sank" (2007), das in den Vereinigten Staaten Platz eins der Billboard-Charts erreichte. Die ruppig-kratzbürstigen Songs von Isaac Brock verfeinerte Marr mit seiner Saitenkunst und fügte sich dabei unaufdringlich, wenn auch keineswegs mäuschenstill in die Gruppendynamik von Modest Mouse ein, um die Band bald darauf auch schon wieder zu verlassen.
Ein solcher Mitspieler im besten Sinn hat es schwer als Frontmann. Das bestätigt sich, wenn man nun Johnny Marrs Soloalbum "The Messenger" hört. Sofort spürt man die Ambition, und sofort wird auch deutlich, dass die Lieder, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur gute B-Ware sind. Dem glatten, etwas konturlosen Gesang Marrs kann auch die moderne Studiotechnik kein Charisma verpassen. Vielleicht hätte er sich an Jeff Beck orientieren und Gastsänger(innen) engagieren sollen. Jeff Becks Gitarre kann mit ihren vokalen Qualitäten den Sänger im Übrigen leicht ersetzen. Diese Lösung des Gitarristen-Dilemmas bleibt Marr verschlossen, solange sein Spiel nicht stärker in den Vordergrund drängt.
Noch so viele schöne Gitarrenspuren, bisweilen fast orchestral übereinandergelegt, ergeben noch keine großen Songs. Unter ihrem artifiziellen Überbau besitzen die meisten Stücke ein konventionelles Britpop-Chassis. Das fügt sich nicht immer überzeugend zusammen, sorgt aber doch für Appeal und Süffigkeit, erst recht, wenn dazu ein Funkbass die Treiberfunktion übernimmt, wie im Titelstück "The Messenger". Andererseits droht Belanglosigkeit: Diese gutgelaunte Dancefloor-Zackigkeit, die vor zehn Jahren Bands wie die Arctic Monkeys oder Franz Ferdinand in den britischen Gitarrenrock einführten, ist ausdrucksschwach und wirkt heute bereits angestaubt.
Trotzdem ist dies ein Album, das man Hörern von Gitarrenmusik guten Gewissens empfehlen kann. In Johnny Marrs Feinbäckerei gibt es immer etwas Leckeres zu bewundern und abzuschmecken: ein sahniges Intro, ein fluffiges Arpeggio, eine zimtduftende Melodie, garnierende Gitarrenschlängel und interessante Effekte. Es sind Momente, in denen man aufhorcht: Wie hat er das nun wieder gemacht? Sehr schön, wenn in "Upstarts" plötzlich ein zerrendes Modest-Mouse-Lick hereinstürmt; "New Town Velocity" ist ein entspannter Smiths-Gedächtnis-Moment, und mit "Lockdown" gibt es immerhin einen Song, der abgeht wie Schmidts Katze. Hier endlich singt und lodert Marrs Instrument. Vielleicht wäre das ja eine Devise für diesen herausragenden Musiker, dem der "New Musical Express" vor einigen Wochen - britisches Understatement sieht anders aus - den Godlike Genius Award verliehen hat: mehr Vordergrund wagen!
WOLFGANG SCHNEIDER
Johnny Marr:
The Messenger
Rykodisc 1965669 (Warner Music)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main