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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 7. Februar 2020
  • Hersteller: In-akustik / Mack Avenue,
  • EAN: 0673203108226
  • Artikelnr.: 58576006
Trackliste
CD
1Overture/The Movement Revisited
2Sister Rosa - Prologue
3Sister Rosa
4Rosa Introduces Malcolm
5Brother Malcolm - Prologue
6Brother Malcolm
7Malcolm Introduces Ali
8Ali Speaks
9Rumble in the Jungle
10Rosa Introduces MLK
11Soldiers (I Have a Dream)
12A View from the Mountaintop
13Apotheosis: November 4th, 2008
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2020

So mitreißend klingt schwarze Rebellion
Semantik des Aufbegehrens: Christian McBrides Jazzporträt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung

Als ein ausgepumpter Sonny Liston sich in den Abendstunden des 25. Februar 1964 weigerte, zur siebten Runde anzutreten, war eine Weltsensation perfekt. Damit begann nicht nur eine neue Ära des Boxens, auch in Amerikas politischer und sozialer Geschichte wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen: "Ich bin der Größte! Ich muss nicht so sein, wie ihr mich gern haben wollt. Ich bin frei, derjenige zu sein, der ich sein will. ,Cassius Clay' war mein Sklavenname, jetzt heiße ich ,Muhammad Ali'." Nie zuvor hatte es eine solch provokante Selbstermächtigung eines amerikanischen Sportlers gegeben. Ali repräsentierte jetzt ein völlig neues Image des Afroamerikaners.

Für den Bassisten Christian McBride war deshalb sonnenklar, dass eine Symbolfigur wie Muhammad Ali zu jenen vier Ikonen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung zählt, die er auf seinem jetzt erschienenen Konzeptalbum "The Movement Revisited" porträtiert. Redeausschnitte und Schlüsseltexte von Rosa Parks, Malcolm X, Martin Luther King und Ali werden von Sängerinnen und Sängern rezitiert, die erst gar nicht versuchen, Tonfall, Timbre und Tempo ihrer Vorbilder exakt zu imitieren.

Schon vor zweiundzwanzig Jahren hatte McBride eine erste, noch reduzierte Version dieses Projekts produziert, später kamen neue Arrangements, eine achtzehnköpfige Bigband und ein dreißigköpfiger Gospelchor hinzu, um die historischen Vorbilder in möglichst intensiven Klangbildern aufleben zu lassen. 2008 wurde McBride im Zusammenhang mit der Wahl Barack Obamas inspiriert, eine überarbeitete Version in Angriff zu nehmen. Die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten war für McBride ein historisches Ereignis, das sich unmittelbar mit den Emanzipationsprozessen von Black Power und "Black is beautiful" verband.

Das erstaunliche Werk verknüpft Klanggeschichten einer Jazz-Combo mit dem dramatischen Pathos eines Gospelchors, der aufstörenden Wucht einer Bigband, theatralischen Elementen und dramatischen Sprachgesten. Es geht um den spirit des Civil Rights Movement, um seinen Aufbruchsgeist, den McBride in seinem musikalischen Sprach-Klang-Kaleidoskop neu erwecken möchte und der noch heute als fernes Echo im Black Lives Matter Movement fortwirkt, das sich jeder Polizeiwillkür gegenüber Schwarzen in den Weg zu stellen versucht. Die dreizehn Stücke auf McBrides opus magnum folgen einer strengen Dramaturgie: Auf einen gesprochenen Prolog folgt ein instrumentales Porträt der jeweiligen "Ikone" - erst im Fall von Barack Obama verbünden sich die Stimmen zu einer einzigen hoffnungsfrohen Huldigung. Neben dem historischen Wert bestimmter Reden und Statements geht es McBride um Stimmungen, Strategien und Konflikte des keinesfalls homogenen Civil-Rights-Aufbruchs. Die instrumentalen Effekte sind deshalb ebenso wichtig wie die politischen Äußerungen.

Jazzimprovisationen wirken dabei wie Mentalitätsverstärker rein sprachlicher Operationen. Rede und Klang sollen sich hier bis zur Ununterscheidbarkeit durchdringen: beispielhaft gelungen in dem Titel "Rumble in the Jungle", im Schlagabtausch zweier Saxophone, die sich in einer immer hitziger werdenden "Ringschlacht" gegenseitig befeuern. Steve Wilson und Ron Blake symbolisieren mit ihren instrumentalen Attacken jenes Boxspektakel in Kinshasa im damaligen Zaire vom 30. Oktober 1974, das in seiner soziokulturellen und politischen Vielschichtigkeit all das symbolisierte, was den "Mythos Ali" ausmacht.

Der bewegende Blues von "Sister Rose" dramatisiert dagegen die Festnahme von Rosa Parks wegen ihres Bus-Sitzstreiks über einer luftigen Flötenimprovisation von Steve Wilson. In bester Coltrane-Tradition setzt Ron Blake sein loderndes Tenorsaxophon ein, um in "Brother Malcolm" dessen späte spirituelle Wendung zu betonen. Der subtile Marschrhythmus der Trommeln in Kings symbolträchtiger Rede "I have a dream" wird von McBride mit dräuenden Bassfiguren untermalt, bevor die Worte von Dion Graham in das Gospelmotiv von "A View from the Mountaintop" überleiten. Alsbald wird es von rockigen Rhythmen beseelt - gefolgt von "Apotheosis", die Obamas "Victory Speech" vom 4. November 2008 thematisiert. Seine leidenschaftliche Vision eines vereinten und wirklich versöhnten Amerikas klingt in Zeiten des triumphalen Trump-Zynismus wie das nicht eingelöste Versprechen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

In den Sechzigern, als das Civil Rights Movement seinen Höhepunkt erreichte, war Christian McBride noch nicht geboren. Erst durch seine Großmutter, die eine überzeugte Bürgerrechtlerin war, lernte er die wichtigsten Vorkämpfer der Bewegung kennen. Mit siebzehn Jahren ging er nach New York und machte sich bald bei Jazzgrößen wie Chick Corea, Pat Metheny oder Wynton Marsalis als Bassist einen Namen.

McBride stellt sich ausdrücklich in die Traditionslinie politisch motivierter Jazzalben wie Max Roachs "Freedom Now Suite - We Insist!" oder Andrew Hills Aufforderung "Lift Every Voice". Dennoch bleibt er sich der Problematik einer solchen Mixtur aus "Music & Message" bewusst - allzu leicht kann ein selbstgewisser Propagandaton die heikle Gratwanderung zwischen dem ästhetischen Eigensinn der Musik und den textlichen Botschaften ins Wanken bringen.

Die Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre, die mit ihren Freiheitsidealen und Kämpfen gegen rassische Diskriminierung bis heute von ihrer Aktualität nichts eingebüßt hat, entsteht auf diesem Album als Hörbild neu, mit starken dramatischen, ja fast widersprüchlichen Effekten. Vielleicht hat sich McBride dabei ja eines Diktums Duke Ellingtons erinnert, als der einst einen dissonanten Akkord vernahm: "So klingt ein Negro-Leben! Dissonanz bestimmt unseren Lebensstil in Amerika - wir sind abgesondert und zugleich integraler Bestandteil der Gesellschaft."

PETER KEMPER

Christian McBride: "The Movement Revisited". A Musical Portrait Of Four Icons.

Mack Avenue Records

Mac 1082

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