Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 7. September 2007
- Hersteller: 375 Media GmbH / JAGJAGUWAR/Cargo,
- EAN: 0656605211022
- Artikelnr.: 23018964
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Our Life Is Not A Movie Or Maybe | ||
2 | Unless It's Kicks | ||
3 | A Hand To Take Hold Of The Scene | ||
4 | Savannah Smiles | ||
5 | Plus Ones | ||
6 | A Girl In Port | ||
7 | You Can't Hold The Hand Of A Rock And Roll Man | ||
8 | Title Track | ||
9 | John Allyn Smith Sails |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2007In Helsinki hört man Alaska-Pop
Herrjemine, gibt es denn eigentlich auch uninteressante Bands? So fragt der Bekannte, den ich stets als dankbaren Abnehmer von todsicheren Insidertipps erlebt hatte. Er wollte immer wissen, auf welches verrückte Pferd heute zu setzen ist. Jetzt hat selbst er genug davon, Ohren voll, hier rein und da wieder raus. Dabei hatte ich doch nur bei einem Bier meine neuesten Entdeckungen unter der Signatur "Indie-Rock, Vereinigte Staaten" vorgestellt und bislang weder die Fässer "Indie-Rock, Kanada" noch "Neo-Mainstream-Rock, ganz Nordamerika" aufgemacht und die völlig andere Baustelle "Europa" nur kurz gestreift - beim Sänger der großartigen Band "Voxtrot" aus Texas (der zwar indische Vorfahren hat, aber ein paar Semester in Glasgow studierte). Erwähnte ich übrigens schon die tolle Band "Portugal. The Man" aus Alaska? Oder "Architecture in Helsinki" aus Australien? Die Globalisierung der Popmusik stellt die Hörer vor ein Dilemma, das es in dieser Schärfe in anderen Kunstformen nicht gibt: ein Übermaß an Quantität und Qualität zugleich. Das hat drei Gründe. Erstens: Popmusik, ob Rock, Hip-Hop oder Elektro, ist billig zu produzieren; es reicht ein Wohnzimmer mit Computer (anders als bei der E-Musik und dem Theater, wo es ein Orchester oder ein Ensemble braucht, und, vor allem, als beim Film). Gleichzeitig ist Pop ohne nennenswerte Verluste digital zu verbreiten (anders als Malerei). Drittens kennt er keine Sprachbarriere (anders als die Literatur). Unter allen Kunstformen ist Pop daher die einzige, in der irgendwo auf der Welt jemand im Alleingang und ohne Kapital ein Werk schaffen kann, das per Knopfdruck oder mittels winziger Firmenapparate allen Interessierten unverzüglich vorliegt. Man stelle sich nur einmal vor, es gäbe eine Art Myspace für Lyrik, wo jedes weltweit entstehende Gedicht, in Dutzende von Sprachen übersetzt, sofort jedem Lyrikkenner ins Haus flatterte. Man würde den Eindruck einer gigantischen Versschwemme haben (und bald fragen, ob es denn eigentlich auch uninteressante Dichter gebe). Der Popkritiker verliert so sogar auf seinem Spezialgebiet den Überblick. Erst recht gibt es keinen Popjournalisten mehr, der sich in Black Music, Gitarrenrock und Elektro und deren jeweiligen Subgenres gleichermaßen auskennen könnte (vom Jazz einmal ganz abgesehen) - es sei denn, er beschäftigt sich nur mit den jeweils kommerziell erfolgreichsten Stars. So kann man nur weiter seine neuesten Faszinationen mitteilen und hoffen, dass man auf offene Ohren stößt: An diesem Wochenende erscheint "The Stage Names", das neue Album der texanischen Band "Okkervil River" (Jagjaguwar/Cargo 31294), ein auch textlich herausragendes Konzeptalbum über leichte Mädchen und schwere Jungs, Nachtschwärmer und Tagträumer, über flüchtiges Glück und ewige Misere. Wer das Interesse an Pop vor lauter Überfluss verloren hat, der könnte damit zum Glauben zurückfinden, wenn er hört, wie hier eine Handvoll Songs das ganze Elend und Glück des Lebens umspannt; wie Pathos zur ureigenen Tonlage von Pop wird; und wie Will Shelf Zeilen singt wie diese: "Let fall your soft and swaying skirt. / Let fall your shoes. / Let fall your shirt. / I'm not the ladykilling sort enough to hurt a girl in port".
RICHARD KÄMMERLINGS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Herrjemine, gibt es denn eigentlich auch uninteressante Bands? So fragt der Bekannte, den ich stets als dankbaren Abnehmer von todsicheren Insidertipps erlebt hatte. Er wollte immer wissen, auf welches verrückte Pferd heute zu setzen ist. Jetzt hat selbst er genug davon, Ohren voll, hier rein und da wieder raus. Dabei hatte ich doch nur bei einem Bier meine neuesten Entdeckungen unter der Signatur "Indie-Rock, Vereinigte Staaten" vorgestellt und bislang weder die Fässer "Indie-Rock, Kanada" noch "Neo-Mainstream-Rock, ganz Nordamerika" aufgemacht und die völlig andere Baustelle "Europa" nur kurz gestreift - beim Sänger der großartigen Band "Voxtrot" aus Texas (der zwar indische Vorfahren hat, aber ein paar Semester in Glasgow studierte). Erwähnte ich übrigens schon die tolle Band "Portugal. The Man" aus Alaska? Oder "Architecture in Helsinki" aus Australien? Die Globalisierung der Popmusik stellt die Hörer vor ein Dilemma, das es in dieser Schärfe in anderen Kunstformen nicht gibt: ein Übermaß an Quantität und Qualität zugleich. Das hat drei Gründe. Erstens: Popmusik, ob Rock, Hip-Hop oder Elektro, ist billig zu produzieren; es reicht ein Wohnzimmer mit Computer (anders als bei der E-Musik und dem Theater, wo es ein Orchester oder ein Ensemble braucht, und, vor allem, als beim Film). Gleichzeitig ist Pop ohne nennenswerte Verluste digital zu verbreiten (anders als Malerei). Drittens kennt er keine Sprachbarriere (anders als die Literatur). Unter allen Kunstformen ist Pop daher die einzige, in der irgendwo auf der Welt jemand im Alleingang und ohne Kapital ein Werk schaffen kann, das per Knopfdruck oder mittels winziger Firmenapparate allen Interessierten unverzüglich vorliegt. Man stelle sich nur einmal vor, es gäbe eine Art Myspace für Lyrik, wo jedes weltweit entstehende Gedicht, in Dutzende von Sprachen übersetzt, sofort jedem Lyrikkenner ins Haus flatterte. Man würde den Eindruck einer gigantischen Versschwemme haben (und bald fragen, ob es denn eigentlich auch uninteressante Dichter gebe). Der Popkritiker verliert so sogar auf seinem Spezialgebiet den Überblick. Erst recht gibt es keinen Popjournalisten mehr, der sich in Black Music, Gitarrenrock und Elektro und deren jeweiligen Subgenres gleichermaßen auskennen könnte (vom Jazz einmal ganz abgesehen) - es sei denn, er beschäftigt sich nur mit den jeweils kommerziell erfolgreichsten Stars. So kann man nur weiter seine neuesten Faszinationen mitteilen und hoffen, dass man auf offene Ohren stößt: An diesem Wochenende erscheint "The Stage Names", das neue Album der texanischen Band "Okkervil River" (Jagjaguwar/Cargo 31294), ein auch textlich herausragendes Konzeptalbum über leichte Mädchen und schwere Jungs, Nachtschwärmer und Tagträumer, über flüchtiges Glück und ewige Misere. Wer das Interesse an Pop vor lauter Überfluss verloren hat, der könnte damit zum Glauben zurückfinden, wenn er hört, wie hier eine Handvoll Songs das ganze Elend und Glück des Lebens umspannt; wie Pathos zur ureigenen Tonlage von Pop wird; und wie Will Shelf Zeilen singt wie diese: "Let fall your soft and swaying skirt. / Let fall your shoes. / Let fall your shirt. / I'm not the ladykilling sort enough to hurt a girl in port".
RICHARD KÄMMERLINGS
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