Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 24. Juni 2005
- Hersteller: Warner Music Group Germany Hol / Parlophone Label Group (PLG),
- EAN: 0094631148125
- Artikelnr.: 20032754
CD | |||
1 | Triumphant | 00:04:20 | |
2 | Only this moment | 00:03:55 | |
3 | 49 Percent | 00:05:11 | |
4 | Sombre Detune | 00:04:52 | |
5 | Follow my ruin | 00:03:51 | |
6 | Beautiful Day Without You | 00:05:29 | |
7 | What Else Is There? | 00:05:17 | |
8 | Circuit Breaker | 00:05:24 | |
9 | Alpha Male | 00:08:11 | |
10 | Someone Like Me | 00:05:23 | |
11 | Dead To The World | 00:05:20 | |
12 | Tristesse globale | 00:01:26 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2005Ein Licht nach langer Dunkelheit
Auf ihrem zweiten Album haben sich die Norweger von Röyksopp selbst noch einmal übertroffen
Wenn sogar Nick Hornby etwas peinlich ist, dann muß es wirklich schlimm sein. Hornby, englischer Romancier und Popmusik-Fan, ist nämlich nicht gerade dafür bekannt, in Geschmacksfragen zimperlich zu sein. Er mag Rod Stewart genauso gern wie Bruce Springsteen, Rufus Wainwright genauso wie "Puff the Magic Dragon", und er gibt all das offenherzig zu. Am norwegischen Elektropop-Duo Röyksopp allerdings ist er einmal kurzfristig verzweifelt.
Vor einigen Jahren, zum Jahresende 2001, hörte Hornby immer wieder Röyksopps Debütalbum "Melody A.M.". Und besonders gefiel ihm darauf das Stück "Night Out", wie er im Buch "31 Songs" beschreibt: weil es etwas dynamischer war als die restlichen, eher sphärischen Lieder. "Kaum hatte ich beschlossen, daß Röyksopps ,Night Out' gut war", schreibt Hornby also, "da hörte ich es überall. Die BBC setzte es immer öfter als Hintergrundmusik bei Programmvorschauen ein. Es lief im Foyer eines abartig modernen Hotels, in dem ich auf einen amerikanischen Freund wartete. Es lief im ,Body Shop', als ich Duschgel kaufte. Mit anderen Worten, es war in knapp zwei, drei Monaten zum klischeehaften, trägen Kürzel für eine bestimmte Art nichtssagender, kaufkräftiger Hipness geworden, und ich brachte es nicht über mich, es noch mal aufzulegen."
Über eine Million Exemplare haben Röyksopp aus Norwegen weltweit von ihrem Debütalbum verkauft. Einer sehr guten Platte wie "Melody A.M." macht eine solche Verbreitung natürlich überhaupt nichts aus. Warum auch? Das wußte Nick Hornby selbstverständlich, als er Röyksopp den Rücken kehrte, aber darum ging es ihm gar nicht: Hornby haderte vielmehr mit der kaum abstellbaren Psychose manischer Schallplattensammler, ihre gerade gehobenen Schätze nicht mit anderen teilen zu wollen. Und erst recht nicht mit Kosmetikgeschäften, Boutique-Hotels, der ARD-Sportschau und Leuten, die Popmusik für Raumausstattung halten.
Insofern war Nick Hornby auch eher Röyksopps Publikum peinlich als ihre Musik. Er ist eben in Geschmacksfragen nicht zimperlich. Andererseits gibt es auch ein richtiges Hören im falschen, und deshalb hat sich Hornby selbst sehr damit geschadet, Röyksopp nicht mehr aufzulegen. Denn "Melody A.M." war schlichtweg großartige Musik, erdschwer, aber orkanartig. Es waren ausufernde Instrumentalstücke, hypnotisch vorangetragen von einem Beat aus der Maschine, der aber pochte wie ein Herzschlag. Röyksopp erweckten ihre Synthesizer zum Leben. Ein Luftzug wehte durch die Diskothek.
Und dieser Luftzug kam vom Rand der Welt, vom Polarkreis, aus Norwegen. Es ist ein eigenartiges Phänomen der Popmusik, daß neue Klänge häufig aus Landschaften und Orten daherkommen, die Pop eigentlich nicht auf der Karte hatte. Das ist ein paar Jahre zuvor zum Beispiel bei Daft Punk und Air aus Paris so gewesen, mit denen Röyksopp sofort verglichen wurden. Wenn wie aus dem Nichts ein neuer Sound auftaucht, sperrt man in den Epizentren wie London oder New York erst den Mund auf und beeilt sich dann, die neuen Klänge schnellstens zu kopieren. Als Madonna bei "Live 8" auf der Bühne stand, fiel einem dieses Phänomen wieder ein: Ihre Diskohymne "Music", die sie in London zelebrierte, wäre nie zur Diskohymne geworden, hätten Daft Punk nicht ein paar Jahre zuvor den Vocoder rehabilitiert und den "French Filter" und andere Tricks erfunden, die sich die clevere Madonna sofort sicherte.
Röyksopp, die aus dem Nichts kamen, sind Torbjørn Brundtland und Svein Berge. Zwei Schulfreunde, aufgewachsen in Tromsø, das auf demselben Breitengrad wie Alaska und Sibirien liegt und eine der nördlichsten Städte der Erde ist. Popmusik geopolitisch zu erklären ist natürlich Unsinn, aber diese Randständigkeit, von der aus Brundtland und Berge an ihrer Electronica feilten, erst in Tromsø, später etwas weiter südlich in Bergen, kann für Künstler manchmal ein Standortvorteil sein. Weil niemand mit Außenseitern rechnet, ist der Druck nicht sehr groß, und zudem sind genügend Raum und Zeit da, sich zu entfalten. Dieser Standortvorteil kann allerdings auch ins Gegenteil umschlagen, in den Exotenbonus, wie bei Björk, die immer die "Eisfee" bleiben wird, auch wenn sie längst nicht mehr auf Island lebt.
Röyksopp, was "Atompilz" bedeutet, fielen also vom Himmel, wurden wieder in den Himmel gehoben und fanden sich bald in der ungemütlichen Position wieder, plötzlich allerhöchste Erwartungen erfüllen zu müssen. Das Idyll war vorbei. Es ist deshalb wirklich erstaunlich, wie sich die beiden auf ihrem neuen, zweiten Album, das jetzt erschienen ist, freigespielt haben. "The Understanding" klingt leichtfüßiger, skizzenhafter als das epische Debüt, das manchmal im geradezu wagneresken Breitwandpomp schwelgte.
Die erste Auskopplung, "Only This Moment", ist ein unkomplizierter Hit, wie ihn ein anderes Elektropop-Duo namens Air sicher seit langem gern geschrieben hätte: ein Duett mit der Sängerin Kate Havnevik, wie ein einsamer Paarlauf um eine Diskokugel. "49 Percent" tänzelt, wie früher einmal nur Prince tänzeln konnte. Und "What Else Is There", gesungen von Karin Dreijer, die sonst bei "The Knife" spielt, trifft einen schließlich mitten ins Herz. "I am the storm", singt die Schwedin mit eiskalter Stimme, "I am the wonder", und dazu hebt das Lied nur sacht vom Boden ab, als ob es sie nicht beim Singen stören wollte. Und man stellt sich sofort vor, wie auf der ganzen Welt einsame Wunderkinder wie Karin Dreijer den Kopf an die Scheibe des Nachtbusses lehnen, der sie durch die frühen Morgenstunden ihrer grauen Stadt am Meer heimfährt, und wie sie dabei dieses Lied hören, immer und immer wieder. Solche Bilder erzeugt die Musik von Röyksopp.
Aber Karin Dreijer singt auch von "Flashlights" und "Explosions", vom Augenblick, wenn alles erleuchtet ist, davon, geblendet zu werden, nachdem es eben noch so dunkel war. Sie singt auch von Röyksopp.
TOBIAS RÜTHER
"The Understanding" von Röyksopp ist gerade bei Wall of Sound/Labels erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auf ihrem zweiten Album haben sich die Norweger von Röyksopp selbst noch einmal übertroffen
Wenn sogar Nick Hornby etwas peinlich ist, dann muß es wirklich schlimm sein. Hornby, englischer Romancier und Popmusik-Fan, ist nämlich nicht gerade dafür bekannt, in Geschmacksfragen zimperlich zu sein. Er mag Rod Stewart genauso gern wie Bruce Springsteen, Rufus Wainwright genauso wie "Puff the Magic Dragon", und er gibt all das offenherzig zu. Am norwegischen Elektropop-Duo Röyksopp allerdings ist er einmal kurzfristig verzweifelt.
Vor einigen Jahren, zum Jahresende 2001, hörte Hornby immer wieder Röyksopps Debütalbum "Melody A.M.". Und besonders gefiel ihm darauf das Stück "Night Out", wie er im Buch "31 Songs" beschreibt: weil es etwas dynamischer war als die restlichen, eher sphärischen Lieder. "Kaum hatte ich beschlossen, daß Röyksopps ,Night Out' gut war", schreibt Hornby also, "da hörte ich es überall. Die BBC setzte es immer öfter als Hintergrundmusik bei Programmvorschauen ein. Es lief im Foyer eines abartig modernen Hotels, in dem ich auf einen amerikanischen Freund wartete. Es lief im ,Body Shop', als ich Duschgel kaufte. Mit anderen Worten, es war in knapp zwei, drei Monaten zum klischeehaften, trägen Kürzel für eine bestimmte Art nichtssagender, kaufkräftiger Hipness geworden, und ich brachte es nicht über mich, es noch mal aufzulegen."
Über eine Million Exemplare haben Röyksopp aus Norwegen weltweit von ihrem Debütalbum verkauft. Einer sehr guten Platte wie "Melody A.M." macht eine solche Verbreitung natürlich überhaupt nichts aus. Warum auch? Das wußte Nick Hornby selbstverständlich, als er Röyksopp den Rücken kehrte, aber darum ging es ihm gar nicht: Hornby haderte vielmehr mit der kaum abstellbaren Psychose manischer Schallplattensammler, ihre gerade gehobenen Schätze nicht mit anderen teilen zu wollen. Und erst recht nicht mit Kosmetikgeschäften, Boutique-Hotels, der ARD-Sportschau und Leuten, die Popmusik für Raumausstattung halten.
Insofern war Nick Hornby auch eher Röyksopps Publikum peinlich als ihre Musik. Er ist eben in Geschmacksfragen nicht zimperlich. Andererseits gibt es auch ein richtiges Hören im falschen, und deshalb hat sich Hornby selbst sehr damit geschadet, Röyksopp nicht mehr aufzulegen. Denn "Melody A.M." war schlichtweg großartige Musik, erdschwer, aber orkanartig. Es waren ausufernde Instrumentalstücke, hypnotisch vorangetragen von einem Beat aus der Maschine, der aber pochte wie ein Herzschlag. Röyksopp erweckten ihre Synthesizer zum Leben. Ein Luftzug wehte durch die Diskothek.
Und dieser Luftzug kam vom Rand der Welt, vom Polarkreis, aus Norwegen. Es ist ein eigenartiges Phänomen der Popmusik, daß neue Klänge häufig aus Landschaften und Orten daherkommen, die Pop eigentlich nicht auf der Karte hatte. Das ist ein paar Jahre zuvor zum Beispiel bei Daft Punk und Air aus Paris so gewesen, mit denen Röyksopp sofort verglichen wurden. Wenn wie aus dem Nichts ein neuer Sound auftaucht, sperrt man in den Epizentren wie London oder New York erst den Mund auf und beeilt sich dann, die neuen Klänge schnellstens zu kopieren. Als Madonna bei "Live 8" auf der Bühne stand, fiel einem dieses Phänomen wieder ein: Ihre Diskohymne "Music", die sie in London zelebrierte, wäre nie zur Diskohymne geworden, hätten Daft Punk nicht ein paar Jahre zuvor den Vocoder rehabilitiert und den "French Filter" und andere Tricks erfunden, die sich die clevere Madonna sofort sicherte.
Röyksopp, die aus dem Nichts kamen, sind Torbjørn Brundtland und Svein Berge. Zwei Schulfreunde, aufgewachsen in Tromsø, das auf demselben Breitengrad wie Alaska und Sibirien liegt und eine der nördlichsten Städte der Erde ist. Popmusik geopolitisch zu erklären ist natürlich Unsinn, aber diese Randständigkeit, von der aus Brundtland und Berge an ihrer Electronica feilten, erst in Tromsø, später etwas weiter südlich in Bergen, kann für Künstler manchmal ein Standortvorteil sein. Weil niemand mit Außenseitern rechnet, ist der Druck nicht sehr groß, und zudem sind genügend Raum und Zeit da, sich zu entfalten. Dieser Standortvorteil kann allerdings auch ins Gegenteil umschlagen, in den Exotenbonus, wie bei Björk, die immer die "Eisfee" bleiben wird, auch wenn sie längst nicht mehr auf Island lebt.
Röyksopp, was "Atompilz" bedeutet, fielen also vom Himmel, wurden wieder in den Himmel gehoben und fanden sich bald in der ungemütlichen Position wieder, plötzlich allerhöchste Erwartungen erfüllen zu müssen. Das Idyll war vorbei. Es ist deshalb wirklich erstaunlich, wie sich die beiden auf ihrem neuen, zweiten Album, das jetzt erschienen ist, freigespielt haben. "The Understanding" klingt leichtfüßiger, skizzenhafter als das epische Debüt, das manchmal im geradezu wagneresken Breitwandpomp schwelgte.
Die erste Auskopplung, "Only This Moment", ist ein unkomplizierter Hit, wie ihn ein anderes Elektropop-Duo namens Air sicher seit langem gern geschrieben hätte: ein Duett mit der Sängerin Kate Havnevik, wie ein einsamer Paarlauf um eine Diskokugel. "49 Percent" tänzelt, wie früher einmal nur Prince tänzeln konnte. Und "What Else Is There", gesungen von Karin Dreijer, die sonst bei "The Knife" spielt, trifft einen schließlich mitten ins Herz. "I am the storm", singt die Schwedin mit eiskalter Stimme, "I am the wonder", und dazu hebt das Lied nur sacht vom Boden ab, als ob es sie nicht beim Singen stören wollte. Und man stellt sich sofort vor, wie auf der ganzen Welt einsame Wunderkinder wie Karin Dreijer den Kopf an die Scheibe des Nachtbusses lehnen, der sie durch die frühen Morgenstunden ihrer grauen Stadt am Meer heimfährt, und wie sie dabei dieses Lied hören, immer und immer wieder. Solche Bilder erzeugt die Musik von Röyksopp.
Aber Karin Dreijer singt auch von "Flashlights" und "Explosions", vom Augenblick, wenn alles erleuchtet ist, davon, geblendet zu werden, nachdem es eben noch so dunkel war. Sie singt auch von Röyksopp.
TOBIAS RÜTHER
"The Understanding" von Röyksopp ist gerade bei Wall of Sound/Labels erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main